/ Bibel heute
Gott rechtfertigt Hiob
Traugott Farnbacher über Hiob 42,7–17.
Als nun der HERR diese Worte mit Hiob geredet hatte, sprach er zu Elifas von Teman: Mein Zorn ist entbrannt über dich und über deine beiden Freunde; denn ihr habt nicht recht von mir geredet wie mein Knecht Hiob. So nehmt euch nun sieben junge Stiere und sieben Widder und geht hin zu meinem Knecht Hiob und opfert Brandopfer für euch; aber mein Knecht Hiob soll für euch bitten; denn ihn will ich erhören, dass ich euch nichts Schlimmes antue. Denn ihr habt nicht recht von mir geredet wie mein Knecht Hiob. Da gingen hin Elifas von Teman, Bildad von Schuach und Zofar von Naama und taten, wie der HERR ihnen gesagt hatte. Und der HERR erhörte Hiob.[...]
War es nur ein böser Traum gewesen – oder ist da doch was dran? So frage ich mich nach einer düsteren Nacht oder unguten Erfahrungen. Auch das beschäftigt mich: Dass am Ende Gott alles so gut hinausgehen lässt wie bei Hiob, war das eigentlich nicht doch absehbar? Erweist Gott auch mir einmal solche Güte? Das Buch Hiob zeigt Abgründe menschlicher Erfahrung. Es fand daher besondere Aufmerksamkeit bei ernsthaften Denkern und in der Literatur. Es bringt Erfahrungen tiefer Not, ein Abstieg folgt dem anderen. Und gerade diesem rechtschaffenen Mann widerfährt dieser Niedergang seiner gesamten Existenz: Haus und Hof, alle Güter, seine Familie – alles wird ihm genommen: Verloren! Ich glaube, diese besondere Geschichte steht mindestens aus drei Gründen in der Bibel: Die Hiobgeschichte zeigt Leidenserfahrung in einer Tiefe, wie sie eben uns Menschen treffen kann. Der entscheidende Hintergrund und zugleich Auslöser dieser ausführlichen Beschreibungen aber, ganz zu Beginn, ist ein Gespräch zwischen Gott und dem Satan als dem Feind von Glück und Leben. Unbegreiflich, aber wahr: Gott lässt diesem Zerstörer ziemlich freie Hand. Schließlich wird in allem die Grundfrage verhandelt: Was macht es mit unserem Glauben, wenn es gerade bei Frommen ganz dick kommt, vieles für eine Gottverlassenheit spricht? Wenn von dem, was ein Leben schön und wertvoll macht, nichts bleibt als nur das nackte Leben, das hart Geschlagene noch fristen. Wie können Menschen an einen Gott glauben, der solches zulässt!?
Wozu lässt Gott das zu?
Dem Buch Hiob geht es nicht zuerst um die Frage, die uns umtreiben mag: Warum, warum ich, warum so schlimm? Sondern: Wozu, mit welchem Ziel lässt Gott dies alles geschehen; so wie es kam? In allem wurde dieses Buch zum wahrscheinlich tiefsinnigsten Werk der Weltliteratur: Gott, seine Führungen und Fügungen im Leiden zu finden.
Zwischen dem Beginn des Niedergangs im Leben des Hiob in Kapitel 1 und unserem Schlusstext liegen intensive 42 Kapitel, höchst aufregend, zugleich aufschlussreich. Gerade in den dynamischen Streitgesprächen zwischen den „Freunden“ und Hiob geht es um Grundfragen: Wo bist Du schuldig geworden, musst Du Dich ändern? Brutale Moral für einen Verzweifelnden. Hält Hiob an Gott fest oder sagt ihm ab? Psalmen bringen diese Antwort: „Dennoch bleibe ich stets bei Dir, denn Du hältst mich…“ Und: „Wenn ich nur Dich habe, dann…“ Hiob ringt darum, dass sein Leben nicht ins bedeutungslose Nichts abgleitet. Dabei werden wir Zeugen, wie Hiobs Freunde strenger werden, ihm scharf ins Gewissen reden. Ich greife mich an den Kopf: Bei solcher Not – muss er da noch eins draufkriegen? Nun aber ergreift Gott selbst das Wort; in zwei sehr eindrücklichen Reden legt er seine Pläne, Wege, auch sein Vermögen dar. Wie eindrücklich: Hiob schottet sich nicht ab, bleibt im Gespräch, antwortet mutig: den Freunden und schließlich auch Gott, dem Herrn. Er erkennt, dass sein Leben wie Staub ist – bekennt aber vertrauensvoll, dass Gott der Erlöser ist, der alles umgreift. Welch eine Lern-Kurve Hiob durchgemacht hat: zeigt unser Kapitel 42.
