12.05.2016 / Interview

Single und glücklich?

Wie gehe ich mit der Sehnsucht nach einem Partner um? Nelli Löwen hat ihre eigene Antwort auf diese Frage gefunden. Ein Interview.

Unfreiwillig Single zu bleiben, fällt vielen Menschen nicht leicht. Gerade junge Frauen leiden oft unter Minderwertigkeitskomplexen, wenn sie keinen Partner finden. Auch Autorin Nelli Löwen hatte zeitweilig mit ihrem Singledasein zu kämpfen. Doch dann merkte sie, dass Singlesein auch viele positive Eigenschaften hat. In dem Buch „Wo bleibt mein Prinz?“ gibt sie diese Einsicht an andere junge Frauen weiter. Im Interview erzählt sie, wie sie Stück für Stück ihr Singlesein akzeptieren und genießen lernte. Außerdem macht sie Mut dazu, bei der Partnersuche kreativ zu werden.

ERF: Als wir mit dir über dein Buch gesprochen haben, hast du erzählt, dass fast alle Freundinnen aus deiner damaligen Clique schon mit 20 geheiratet haben. Das ist ungewöhnlich in unserer Gesellschaft. Was hatte dein persönliches Umfeld damit zu tun, dass du dich als Singlefrau immer wieder außen vor gefühlt hast?

Nelli Löwen: Ich bin Russlanddeutsche. Die meisten meiner damaligen Freundinnen haben nicht studiert, sondern eine Ausbildung gemacht. In meinem Umfeld ist man als Frau so geprägt, dass man früh Kinder bekommt, dann zusammen ein Häuschen baut und das Familienleben gestaltet. Für meine Großeltern war es zum Beispiel immer ein Riesenproblem, dass ich so lange Single war. Die haben sich super viele Sorgen gemacht und mir immer wieder mit Tränen in den Augen gesagt: „Wir beten für dich.“ In erlebe ich es so, dass es für „Normaldeutsche“ durchaus etwas lockerer ist. Aber auch da gibt es Schablonen, nur zeitversetzt in Richtung Mitte 20 bis Anfang 30.
 

ERF: Deine Familie hat sozusagen mitgelitten. Hat diese Reaktion deiner Familie dir auch Druck gemacht?

Nelli Löwen: Ja, total. Ich habe mir immer wieder selbst gesagt: Wenn ich doch zu großen Teilen mit meinem Singlesein zurechtkomme, ist es belastend, wenn andere Personen mir Druck aufbürden und so tun, als wäre das ein Problem. Ich finde es schlimm, wenn man Singlesein irgendwie als Problem betrachtet und nicht einfach als Situation, die man auch annehmen kann.

Das Thema „Partnersuche“ war immer präsent

ERF: Warst du denn von Anfang an mit deinem Singlesein versöhnt? Oder hast du oft große Sehnsucht nach einer Beziehung verspürt?

Nelli Löwen: Ich bin ein beziehungsorientierter Mensch und eine offene Persönlichkeit. Ich war auf vielen Camps und Musicals unterwegs und habe verschiedene Aktionen gemacht. Da habe ich immer wieder verschiedene Leute – natürlich auch Männer − kennengelernt und mich schnell gefragt: „Könnte das der Richtige sein?“

Das Thema war also immer irgendwie präsent. Manchmal konnte ich mich irgendwie nicht um viel anderes kümmern. Ich habe zwar auch immer wieder andere Sachen gemacht und hatte Spaß bei verschiedenen Dingen. Trotzdem hat das Thema gelegentlich meine Ressourcen gebunden. Ich hätte viel mehr schaffen und viel lebensfroher sein können, wenn das Thema nicht so präsent in meinem Leben gewesen wäre. Gerade im jungen Erwachsenenalter von 18 bis 22 hätte ich das Leben noch mehr genießen können.

Den Selbstwert nicht vom Partner abhängig machen

ERF: Du bist Christin und deine Beziehung zu Gott war dir gerade in der Zeit als Single sehr wichtig. Wie hat dein Glaube deinen Umgang mit dem Thema Singlesein geprägt?

