/ Bibel heute
Die Speisung der Viertausend
Norbert Lurz über Markus 8,1-9.
Zu der Zeit, als wieder eine große Menge da war und sie nichts zu essen hatten, rief Jesus die Jünger zu sich und sprach zu ihnen: Mich jammert das Volk, denn sie harren nun schon drei Tage bei mir aus und haben nichts zu essen. Und wenn ich sie hungrig heimgehen ließe, würden sie auf dem Wege verschmachten; denn einige sind von ferne gekommen.[...]
Vor einigen Tagen haben wir in der Reihe „Bibel heute“ in Markus 6 von der Speisung der 5.000 gehört. Heute beschäftigen wir uns mit der Speisung der 4.000, die dem ersten Brotvermehrungswunder durchaus ähnlich ist. Und doch gibt es markante Unterschiede. Zunächst ist die Menge der Menschen um 1000 Personen kleiner.
Wenn auch nur ein Teil der 4.000 erwähnten Männer in Begleitung von Frauen und Kindern anwesend waren, dürften es dennoch schnell um die 10.000 Personen gewesen sein. Auch der Ort am See Genezareth ist ein anderer. War es bei der Speisung der 5.000 das nördliche Seeufer, wird die Speisung der 4.000 am Ostufer im Gebiet der damaligen Dekapolis, der griechisch geprägten 10 Städte lokalisiert.
Bis heute besuchen die Pilger im Heiligen Land den idyllisch gelegenen Ort Tabgha unweit des modernen Tiberias als Stätte der Speisung der 5.000, eine Pilgerstätte für den Ort der Speisung der 4.000 gibt es nicht. Vielleicht nicht verwunderlich, spricht Markus doch von einem verlassenen Ort, einer Einöde oder gar von einer Wüste. Ausgehend vom Ort des Geschehens dürfte das Publikum sehr unterschiedlich gewesen sein. Ein weiterer Unterschied. Dort im Norden des Sees überwiegend Jüdinnen und Juden, im Osten des Sees in unserem heutigen Text überwiegend Griechen, Römer und eine andere nichtjüdische Bevölkerung, die im Gebiet der Dekapolis wohnten.
Dieser Aspekt scheint mir wesentlich zum Verständnis des Textes zu sein. Jesus ruft seine Jünger zu sich und teilt ihnen seine Sorge um die Menschen mit. „Mich jammert das Volk, denn sie harren nun schon drei Tage bei mir aus und haben nichts zu essen,“ ist in der Lutherbibel zu lesen. Mir gefällt an der Stelle die moderne Übersetzung Hoffnung für alle-Bibel: „Die Leute tun mir leid. Sie sind jetzt schon drei Tage bei mir und haben nichts mehr zu essen.“ „Ich kann sie doch nicht hungrig wegschicken. Sie würden unterwegs zusammenbrechen, denn einige von ihnen haben es noch weit bis nach Hause!“, so Jesus weiter gemäß dieser Übersetzung.
Führen wir uns zunächst vor Augen, dass die Leute, von denen Jesus so mitfühlend spricht, vor Ort in der Dekapolis überwiegend keine Juden waren. Ein wichtiger Wesenszug der Mission Jesu kommt in diesem Zusammenhang klar zum Ausdruck. Jesu Sorge gilt allen Menschen, nicht nur den Frommen. Je weiter sie von ihm weg sind, desto mehr gilt ihnen seine Liebe. „Nicht die Gesunden brauchen den Arzt, sondern die Kranken. Ich bin nicht gekommen, solche Menschen in Gottes neue Welt einzuladen, bei denen alles in Ordnung ist, sondern solche, die Gott den Rücken gekehrt haben“, sagt Jesus wenige Kapitel vor unserer Stelle im Markus-Evangelium gemäß der Übersetzung Hoffnung für alle. In unserer Geschichte sorgt sich Jesus um das Wohl von Griechen und Römern, die ihm aufmerksam zugehört haben, aber sonst mit Tempel und jüdischen Gesetzen sicherlich nicht viel am Hut hatten.
Warum so viele Menschen versammelt waren, erläutert Markus nicht. Unmittelbar vor der Stelle wird von der Heilung eines Taubstummen im Gebiet der Dekapolis berichtet. Für die Leute war es unfassbar, was sie gesehen hatten, schreibt Markus. „Es ist einfach großartig, was er tut!“, verbreiteten sie überall. „Selbst Taube können wieder hören und Stumme sprechen!“ Das Wunder könnte der Auslöser für die große Menschenversammlung gewesen sein, dass aber so viele drei Tage bei Jesus geblieben sind, war sicherlich seiner faszinierenden Botschaft der Hoffnung geschuldet, wie er sie z.B. in der Bergpredigt ausgeführt hat.
Liebe Hörerinnen und Hörer, was können Sie für heute aus der Geschichte der Speisung der 4.000 ganz persönlich mitnehmen? Sehr viel, wie ich meine.
Jesus sorgt sich um Sie und mich. Ob wir nun besonders fromm sind, Zweifel uns umtreiben oder ob wir fern von Kirche und Gemeinden stehen. Ihn interessiert unser Leben. Ihn interessiert unsere Person. Er kennt unsere Bedürfnisse. Was tun wir? Wo liegen unsere Sorgen? Welche Ängste, Enttäuschungen, Zweifel, Schuld, aber auch Hoffnungen und Träume treiben uns um? Was belastet uns am meisten?
Wagen Sie ein Experiment. Schreiben Sie diese Gedanken in Stichworten auf einen Zettel. Legen Sie den Zettel in einen Brotkorb und stellen sie diesen hoch in ein Regal. Versuchen Sie in den nächsten Tagen immer mal wieder auf den Korb zu schauen und Folgendes im Hinblick auf die heutige Bibellese zu sprechen oder innerlich zu denken: „Dir, Jesus, der du mit sieben Broten und wenigen Fischen so viele Menschen satt gemacht hast, überlasse ich meine Sorgen, Nöte und Hoffnungen. Bleibe bei mir auf meinen Wegen.“
Lassen Sie sich darauf ein. Mir jedenfalls hilft es zu wissen, dass ich nicht allein bin in dieser Welt. Letztlich ist es der Gott, der Himmel und Erde gemacht hat und in Jesus ein Gesicht bekommen hat, der uns in seiner liebevollen Hand hält und trägt.
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