
16.04.2014 / Bericht / Lesezeit: ~ 5 min
Autor/-in: Lisa KielbassaUnbeliebt und unausweichlich – der Tod
Wie geht man weise mit dem Sterben um?
In wenigen Tagen ist Karfreitag. Ein Tag, der uns ins Bewusstsein ruft, dass wir sterben müssen und unser Leben endlich ist. Tod und Sterben sind unliebsame Themen in Deutschland: Während vor 100 Jahren die Toten noch tagelang aufgebahrt wurden zählt bei der Bestattung von heute vor allem eins: Schnelligkeit.
Doch so pluralistisch die deutsche Bevölkerung auch ist, mit dem Tod müssen sich alle sozialen Schichten, alle religiösen Weltanschauungen und alle Altersgruppen auseinandersetzten. Aber dennoch bekommt das Thema in unserer Gesellschaft scheinbar nicht genügend Beachtung. Wieso ist das so?
Eine erste Bestandsaufnahme zeigt: das Sterben wird präsenter. Literatur und Medien setzten sich in den vergangenen Jahren verstärkt mit dem Thema Sterbehilfe auseinander. Menschen wie Grandma Betty oder Wolfgang Herrndorf veröffentlichten mithilfe von Blogs oder anderen sozialen Netzwerken ihre Leidens- und Sterbegeschichte und erhielten viel Anteilnahme.
Forderung nach einem Sichtschutz ist das normal?
Doch ob man bereits von einem gesunden Umgang mit dem Sterben sprechen kann, ist fraglich: Erst seit 2012 gehört die Palliativmedizin an allen deutschen Universitäten zum Pflichtstudium. Ein Großteil der amtierenden Ärzte hat also nie gelernt, einen Sterbenden angemessen zu pflegen und zu begleiten, obwohl die Bevölkerung stetig altert. Auch die Zahlen der deutschen Stiftung für Organtransplantation (DSO) lassen vermuten, dass die Deutschen den Tod gedanklich lieber verdrängen. Die Zahl der Organspender geht stetig zurück. 2013 wurden nur 754 Organe gespendet.
In anderen Bereichen zeigt sich ebenfalls, dass der Tod noch keinen natürlichen Platz in unserer Lebenswelt einnimmt: In Hamburg und in Hagen klagten Anwohner gegen den Bau eines Hospiz und forderten einen Sichtschutz. Von dem Ratschlag der Bibel: „Lehre uns bedenken, dass wir sterben müssen, auf dass wir klug werden“ (Psalm 90, 12) scheinen wir Deutschen noch weit entfernt zu sein. Doch wie lernt man zu bedenken, dass man sterben muss? Leben Menschen, die durch ihren Beruf täglich mit dem Tod konfrontiert, sind anders?
Die größte Angst: unvorbereitet sterben
Oliver Wirthman ist 42 Jahre alt und Geschäftsführer des Kuratoriums Deutsche Bestattungskultur e.V.. Vor allem in den Jahren 2009 und 2010 hat er Menschen aktiv in ihrer Trauer begleitet. Daher sei ihm der Tod gedanklich stets präsent. Auch einige Wertigkeiten haben sich dadurch für ihn verschoben: „Wenn ich manchmal höre, was Menschen als ganz zentral oder wichtig erachten, dann denke ich oft: Ach, so wichtig ist das nicht. Am Schluss geht es darum, sein Leben in Würde und in Anstand gelebt zu haben. Dass man sagen kann: Ich habe glückliche und schwere Momente erlebt und ich kann mein Leben zurück in die Hände Gottes geben.“
Obwohl Wirthman sich fast täglich mit dem Tod auseinandersetzt, fürchtet er selbst einen unvorbereiteten Tod zu sterben. Er erzählt, dass er sich tief in seinem Inneren oft die Frage stellt, ob sein Beruf ihm wirklich helfen könne, mit eigenen Verlusterfahrungen umzugehen.
Verroht der Beruf?
Diese Zweifel hegt auch Detlef Büttner. Er ist als erster Kriminalhauptkommissar in der Mordkommission tätig. Er hat schon viele Leichen gesehen und erklärt, dass jeder seinen persönlichen Weg finden muss, damit umzugehen: „Wenn wir einen „normalen“ Todesfall aufnehmen, dann sprechen wir da gar nicht groß drüber.“ So hat Büttner durch seine Tätigkeit gelernt, den Tod als Teil des Lebens zu sehen und möchte mit dem Sterben möglichst sachlich und emotionslos umgehen. Bescheiden erzählt er, dass er sich nur zehn gute Jahre als Rentner wünscht und möglichst kein Siechtum erleben möchte.
