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/ Wort zum Tag

In der Gegenwart Gottes

Uwe Bertelmann über Psalm 31,17.

Lass leuchten dein Antlitz über deinen Knecht; hilf mir durch deine Güte!

Psalm 31,17

Haben Sie heute schon die Herrnhuter Losung gelesen? „Lass leuchten dein Antlitz über deinen Knecht; hilf mir durch deine Güte!“ Psalm 31,17. Schöner Vers. Ich stelle mir vor, wie ich aufwache, und Gottes freundliches Gesicht mich stahlend hell anlächelt. Und wie Gott mir dann durch den Tag hilft. Auch der nächste Vers, Vers 18, ist schön: „Herr, lass mich nicht zuschanden werden, denn ich rufe dich an.“ – Ein kurzes Telefonat mit Gott am Morgen, wo ich Gott darum bitte, dass mir nichts zustößt. Das war die erste Hälfte. Vers 18 hat aber noch eine zweite Hälfte. Die ist weniger schön – nicht wirklich geeignet, in einen Lostopf mit erbaulichen Sprüchen getan zu werden (Kann mich auch nicht erinnern, dass er mal Losungstext war). Die geht nämlich so: „Die Frevler sollen zuschanden werden und verstummen im Totenreich.“ Also: erste Hälfte „Lass mich nicht zuschanden werden“ – zweite Hälfte: „Die Frevler sollen zuschanden werden.“  Über mir soll das Licht Gottes aufgehen, für die anderen - die Gottlosen, und ich zähle meine Feinde dazu, alle, die ich nicht abkann, nervende Kollegen, lärmende Nachbarn und meinen alten Deutschlehrer - soll dann gelten: Fahrt in die Finsternis und haltet im Totenreich die Klappe. Nicht gerade fromme Wünsche.

Ich gebe zu, dass ich die zweite Hälfte von Vers 18 auch so nicht bete. Aber es sind zwei Seiten einer Medaille. Nur zusammen machen sie eine tiefe Wahrheit deutlich: Es geht ja gar nicht um persönliche Animositäten – die lärmenden Nachbarn und nervenden Kollegen und erst recht nicht den Deutschlehrer, der vermutlich unter mir ebenso gelitten hat, wie ich unter ihm. Nein! Die Frevler sollen aufhören, Gott zu lästern. Die Lügner sollen mit ihrer Lüge aufhören. Die Ausbeuter mit ihrem Ausbeuten. Die Gewalttäter mit ihrer Gewalt. Wo Gottes „Antlitz“ scheint – also in der unmittelbaren Gegenwart Gottes – hat all das keinen Platz. Wir Menschen sind die berühmte „Krone der Schöpfung“. Alles, was uns Menschen entwürdigt, was Leben zerstört, macht dieses Werk Gottes kaputt. Das kann Gott, der Sie und mich liebt, nicht mit ansehen. „Lass leuchten dein Antlitz über deinem Knecht“, heißt also logischerweise auch: „Mach der Lüge, dem Frevel, der Ausbeutung ein Ende.“ Und dieses Spiel findet ja auch in mir selbst statt, in meinen inneren Kämpfen: Wenn ich möchte, dass Gottes Antlitz mich freundlich anlächelt, dann muss ich auch zulassen, dass Gott mich sozusagen durchleuchtet, das Dunkle ans Licht bringt und vernichtet. Wenn ich mich wirklich mal schonungslos im Licht Gottes betrachten könnte – da würden Sachen zutage kommen, für die ein Therapeut viele Sitzungen brauchen würde, um sie mir zu Bewusstsein zu bringen. Die kleine Lüge, um einen Fehler doch nicht eingestehen zu müssen, ist da nur die Oberfläche. Meine Argumente im Streit, bei denen ich vorgebe, es gehe mir nur um die Sache oder die Wahrheit – und in Wirklichkeit geht es um Eitelkeiten, Einfluss, Macht. Die Beziehung in der Familie und zu meinen Eltern, die wir uns immer so schön harmonisch reden - In Wirklichkeit … Ganz schön schwer auszuhalten in der Gegenwart Gottes. Und ich merke: Gott muss den Lügner und den Frevler in mir vernichten.

Zum Glück: Ist tatsächlich schon passiert. Es gab einen Moment in der Weltgeschichte, in dem Gottes Antlitz überhaupt nicht mehr über den Menschen geleuchtet hat –das war der Moment, als Jesus am Kreuz starb. Wo Gott selbst alles Finstere, alles Zerstörerische, alles Selbstzerstörerische, alle Auflehnung gegen ihn auf sich selbst gezogen hat. Wie ein Blitzableiter. Und ins Totenreich abgeleitet hat. Und deswegen leuchtet Gottes Antlitz nicht mehr nur über mir, sondern in mir. Und auch das muss ich zulassen. Dass Gott in meiner Finsternis das Licht anknipst. „Lass leuchten dein Antlitz über deinen Knecht; hilf mir durch deine Güte!“

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Kommentare (2)

Ulrich P. /

Das war richtig gut gestern. Mit Ihrer Erlaunis nehme ich etwas davon für eine meiner nächsten Predigten. MfG Pfr. Ulrich Pohl

Rüdiger S. /

Eine sehr erfrischende und ermutigende Andacht - danke Ihnen gamz herzlich!!!