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© Dieter / pixelio.de

26.11.2011 / Gedanken zum Fest / Lesezeit: ~ 4 min

Autor/-in: Dr. Günther Beckstein, Bayerischer Ministerpräsident a. D.

Weihnachten - Überfluss und Überflüssig?

Günther Beckstein über den Christkindlesmarkt, Lebkuchen den eigentlichen Anlass von Weihnachten.

„Die meisten Leute feiern Weihnachten, weil die meisten Leute Weihnachten feiern.“ An diesem ironischen Ausspruch von Kurt Tucholsky ist schon etwas dran. Für viele Menschen ist Weihnachten tatsächlich ein Fest, das man halt in Gottes Namen mitmacht – aber eben nicht mehr wirklich in Gottes Namen. An die Stelle des eigentlichen Anlasses, der Freude über die Geburt des Jesuskindes, tritt dann bisweilen das Event in seiner ganzen Schauderhaftigkeit: Es glitzert und leuchtet all überall – aber nicht wegen der schönen, echten Wachskerzen, sondern durch die Leuchtreklame. Weihnachtsmusik begleitet uns während der gesamten Vorweihnachtszeit – aber nicht als stimmungsvolle Untermalung, sondern als dominanter, bass-geschwängerter Pop. Und die Menschen kaufen für ihre Lieben Geschenke – aber nicht in Ruhe und auch nicht mit Freude, sondern kurz mal schnell nach Feierabend, wenn die deutschen Fußgängerzonen in den letzten Tagen vor dem Fest zur Nahkampfzone geworden sind. Weihnachten – ein Fest des Überflusses und überflüssig obendrein?

Mitnichten. Für mich sind die Weihnachtszeit und das Weihnachtsfest etwas sehr Wichtiges. Etwas, was ich von Überfluss und Oberflächlichkeit reinzuhalten versuche, ein Fest der Besinnung und der Begegnung. Das Blackberry bleibt an Heiligabend ausgeschaltet. Die Geschäfte ruhen. Ich versuche, weder die Aufgeregtheit der übrigen 364 Tage noch ihre Hektik an mich heranzulassen. Die Weihnachtstage gehören mir und meiner Familie. Und ja, auch ein bisschen meinen guten alten Freunden aus der Jugendzeit. Mit ihnen treffe ich mich nämlich Jahr für Jahr in der Paul-Gerhardt-Gemeinde in meinem Heimatort Nürnberg-Langwasser.

Der Nürnberger Dreiklang
Wer den Nürnberger Dreiklang aus St. Lorenz, Christkindlesmarkt und Lebkuchen schon einmal erlebt hat, der weiß: Das ist Weihnachten der schönsten Art! Seit meiner Kindheit prägt mich dieser Dreiklang – und er hat ganz wesentlich dazu beigetragen, dass ich auf Weihnachten mit großer Vorfreude blicke. Das beginnt spätestens dann, wenn ich mit Familie und Freunden über den Christkindlesmarkt schlendere. Glühwein wird da getrunken. Man nimmt sich Zeit für Bekannte, die man trifft. Den Posaunenchor der Paul-Gerhardt-Brass höre ich mir an, in dem auch mein Sohn Martin mitspielt. Und die eine oder andere Kleinigkeit wird gekauft. Meine Frau zum Beispiel sammelt seit vielen Jahren Engelsfiguren und erwirbt am Christkindlesmarkt regelmäßig einen Engel aus dem Erzgebirge. Ich muss wirklich sagen: Der Nürnberger Christkindlesmarkt ist für mich die schönste Vorbereitung auf Weihnachten, die ich mir vorstellen kann. Und als Nürnberger sage ich natürlich auch mit Stolz: Der Nürnberger Christkindlesmarkt ist einfach an sich der schönste Weihnachtsmarkt, den es gibt!

