24.02.2023 / Kommentar

Niemand überfällt ein anderes Land. Punkt.

Kommentar zum Beginn des Ukrainekrieges am 24.02.2022.

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Der 24. Februar 2022 ist ein schwarzer Tag für Europa. Denn es ist Krieg. Russische Truppen überfallen auf Befehl ihres Präsidenten Wladimir Putin die Ukraine. Die Folge: riesige Flüchtlingsströme, zahllose Tote, zerbombte Häuser, Gräueltaten an der ukrainischen Zivilbevölkerung. Und weil der Westen die Ukraine bei ihrer Gegenwehr mit Waffen unterstützt, stehen sich die alten Machtblöcke aus Ost und West neu gegenüber und auch China versucht sich als Großmacht zu etablieren. Ein Rückblick auf ein Jahr Ukraine-Krieg von Andreas Odrich aus der ERF Aktuell-Redaktion.
 

ERF: Andreas, es gibt Tage in der Geschichte, da fragt man sich gegenseitig, wie hast du diesen Tag erlebt? Der 24. Februar 2022 gehört zweifellos dazu. Wo warst du?

Andreas Odrich: Zurück im 19./20. Jahrhundert. Wir alle dachten doch, andere Staaten erobern, das gehört in die Mottenkiste der Geschichte und ist in Europa vorbei. Ich kann mich noch gut erinnern, wie mir ein wirklich ernst zu nehmender, sehr geschätzter Journalistenkollege noch zwei Tage zuvor eine Nachricht schickte, die sinngemäß hieß, Putin sei doch viel zu intelligent, um einen Krieg vom Zaun zu brechen. Wir wissen, dass es leider anders kam.

Ich gehöre zu einer Generation, die sich das gar nicht mehr vorstellen konnte – Krieg, bei uns vor der Haustür, mitten in Europa, das kannte man doch nur aus dem Fernsehen, schön bequem weit weg.


ERF: Ein Jahr später tobt dieser Krieg noch immer, wie können wir diesen Tag würdig begehen?

Andreas Odrich: Zunächst gilt es an so einem Tag erst einmal der Opfer zu gedenken. So gibt es viele Mahnwachen und Gottesdienste, besonders auch heute, etwa veranstaltet von der Deutschen Evangelischen Allianz.

Die Teilnehmenden drücken ihre Solidarität aus gegenüber den Menschen, die vor den Bomben in Kellern und U-Bahnschächten ausgeharrt haben, sie erinnern an Kinder, Frauen, Männer, die durch Bomben alles verloren haben oder die Opfer geworden sind von Folter und Vergewaltigungen. 8.000 Todesopfer zählt die UN in der ukrainischen Zivilbevölkerung und 13.000 Verletzte. Und hinter diesen Zahlen stehen wiederum Menschen, die unendlich viel Leid durchgemacht haben. Ihnen allen gehört unsere Solidarität und unser Mitgefühl.

Ungeahnte Flüchtlingsströme

ERF: Auch die Zahl der Geflüchteten ist riesig.

Andreas Odrich: Dieser Krieg Putins gegen sein Nachbarland zählt über 18 Millionen Geflüchtete, die ihr Land wenigstens zeitweise verlassen haben, über 5 Millionen, die dauerhaft aus der Ukraine geflohen sind. Ein trauriger Rekord. Über eine Million von ihnen ist zu uns nach Deutschland gekommen. Und das ist vielleicht die positive Nachricht in allem:

Die Solidarität mit den Geflüchteten Ukrainern in den angrenzenden Nachbarländern wie Polen ist riesig, aber auch bei uns in Deutschland.

Raus der Ukraine

ERF: Nun liegt seit gestern eine UN-Resolution vor, die ein Ende des Krieges fordert, und auch China hat ein 12 Punkteprogramm vorgelegt.

Andreas Odrich: Die Resolution Chinas fordert eine, wie sie es nennt, politische Lösung, sprich Verhandlungen zwischen Moskau und Kiew, um den Krieg zu beenden. Die Frage ist nur, wie soll der Überfallene auf Augenhöhe mit dem Aggressor verhandeln. Da ist viel taktische Überlegung im Spiel, China will sich gegenüber den USA positionieren und möchte es sich nicht mit Russland verscherzen, dem zu Folge sind die Reaktionen auf Chinas Resolution eher verhalten.

Die UNO-Vollversammlung ist hingegen mit ihrer Resolution deutlich. Es ist bereits ihr zweites Referendum gegen den Ukrainekrieg. 141 Staaten zeigen Wladimir Putin erneut die rote Karte. Nur sieben Staaten stimmten gestern dagegen und 32 enthielten sich.

Die Resolution fordert Frieden durch den Rückzug Moskaus aus der Ukraine. „Der Angriffskrieg muss ein Ende haben,“ sagte die Deutsche Außenministerin vor dem Gremium. Damit steht sie voll auf Seiten des Völkerrechts. Und somit geht die Botschaft heute Morgen klar nach Moskau: Raus aus der Ukraine.

Kein Land überfällt ein anderes Land. Punkt. Kein Land vernichtet die Zivilbevölkerung eines anderen Landes und dessen Infrastruktur. Punkt. Kein Land verheizt dabei seine eigene Jugend. Punkt.

Weiter Solidarität zeigen

ERF: Siehst du darüber hinaus Dinge, die jeder einzelne tun kann?

Andreas Odrich: Die Hilfe und Solidarität mit den Menschen in und aus der Ukraine darf jetzt nicht nachlassen. So konnten wir in unseren Aktuell-Beiträgen immer wieder Gemeinden und Hilfsaktionen vorstellen, die sich für die Menschen in der Ukraine und die Geflüchteten engagieren.

Gleichzeitig müssen wir festhalten, dass es vor allem in den Kirchen kontroverse Meinungen gibt zum Umfang der Waffenlieferungen an die Ukraine. Das zeigt aber auch, dass wir es uns eben nicht leicht machen mit diesem sinnlosen Krieg.

Ganz aktuell wirbt der Vorsitzende der katholischen Deutschen Bischofskonferenz Georg Bätzing heute Morgen für Gespräche mit Moskau aber auch für einen symbolträchtigen Besuch des Papstes in Kiew.
 

ERF: Wie sollte ein gemeinsamer Kurs aussehen?

Andreas Odrich: Wir sollen und müssen gemeinsam unterwegs bleiben, übrigens auch mit den Menschen in Russland, die sich nicht einverstanden zeigen mit dem Krieg ihres Präsidenten – ohne sie gibt es kein friedliches Europa. So bete ich heute auch nicht gegen „die Russen“, sondern für alle Menschen, die unendlich viel Leid erfahren haben in diesem sinnlosen Krieg.

Wir dürfen nicht vergessen, es geht immer um Menschen, ihre Selbstbestimmung und ihre Würde und Unantastbarkeit, die Gott jedem einzelnen geschenkt hat.

ERF: Vielen Dank für das Gespräch.

Autor/-in: Andreas Odrich

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