16.02.2010 / Themenwoche Gemeindewechsel
Gemeinde, wechsel dich!
In meinem Leben habe ich immer nur dann die Gemeinde gewechselt, wenn ich umgezogen bin. Bis auf zwei Ausnahmen.
Als ich Abitur machte, schloss ich mich dem Hauskreis einer anderen christlichen Gemeinschaft an. In meiner Gemeinde gab es zwar einen Jugendkreis und eine Bibelstunde, aber keinen Hauskreis. Dieses gemeinschaftliche Element hat mir sehr gefehlt. Nach einiger Zeit habe ich dann meine Gemeinde verlassen und bin in der anderen Gemeinde Mitglied geworden. Es erschien mir nur konsequent mich dort zu engagieren, wo ich mich geistlich am meisten zu Hause fühlte.
Dieser Schritt stieß zum Teil auf Unverständnis. Sowohl bei einzelnen Mitgliedern meiner alten Gemeinde als auch bei meiner Familie, die der alten Gemeinde treu blieb. Damals war mir das egal. Ich war jung, überzeugt von dem Schritt – und die spätere Entwicklung gab mir recht. Ich blieb dieser Gemeinschaft viele Jahre treu. Sie hat meine geistliche Entwicklung entscheidend geprägt.
Probleme sollten angesprochen werden
Mit der zweiten Ausnahme schlage ich mich aktuell herum. Ich gehe nun seit 5 Jahren in die gleiche Gemeinde. Ich habe in verschiedenen Diensten mitgearbeitet und mich engagiert. Doch irgendwie habe ich nicht Fuß fassen können. Objektiv gesehen finde ich die Gemeinde klasse. Ich bin auch kein Mensch, der schnell die Flinte ins Korn wirft, wenn mal nicht alles rund läuft. Probleme sollten angesprochen, Missstände behoben werden. Kritisieren ist immer leichter als das Einbringen und Umsetzen von Verbesserungsvorschlägen. Ich glaube, dass viel geistliches Wachstum – auch Gemeindewachstum – durch kontinuierliche Nörgelei blockiert wird.
Zwei Leitfragen für einen möglichen Gemeindewechsel
Die Punkte, die mir schwierig erschienen, habe ich in meiner Gemeinde angesprochen. Ich habe offen mit dem Pastor und anderen Mitarbeitern der Gemeindeleitung gesprochen. Manches hat sich tatsächlich auch verändert, manches aber auch nicht. Irgendwann kam ich an einen Punkt, an dem mir plötzlich eins schlagartig bewusst wurde: Vielleicht ist die Gemeinde genau so, wie sie ist, gut. Vielleicht soll sie genau so sein. Vielleicht hat sich Gott diese Gemeinde - bei allem, was es im Detail zu verbessern geben mag - genau so vorgestellt. Aber - vielleicht ist es nicht meine Gemeinde. Kann es sein, dass Gott mich an einer anderen Stelle haben will ? Doch wie kann ich sicher sein, dass es wirklich Gott ist, der hinter diesem Prozess steht und nicht meine Unlust oder Bequemlichkeit? Was ist Gottes Wille für mich und meine Familie im Hinblick auf die Gemeindewahl?
In diesem Zusammenhang sind mir zwei Gedanken und Leitfragen besonders wichtig geworden:
1. Gemeinde ist kein frommer Selbstzweck. Es geht darum, einen Ort zu haben, an dem ich meine Beziehung zu Gott vertiefen und in meine ganz persönliche Berufung hineinwachsen kann. Es geht –um es auf den Punkt zu bringen – um die Frage nach geistlichem Wachstum.
2. Die zweite Frage: Wie sehr hilft die Gemeinde, das Reich Gottes in der Welt voranzubringen? Wie offen ist sie für Menschen, die auf der Suche nach Gott sind? Wie sehr kümmert sie sich um Menschen, die in am Rand der Gesellschaft stehen? Investiert sie Zeit und Liebe in die Menschen, die Gott besonders nah sind, die Kinder? Ist es ein Gottesdienst, in den ich gerne und mit gutem Gewissen Menschen mitbringen kann, ohne mich ständig für seltsame Formen und Floskeln entschuldigen zu müssen?
Unzufriedenheit muss nichts Schlechtes sein
Ich bin mit meinen Fragen und meinen Suchen noch nicht am Ende, habe aber langsam den Eindruck, dass ich weiß, in welche Richtung die Gemeindereise geht. Aber wie es auch ausgeht, ich bin gespannt, wo Gott mich haben will.
Unzufriedenheit mit der Gemeinde muss erst mal nichts Schlechtes sein. Die Frage ist, was man mit ihr macht. Wenn sie mich in einen Prozess führt, an dessen Ende ich aus guten Gründen die Gemeinde wechsele, kann das sehr fruchtbar sein. Aber auch das Umgekehrte ist denkbar. Wenn die Unzufriedenheit dazu führt, dass ich mich ganz neu und vielleicht zum ersten Mal bewusst für meine bisherigere Gemeinde entscheide, dann kann das in mir und für meine Gemeinde eine ganz neue Dynamik entfalten. Denn nichts ist schlimmer, als einfach nur mitzumachen, weil man schon immer dabei war. Schlafen kann man auch zu Hause.
Das könnte Sie auch interessieren
19.02.2010 / Artikel
Drum prüfe, wer sich nicht mehr bindet
Für einen Gemeindewechsel gibt es gute Gründe. Die wollen allerdings wohlüberlegt sein – und betreffen letztlich eine ganz zentrale Frage.
mehr18.02.2010 / Artikel
„Leute bleiben wegen guter Beziehungen“
Das Thema Gemeindewechsel betrifft nicht zuletzt den Pastor. Was er davon hält und was ein Wechsel mit ihm macht – Fragen an Michael Murzin.
mehr05.06.2025 / Das Gespräch
Meine Gemeinde – zum Verzweifeln?
Was tun, wenn es in der eigenen Gemeinde kriselt?
mehr17.06.2015 / Glaubens-FAQ
Gemeinde, wozu?
Zugeknöpft, eigenbrötlerisch, langweilig: Christliche Gemeinden haben nicht den besten Ruf. Stellt sich die Frage: Was hatte Gott eigentlich mit Gemeinde vor?
mehr24.11.2018 / ERF Plus spezial
Alles auf Anfang – Gemeinde neu denken
Jörg Ahlbrecht lädt dazu ein, die Anfänge der Gemeinde ganz neu kennen zu lernen.
mehr