Nelli Löwen: Es hat die Schablone „Mit 18 befreunden, mit 20 heiraten“ nicht direkt weggenommen. Aber dann bin ich umgezogen und habe meine Berufung für mich erkannt. Das hat sehr viel mit meinem Glauben gemacht, aber auch mit meinem Selbstwert. Ich bin aus dem Denken herausgekommen: „Nur wenn du einen Partner hast, bist du jemand.“ Ich habe verstanden, dass das nur äußere Dinge sind, aber es nichts mit meinem Wert macht. Ich bin jeden Tag wertvoll. Mein Wert steigt nicht durch eine Beziehung.


ERF: Irgendwann kam sogar der Moment, an dem du sagen konntest: „So schlecht ist Singlesein gar nicht.“ Was ist da passiert?

Nelli Löwen ist 28 Jahre und mittlerweile verlobt. Seit ihrem Volontariat bei ERF Medien arbeitet sie als Redakteurin bei „Nightlight“, einer christlichen Jugendinitiative, die Jugendliche über unterschiedliche Medien zum Glauben an Jesus einlädt.
(Foto Christian Bangert)

Nelli Löwen: Ich habe mich oft gefragt: „Ist irgendwas falsch mit mir?“ Und dann kam ich an einen Punkt, da musste sich einfach etwas ändern. Sonst wäre ich eingegangen. Mir wurde schlagartig bewusst: „Aktuell ist bei mir Familienleben noch nicht an der Reihe, aber ich sehe auch keine andere Perspektive. Doch es muss etwas anderes für mich geben.“ Diese Sehnsucht hat mich nicht mehr losgelassen. Dann habe ich gemerkt: Ich lebe gerade in einem Leben, das nicht zu mir passt. Ich kann nicht wirklich aufblühen und mich entfalten. Das hat mich nicht mehr in Ruhe gelassen. Ich musste einen Platz finden, der zu mir passt.
 

Etwa zur gleichen Zeit hatte ich auch die Ahnung im Herzen, dass Gott etwas mit mir vorhat und mich zu einem Abenteuer ruft. Dieser Gedanke, dass Gott mit mir persönlich etwas vorhat, hat mich sehr fasziniert. Ich habe gedacht: „Okay, Gott, wenn das dein Ding ist, wenn du das mit mir machen willst und mein Traummann aktuell nicht auf der Matte steht, möchte ich diesen Weg mit dir gehen.“ Und dann bin ich auf die Reise gegangen mit Gott an meiner Seite und habe viele tolle Erlebnisse gehabt und mich selbst noch mal ganz anders kennengelernt. Das war eine richtig tolle Phase.

Mit der Einsamkeit leben lernen

ERF: Trotzdem war das Gefühl der Einsamkeit bei dir nach diesem Ereignis nicht plötzlich weg. In welchen Situationen hast du dich als Single einsam gefühlt?

Nelli Löwen: Zum Beispiel auf Hochzeiten. Ich habe viele Freundinnen und auch einige meiner Schwestern auf dem Weg zur Hochzeit begleitet: Hochzeitskleid aussuchen, Deko organisieren und so weiter… Ich habe mich immer für meine Freundinnen gefreut, aber da ist mir wieder bewusst geworden: „Du bist alleine, obwohl du vielleicht sogar älter bist als die Braut.“ Oder auch bei traurigen Anlässen, auf Beerdigungen zum Beispiel. Da hätte man gerne jemanden, an den man sich anlehnen könnte. Oder auch bei besonderen Ereignissen, zum Beispiel als ich die Bibelschule absolviert habe, da habe ich gedacht: „Das hätte ich gerne mit meinem Partner geteilt. Ich würde jetzt gerne mit ihm feiern und anstoßen.“ Da merkt man, dass man alleine ist.
 

ERF: Denkst du, dass die Beziehung zu Gott die Einsamkeit verringern kann?

