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27.04.2010 / Leo Tolstoi / Lesezeit: ~ 4 min

Autor/-in: Sabine Petri

Berühmt, konträr, religiös

Die Werke des russischen Schriftstellers Leo Tolstoi beschäftigen sich mit Glauben und Gesellschaft. Auch Jesus Christus spielt dabei eine Rolle.

Tolstois Werke – Widerspiegelung seines Glaubens

Dieses Jahr, 2010, jährt sich der 100. Todestag von Leo Tolstoi. Wer war dieser Mensch, der als Schriftsteller, Philosoph und Moralist Weltruhm erlangt hat und dessen Werke unvergessene Weltliteratur sind? Was war das Zentrum seines Lebens und seiner Schriften? In russlandjournal.de heißt es dazu: „Das Lebenswerk von Tolstoi ist geprägt von einer ständigen Suche nach dem Sinn des Daseins, nach wahrem Glauben und Gerechtigkeit. Er wollte ein nützliches Leben führen, den Menschen dienen und so seinen eigenen Seelenfrieden finden.“1

Leo Tolstoi, eigentlich Lew Nikolajewitsch Tolstoi (1828-1910) entstammte einem russischen Adelsgeschlecht. Seine bekanntesten Bücher „Krieg und Frieden“ (1865-1869) und „Anna Karenina“ (1875-1878) gelten als Klassiker des realistischen Romans. Tolstoi ist „[…] als meisterhafter Realist bekannt [geworden], dem es immer wieder gelang, die Empfindungen der Menschen, den Wechsel der Gefühle mit einer unglaublichen Präzision bis ins kleinste Detail auf Papier festzuhalten.“2 Andere weltberühmte Werke Tolstois sind „Auferstehung“ (1889-1899) und „Die Kreutzersonate“ (1888-1890).

In seinen berühmtesten Romanen „Krieg und Frieden“ und „Anna Karenina“ setzt sich Tolstoi kritisch mit seinen Kriegserfahrungen, mit Liebe, Ehe und Moral in der adligen Gesellschaft auseinander. Immer wieder plagt Tolstoi aber auch die Frage nach dem Sinn des Lebens. Ab 1869 gerät er in eine tiefe Sinnkrise, die begleitet wird von Depression und Todesangst. In dieser dunklen Phase seines Lebens vertieft sich Tolstoi in den christlichen Glauben. So lernt er unter anderem die Ursprachen der Bibel Hebräisch und Griechisch und übersetzt die Evangelien mehrmals ins Russische.

„Meine Beichte“ (1882)

In dieser Schrift reflektiert Tolstoi intensiv seine eigene religiöse Entwicklung. Er berichtet, wie er nach einer langen Odyssee seinen Lebenssinn darin findet, moralisch besser und für Gott zu leben. Diese beiden Überzeugungen werden ihn auch sein ganzes Leben nicht mehr loslassen. Weiter berichtet er, wie er sich daraufhin völlig dem Glauben der orthodoxen Kirche unterwirft. Mit der Zeit kommen ihm aber immer mehr Zweifel. Nach etwa drei Jahren bricht er vollständig mit dem orthodoxen Glauben – und wirft gleichzeitig auch den Wunderglauben und die Dogmen über Bord, zu denen er nie einen Zugang gefunden hatte. Ausschlaggebend für seinen Bruch waren die feindselige Einstellung der orthodoxen Kirche zu anderen christlichen Konfessionen (wie auch umgekehrt) und das unmoralische Leben Gläubiger innerhalb der orthodoxen Kirche. Statt den Riten der Kirche möchte er den schlichten Lehren von Jesus folgen. Besonders zentral waren ihm die Worte Jesu der Bergpredigt, in der er Nächstenliebe und Gewaltlosigkeit verankert sah:

„Aus allen Evangelien trat mir stets als etwas Besonderes die Bergpredigt entgegen. Und sie war es, die ich am häufigsten las. Nirgends spricht Christus mit solcher Feierlichkeit wie hier, nirgends gibt er so viele sittliche, klare, verständliche, jedem gerade zum Herzen redende Regeln, nirgends spricht er zu einer größeren Masse allerhand gewöhnlicher Leute. Wenn es überhaupt klare, bestimmte christliche Gesetze gibt, so müssen sie hier ausgesprochen worden sein.“3