Auch Weihnachtsskeptiker in freudiger Erwartung
Was wäre ein Besuch auf dem Nürnberger Christkindlesmarkt ohne eine echte Nürnberger Bratwurst als Abschluss? Unsere Gruppe ist gegen Abend bereits auf 15, 20 Leute angewachsen und drängt sich fröhlich ins berühmte Bratwursthäusle am Rathausplatz. Ein geschäftstüchtiger Wirt erwartet uns dort nicht minder fröhlich. Seit ich ihn kenne – und das tue ich schon lange –, besteht seine Kunst aus einer fortwährenden Optimierung der jeweils vorhandenen Situation. So ist es auch heute. Glaubhaft und gestenreich versichert er uns, dass die Bewegungsfreiheit gemeinhin überschätzt wird. Aus klimatischer Sicht und aus Gemütlichkeitsgründen sowieso sei es viel sinnvoller, sich ein bisschen enger zusammenzusetzen – zum Beispiel an den Tisch da drüben. „Wenn man sich ein bisschen schlank macht“, überzeugt er einen Zweifler aus der Gruppe, „gehen da sogar noch vier, fünf mehr hin!“ Und so sitzen wir an einem Tisch für höchstens acht Personen, voller Eindrücke vom Christkindlesmarkt und voller Vorfreude auf Heiligabend. Sogar die Weihnachtsskeptiker in der Gruppe sind nun in freudiger Erwartung.

Dann, endlich: Heiligabend. Am Nachmittag sind wir im Gottesdienst in Nürnberg-Langwasser. Anschließend gibt es zu Hause Bescherung. Aber nicht einfach so – die Familienmitglieder müssen schon etwas dafür tun! Jeder darf sich vor der eigentlichen Bescherung ein Weihnachtslied wünschen, das dann gemeinsam gesungen wird. Der Jüngste in der Familie fängt an. Ich wünsche mir ganz oft das Adventslied „Tochter Zion, freue dich“, das in seiner jetzigen Form in Erlangen entstanden ist. Musik gibt es aber darüber hinaus den ganzen Abend: Wir hören Weihnachtsmusik, Choräle, und es wird auch selbst musiziert. Die Bescherung an sich verläuft unaufgeregt. Mir ist es wichtig, dass das Familienfest und nicht das Materielle im Mittelpunkt steht. Meine Familie sieht das Gott sei Dank genauso, sodass wir uns zwar nur einige wenige Dinge schenken, diese aber mit viel Mühe und Liebe ausgesucht haben.

Der 24. Dezember gehört dem Glauben
Abends gehen wir alle zusammen in die Christmette in die wunderbare Nürnberger Lorenzkirche. Hier kann es gut sein, dass wir keinen Platz mehr bekommen und stehen müssen. Das macht nichts – die meisten Freunde, auf die wir dort treffen, stehen auch. Dem Genuss tut das keinen Abbruch. Die große Kunst dieser Kirche, die in dem berühmten Engelsgruß von Veit Stoß ihren Höhepunkt findet, die feierliche Kirchenmusik, das Orgelstück von Johann Sebastian Bach am Ende des Gottesdienstes, die Predigt schließlich, die immer ebenso interessant wie stimmungsvoll ist: Das alles ist so würdevoll und passt so gut zu diesem hohen Fest der Christenheit, dass es eine wahre Freude ist. Und das geht nicht nur mir so: Man merkt den Besuchern der Christmette in St. Lorenz direkt an, dass sie die Stimmung in sich aufsaugen. Dass sie zur Ruhe kommen. Dass sie ein kleines bisschen den Ballast des zur Neige gehenden Jahres abwerfen, sich selbst wieder ein Stück mehr gefunden haben.

Wir verlassen die Kirche. Es ist stiller geworden. Das in die Nacht ausströmende Kirchenvolk unterhält sich frohen Mutes, aber gedämpft. Nürnberg ruht. Von fern grüßt die Silhouette der Burg denjenigen, der ein Auge dafür hat. Innerlich gewärmt, treten wir den Weg nach Hause an – abermals dankbar für einen 24. Dezember, der dem Glauben gehört hat, der Familie und der Besinnung auf das Wesentliche im Leben.


Quelle: Antenne

Ihr Kommentar

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Kommentare (2)

Markus H. /

Das liest sich ja alles ganz gut mit dem Geflüstere um den Christkindslesmarkt in Nürnberg. Nur wessen Realität ist denn dieses Weihnachten? Und sollte tatsächlich der Liebe Günther seine mehr

RÖSCHEN /

ES IST SCHÖN, WENN WIR POLITIKER HABEN -AUCH a.D.,
DIE DENN SINN VON WEIHNACHTEN NOCH VERSTEHEN UND SO WIE ICH DANKBAR SIND FÜR JESUS CHRISTUS DEN RETTER- DAS LICHT DER WELT- UND DAS GEBÜHREND mehr

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