Können wir als Zeugen dieses Dramas bei alledem unberührte Zuschauer bleiben? Viele Passagen des Hiobbuches machen mich betroffen, nachdenklich, regen auch zu Vergleichen an, wie Gott wohl einst mit mir verfahren mag: Wie würde ich mich verhalten, wäre ich an Hiobs Stelle? Entscheidend an diesen Widerfahrnissen ist, dass sich Hiob in allem an Gott festklammert: Er flieht von Gott zu Gott – so würde Martin Luther es sagen. Wo ich mir in Notlagen von Gott verlassen vorkomme, wie ich es nie geahnt hätte, lasse ich mich vom Weg und Glauben alttestamentlicher Väter inspirieren: „Ich lasse Dich nicht, Du segnest mich denn!“ sagt Jakob zum Engel. Lasse ich von Gott nicht los, auch wenn mir das Herz bricht? Zu wem sonst sollte ich denn gehen?
Gott recht geben
Mich bewegt, dass und wie Hiob in seiner letzten Rede Gott in Seinem Handeln recht gibt. Er gesteht sich die Grenzen seines Wissens ein, wie unmöglich es ist, den Allmächtigen zu begreifen. Hiob bekennt aber auch, dass nun sein inneres Auge Gott gesehen hat und ist ernüchtert, dass Gott keine Eigengerechtigkeit anerkennt. So spricht Hiob sich schuldig und bereut: seinen Disput mit den Freunden ebenso wie seine Vorhaltungen Gott gegenüber. Er gibt zu, dass es in Gottes Herrschaft über die Welt Geheimnisse gibt, die menschliches Fassungsvermögen übersteigen - ohne Klarheit darüber erlangt zu haben, warum Gott ihn so leiden lässt. Hiob erkennt auch, dass Gott ihn nicht für irgendetwas bestraft, stimmt Seinem Handeln und Urteilen zu, auch wenn er keine klare Antwort auf die Warum-Frage erhalten hat.
Und Gott erhörte Hiob
Ein Ausrufezeichen, besser einen Doppelpunkt aber setzt die letzte Rede Gottes: Er stellt sich auf die Seite Hiobs, ja fordert die rechthaberischen Freunde zur Sühnehandlung auf. Welch ein befreiendes Wort leitet diesen Durchbruch ein: „Und Gott erhörte Hiob.“ Endlich! - so denken wir. Ein Happy End, damit wir Zeugen nicht verzweifeln? Nein, eine Bestätigung dessen, dass Gott „ihn zum Ziel führt, auch durch die Nacht.“ Und Gott beschenkt den Hiob weit über das hinaus, was sich der Geschundene je erträumt hat: Mehr als eine „Wiedergutmachungs-Aktion“ angesichts dessen „Was der Herr (!) über ihn hat kommen lassen“. Ich nehme dies als Zeichen dafür, dass Gott der Herr, der Allmächtige, der Geber allen Lebens und aller Gaben von niemandem und nichts unterzukriegen ist, keiner bösen Macht, gerade nicht vom Teufel. Er kann seinen Segen neu ausschütten. Ich denke hier an Jesus selbst, den Gott nach seinem Opferweg zu neuem Leben erweckt hat – und ihm eine Gemeinde der Glaubenden schenkte, die auf dem ganzen Erdboden zu finden ist, mit Gaben reich beschenkt, zum Heil vieler.
Gemeinschaft
Schließlich: Was uns besonders motivieren will, gerade dann, wenn wir im Elend wie allein gelassen sind: Die Gemeinschaft der Familie und von Freunden wird neu hergestellt und vertieft. Das Leben darf wieder schön werden. Gerade weil dies nicht unsere Normalerfahrung ist, lassen wir uns unseren Blick dafür weiten, dass wir letztlich nicht alleine sind – in der Not und dem, was danach folgt. Wir brauchen die Gemeinschaft der Glaubenden – als Mitleidende und auch als Mitfeiernde. Hier erfahren wir Gottes Güte und Kraft in besonderem Maß. Gott die Ehre über allem!
Ihr Kommentar
Kommentare (2)
Lieber Bruder Fernbacher,
über die Auslegung des Hiobbuches bin ich sehr dankbar.
Unglaublicher Trost und Hoffnung sprechen aus diesen Worten.
Persönlich und familiär gehen wir gerade durch eine … mehrsehr schwere Zeit.
Ob es ein Happy End wie bei Hiob gibt, bleibt offen.
Doch die Gewissheit, dass bei Allem unser Gott treu an unserer Seite ist, ist sehr tröstlich.
Herzliche Grüße
Sigrid K.
Danke, dass sie auf Hiobs Einsicht, Erkenntnis und Umkehr hinsichtlich seiner Unwissenheit gegenüber Gottes Allmacht eingegangen sind. Das habe ich bei der gestrigen Auslegung sehr vermisst.