Aber solange er noch gesund sei und es ihm gut gehe, sei der Tod einfach nur ein Aspekt seines Berufs: „Auf mein Privatleben hat das keine Auswirkung. Wenn ich das merken würde, dann müsste ich möglicherweise die Stelle wechseln“. Trotzdem berichtet er, dass seine Frau ihn gelegentlich ermahnt, sein Verhalten oder seinen Ton zu ändern. Doch das schiebt er nicht auf seinen täglichen Umgang mit dem Tod, sondern vor allem auf seinen Beruf als Polizeibeamter.
Die Gefahr Schiffbruch zu erleiden
Auch Dr. Andreas Freislederer erzählt, dass seine Frau manchmal behaupte, dass er verroht sei. Freislederer arbeitet seit 30 Jahren als Rechtsmediziner. Neben der Untersuchung von misshandelten oder vergewaltigten Personen ist die Obduktion von Leichen ein großer Teil seines Aufgabengebietes. Am Anfang sei es schwierig gewesen, dass Berufliche am Abend abzuschütteln. Mittlerweile gelinge ihm dies aber recht gut.
Dennoch ist er dankbar, dass er in seiner Frau eine Partnerin gefunden hat, der er alles erzählen kann. Doch auch das Gebet sei immer wieder eine Hilfe für ihn: „Dass ich da für mich jemanden habe, dem ich was erzählen kann, und dass ich mir die Last von der Seele reden kann. Wenn man das nicht hat, wird man möglicherweise Schiffbruch erleiden.“
Diese Ansicht teilt auch die Palliativmedizinerin Dr. Margrit Wille. Für sie ist klar: „Ohne Glaube geht gar nicht! Das ist Grundvoraussetzung für mich.“ Der Glaube helfe ihr, mit der Warum-Frage bei jungen Patienten umzugehen. Wille vertraut darauf, dass Gott die bessere Übersicht über ihr und das Leben ihrer Patienten hat. Durch ihren Glauben vertritt sie die feste Überzeugen, dass der Tod kein Endpunkt, sondern „nur der Eintritt in ein neues Leben“ ist. Zu bedenken, dass sie sterben muss, heißt für Magrit Wille vor allem für jeden Tag dankbar zu sein, den sie ohne Schmerzen und ohne Leiden erleben darf.
Alle sind betroffen
Abschließend wird bei allen Interviewpartnern deutlich: So unterschiedlich ihre Berührungspunkte mit dem Tod sind, allen ist durch ihren Beruf wichtiger geworden, das Leben zu genießen und jeden Tag als Geschenk wahrzunehmen. Durch ihren Beruf haben sie gelernt, wie schnell und unerwartet das Leben enden kann.
Gleichzeitig wird aber auch deutlich: Sich beruflich mit dem Tod auseinanderzusetzen bedeutet nicht, auch im Privaten ein Experte für Verlusterfahrungen zu sein. Professionelle Strategien zu kennen, um den Verlust eines Menschen zu verkraften, und diese Strategien selber umzusetzen, das sind zwei verschiedene paar Schuhe.
Ähnlich verhält es sich mit dem „Bedenken, dass du sterben musst.“ Nur wer den biblischen Ratschlag in die Praxis umsetzt, sich Zeit nimmt und auch einmal unangenehme Gedanken zulässt, kann weise mit dem Tod umgehen. Der Karfreitag bietet eine gute Gelegenheit, die Theorie in die Praxis umzusetzen. Es gibt kein zu früh, betroffen sind wir alle.
Ihr Kommentar
Kommentare (4)
Vielen Dank für diesen Beitrag über den Umgang mit Tod und Bestattungen. Interessant, dass es im Vergleich zu den Aufbahrungen früher den Trend zur Schnelligkeit bei der Bestattung gibt. Ich plane gerade meine Bestattung und frage mich, ob ich eine Aufbahrung implizieren sollte.
Vielen Dank für diesen Beitrag über den Umgang mit dem Tod. Ich stimme zu, dass es unschön wäre, unvorbereitet zu sterben. Ich möchte daher auch schon zu Lebzeiten meine Trauerfeier organisieren und dafür sorgen, dass eine Urnenbeisetzung veranlasst wird.
Meine eindrücklichsten Erfahrungen mit diesem schwierigen Thema machte ich einige Zeit nach einer Operation. War nur was reltiv kleines,aber mit Vollnarkose. Danach fühlte ich mich zum erstenmal so … mehrrichtig elend, wie ich es zuvor nie gekannt hatte. Eine Zeit später musste ich ein paarmal weinen und wusste nicht warum. Ich war so dünnhäutig, dass ich weder die geliebte Arztserie noch Krimis anscauen konnte. Zuletzt war es ein undeutlicher Traum, der mich lehrte,ich werde auch mal sterben......das war schon sehr eindrücklich. Auch die eine ARD - Serie trug das Ihre dazu bei.Wenn ich jetzt dran denke,empfinde ich Trauer und Gelassenheit gleichzeitig.Ich will auch dankbarer leben.Grüssele Dorena
Vielen dank für diieisen Impuls Hoffentlich lelsen es viele MFG Christian Horstmann