Nelli Löwen: Bei mir war das so: Wenn ich irgendetwas auf dem Herzen hatte, habe ich mit Gott gesprochen. Ich habe sehr viel gebetet und Zeit mit Gott verbracht. Ich habe sogar Urlaub mit Gott gemacht. Die Zeit mit Gott hat in meinem Leben eine ganz zentrale Rolle eingenommen. Wenn man in einer Beziehung ist, dreht sich schon viel um den Partner. Man spricht eher mit ihm Dinge durch als mit Gott. Durch mein Singlesein hat meine Beziehung zu Gott eine neue Stärke bekommen.

Die eigenen Lebensziele herausfinden

ERF: Du hast mittlerweile einen Partner gefunden. Viele Singlefrauen stellen sich aber immer noch die Frage: „Wie finde ich den Richtigen?“ Kannst du dazu Tipps geben?

Nelli Löwen: Ich glaube, dass es ganz gut ist, wenn man eine Person schon länger kennt. Wenn man jemanden zum Beispiel auf einer Freizeit in ungezwungener Atmosphäre kennenlernt und mitbekommt, wie er mit anderen Menschen umgeht, hat man gute Indizien, um herauszufinden, ob das passen könnte oder nicht. Generell ist es super, wenn man einfach so ganz normal ins Gespräch kommt, ohne diesen Dating-Charakter reinzubringen.
 

ERF: Spielt es bei der Partnersuche auch eine Rolle, sich selbst und seine Ziele zu kennen?

Nelli Löwen: Ich denke schon. Man muss wissen, wer man selbst ist und was einem persönlich wichtig ist: Welche Ziele man hat und welche Werte einem wichtig sind. Wenn man das von sich selbst weiß, kann man besser einschätzen, worauf man beim anderen achten sollte.
 

ERF: Wann wusstest du von dir: „Das bin ich und das sind meine Ziele“?

Nelli Löwen: Mit 20 wusste ich das noch nicht. Erst in den letzten vier bis fünf Jahren habe ich immer mehr gelernt, wer ich bin und was mir wichtig ist. Deswegen hatte ich manchmal die Frage: „Was wäre gewesen, wenn ich früh geheiratet hätte?“ Es könnte sein, dass ich heute ein Leben führen würde, das eigentlich nicht zu mir passt.

Top oder Flop: Speed-Dating und Datingplattformen

ERF: Manche Singles suchen über Online-Datingplattformen oder Speed-Dating nach dem Partner fürs Leben. Wie denkst du über solche Formen der Partnersuche?

Nelli Löwen: Ich muss ehrlich sagen, diese aktive Schiene habe ich persönlich nie gemacht. Aber ich habe immer gesagt: „Irgendwann würde ich es machen.“ Ich finde es absolut in Ordnung, wenn Singlefrauen bei Speed-Dating oder ähnlichen Events mitmachen, denn ich denke: Man sollte das Thema Partnersuche irgendwie auch spielerisch angehen und Speed-Dating kann dazu eine Möglichkeit bieten. Wenn sich daraus eine Beziehung entwickelt, ist das doch super. Aber man sollte das ganze Thema insgesamt leichter nehmen.
 

ERF: Entkrampft einen Partner kennenlernen, das scheint dein Thema zu sein. Hast du drei Tipps, wie das gelingen kann?

Nelli Löwen: Auf jeden Fall raus aus dem Schneckenhaus und mutig Leute kennenlernen. Dabei bewusst Orte aufsuchen, an denen ich Leute kennenlerne, die meine Leidenschaften und Hobbies teilen. Zweitens kann man mal mit ein paar Mädels auf einer Partnerbörse ein nettes Profil aufsetzen und schauen, was sich ergibt. Und drittens: Einfach Spaß haben. Also Feste feiern, Leute einladen – und zwar auch die, mit denen man nicht so oft etwas zu tun hat. Dann locker Kontakt zu unterschiedlichen Leuten suchen.
 

ERF: Vielen Dank für das Interview!

Autor/-in: Hans Wagner

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