Tolstois Verhältnis zu Gesellschaft und Glauben

Auch in weiteren Schriften kritisiert er die unmoralische Lebensweise der Kirche und der russischen Oberschicht scharf (z.B. „Worin besteht mein Glaube?“ (1885); „Was sollen wir also thun?“ (1886). Damit setzt er die Gesellschaftskritik fort, die schon in früheren Büchern Thema war (z.B. in „Krieg und Frieden“). Auch „Die Kreutzersonate“ und „Auferstehung“, schlagen in die gleiche Kerbe. In der Novelle „Die Kreutzersonate“ thematisiert er die Themen Eifersucht, Sinnlichkeit und Liebe und in „Auferstehung“ Ungerechtigkeit, Schuld und Wahrheit.

Weil er sich in „Auferstehung“ voller Verachtung über einen Gottesdienst äußert, wird er exkommuniziert.

Seine Reaktion darauf ist eine umfassende Kritik an der orthodoxen Kirche:

„Wie immer man die Person Christi auffassen mag, seine Lehre jedenfalls, die das Böse der Welt zunichte macht und dem Menschen so einfach, so leicht und unzweifelhaft Glück gewährt, wenn er sie nur nicht entstellt - diese Lehre ist ganz und gar verschwunden, ist verfälscht zu plumpem Hokuspokus mit Waschungen, Ölungen, Körperbewegungen, Beschwörungen, dem Verschlucken von Brotstückchen und dergleichen, und von der Lehre selbst bleibt nichts übrig. Wenn aber einmal jemand versucht, die Menschen daran zu erinnern, dass die Lehre Christi nicht in solchen Zauberbräuchen, in Bitt- und Dankgottesdiensten, in Messen, Kerzen und Ikonen besteht, sondern darin, dass die Menschen einander lieben, Böses nicht mit Bösem vergelten, einander nicht verurteilen und töten, dann erheben alle, welchen dieser Schwindel Vorteil bringt, ein empörtes Geschrei und erklären in den Kirchen, in Büchern, Zeitungen und Katechismen lauthals und mit unfassbarer Dreistigkeit, Christus habe das Schwören nie verboten, habe den Mord (Hinrichtungen, Kriege) nie verboten und die Lehre vom Verzicht auf Widerstand gegen das Böse sei mit teuflischer List von den Feinden Christi ersonnen worden… Von Christus, der die Ochsen, Schafe und Händler aus dem Tempel jagte, musste man behaupten, er lästert Gott. Käme er heute zu uns und sähe, was in seinem Namen in der Kirche geschieht, er würde gewiss mit noch größerem und noch gerechterem Zorn alle die schrecklichen Messtücher, Spieße, Kreuze, Kelche, Kerzen, Ikonen und alles andere hinauswerfen, womit sie ihren Hokuspokus treiben mit Gott und seine Lehre vor den Menschen verbergen.“4

Offenbar hat Leo Tolstoi sich intensiv mit der Person Jesus Christus beschäftigt. Jesu Lehren - insbesondere die Bergpredigt - waren für Tolstoi Wegweisung für eine rechte Lebensweise und Richtschnur und Zentrum seines Glaubens.

1 http://www.russlandjournal.de/buecher/russische-klassiker/leo-tolstoi/

2 a.a.O.

3 http://www.schaefer-westerhofen.de/schule/bergpredigt/tolstoi.htm

4 http://www.lebenshaus-alb.de/magazin/000188.html


Mehr zu Glauben und Kultur bei: jesus-spur.de

Benutzte Quellen:

audiamo.com/Anna_Kar
buchkritik.at
cpw-online.de
dadaweb.de
jesus.ch/jesus
lebenshaus-alb.de
plazoo.com
russlandjournal.de
translate.google.de
wikipedia.org
wikipedia.org

Stand: 21.April 2010, 14 Uhr

Ihr Kommentar

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Kommentare (2)

Klaus Hugler /

Es ist großartig, dass auch der ERF Tolstoi wieder entdeckt! Er ist wohl der größte und wichtigste Reformator der letzten Jahrhunderte. Bezugnehmend auf den Text oben muss ich anmerken, dass die mehr

Marianne /

Danke für diesen Beitrag. Leo Tolstoi spricht mir aus der Seele.
Was ist denn unsere heutige und wohl auch frühere Kirche? Wieso diese vielen Rituale? L i e b e ist das Entscheidende. Doch wer siegt mehr

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