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© Martin Pepper / Gerth Medien

13.02.2013 / Interview / Lesezeit: ~ 7 min

Autor/-in: Nelli Bangert

Mut zum Aufbruch

Warum Männer die neue eigene Rolle suchen sollten.

Das wandelnde Rollenbild der Geschlechter verunsichert zur Zeit sowohl Männer als auch Frauen. Wo es früher klar war, dass die Frau für Haushalt und Kinder zuständig war, leben viele Frauen heute nach dem Motto „Selbst ist die Frau“ und kriegen sowohl Haushalt als auch Karriere unter einem Hut. Dadurch fühlen sich einige Männer in die Enge gedrängt und suchen nach einer neuen Rolle. ERF Online spricht mit Martin Pepper über die mögliche neue Rolle des Mannes und welche ungeahnten Möglichkeiten sie bietet.

ERF Online: Herr Pepper, Sie widmen vier Songs Ihrer CD dem Mann als „ganzheitliches Wesen“. Was ist für Sie ein ganzheitliches Wesen?

Martin Pepper: Das ist ein Mensch, der in sich männliche und weibliche Seiten zusammenbringt. Das heißt, Männer haben auch Eigenschaften, die traditionell Frauen zugesprochen werden. Ganzheitlich heißt für mich also klassisch männliche  und weibliche Merkmale in eine Ausgewogenheit zu bringen. Klassische Merkmale eines Mannes sind: aggressiv, konfrontierend, dynamisch und handelnd. Weich, empfangend, wärmend, umsorgend, verschönernd wird dagegen eher der Frau zugeschrieben. Meiner Meinung nach haben Frauen und Männer trotz biologischer Unterschiede beide Anlagen in sich. Ein reifer Mensch hat sie gleichermaßen entfaltet und integriert.

ERF Online: Trägt die Frau denn nur einen kleinen Teil dieser männlichen Komponente in sich oder würden Sie sagen, dass es mit jeweils 50 % ausgewogen ist?

Martin Pepper: Wir tragen alle beide Anteile in uns, weil wir nach dem Bilde Gottes geschaffen sind: männlich und weiblich (1.Mose 1.26). Rollenzuschreibungen sind meines Erachtens kultureller Art. Sie haben sich im Laufe der Zeit entwickelt und dazu geführt, dass man gewisse Dinge eher von einer Frau, als von einem Mann erwartet. Zum großen Teil bewerten wir aufgrund unserer Prägung, was wir als männlich und weiblich empfinden. In anderen Ländern ist dann ein Wesensmerkmal, das für uns klassisch männlich ist, vielleicht klassisch weiblich.

ERF Online: Im März 2011 publizierte David Murrow das Buch „Warum Männer nicht gerne zum Gottesdienst gehen“. Gehen Männer Ihrer Meinung nach wirklich nicht gerne in den Gottesdienst?

Martin Pepper: Hier denkt und fühlt jeder Mann unterschiedlich. Ich denke Männer gehen gerne in einen Gottesdienst, wenn dieser ihnen etwas gibt. Das muss nicht unbedingt nur der männerfreundliche Motorradgottesdienst, ein Handwerkertreffen oder eine Strategiesitzung sein. Es ist aber auf jeden Fall sinnvoll, als Gemeinde darüber nachzudenken, ob es vielleicht für Männer ein wenig abschreckend ist, wenn z. B. nur sehr sentimentale, romantisch verklärte Anbetungslieder gesungen werden.

Außerdem nervt es mich manchmal, wenn Gottesdienste so stark auf junge Familien fokussiert werden, dass man alle dazu animiert, bei Kinderliedern mit Bewegungen mitzumachen. Irgendwo hört der Spaß für den Mann auf.

ERF Online: Was wäre ein Gottesdienst nach Ihrem Geschmack?

Martin Pepper: Männer gehen, was Musik betrifft, schon eher zu einem Rock-Konzert und empfinden härtere, rauere Klänge eher ihrer Natur entsprechend als Flöten und Zupfgitarren. Ich würde mir manchmal als Mann wünschen, dass eine männliche Note auch in der Gemeindemusik präsent ist. Die Drummer müssen doch in Gottesdiensten immer extrem leise spielen und dürfen selten mal einen kräftigen Schlag wagen. Ein rockiges Gitarrenriff mehr würde meiner Meinung auch nicht schaden.

Außerdem habe ich als Mann ein Bedürfnis nach Effizienz und das eben nicht nur in der Geschäftswelt, sondern auch im Gottesdienst. Ich mag Gottesdienste, in denen der zeitliche Rahmen klar definiert ist, in dem Lebens- und Verständnishilfen aus der Bibel herausgearbeitet werden und das in einer sachlichen und strukturieren Art und Weise. Wenn ein Gottesdienst eine unkontrollierte Spielwiese wird, wo sich jeder endlos produzieren kann, verliere ich als Mann die Lust an der Teilnahme.

Und nicht zuletzt wünsche ich mir im Gottesdienst manchmal die Stimme eines Mannes, der mitten im Leben steht, Leistung erbringt und trotzdem über das sprechen kann, was ihn innerlich bewegt – ohne Gefühlsduselei.

ERF Online: Das Rollenbild der Frau und des Mannes sind zur Zeit stark im Wandel. Im Lied „Mut zum Sein“ erwähnen Sie, dass Frauen versuchen, der „bessere Mann“ zu sein und Männer sich von der Verantwortung befreien. Ist das zusammengefasst der zentrale Wandel, der in Bezug auf die Rollenbilder von Mann und Frau stattfindet? 

Martin Pepper: Nein, das ist eher eine Zuspitzung der Entgleisung. Ich denke, wir verabschieden uns von alten Rollenbildern, sowohl bei der Frau als auch beim Mann und suchen nach unserer Freiheit und neuen Entfaltungsmöglichkeiten. Das sollte aber nicht dazu führen, das Männer sich nur zurückziehen und ihr bisheriges Feld einfach den Frauen überlassen. Die Suche muss verantwortlich gestaltet werden.

ERF Online: Auf welcher Art und Weise sollten Männer denn Verantwortung übernehmen?

Martin Pepper: Zuerst einmal sollten Männer für sich persönlich Verantwortung übernehmen. Sie sollten beginnen, sich selbst zu verstehen und mit sich selbst ins Reine zu kommen. Was ist mir wichtig? Was glaube, fühle und denke ich? Aus einer klaren Positionsbestimmung und gesunden Sorge für sich selbst heraus sollten sie sich dann einsetzen.

ERF Online: Welche Konsequenzen hat diese Entwicklung des wandelnden Rollenbildes für die Gemeinde?

Martin Pepper: Gibt es von der Bibel her eine feste Rollenvorstellung, der man sich anpassen sollte und die dem Rollenverständnis der Gesellschaft entgegensteht? Ich denke nicht, denn das Rollenbild des Mannes erlebt auch innerhalb der Bibel schon eine Veränderung. Ich finde es nicht schlimm, wenn die Gemeinde das spiegelt, was in der Gesellschaft stattfindet und nicht nur versucht, biblische Rollen um jeden Preis in unsere Zeit hinüberzuretten. Wir sind doch kein Bollwerk des Alten gegen den feindlichen Ansturm des Neuen. Wir stehen doch mitten in der Welt und in ihren Entwicklungen, aber gegründet auf dem Fels der Zeiten, der uns trägt und leitet.

Die Gemeinde hat in der aktuellen Diskussion um die neue Männlichkeit eine ganz große Chance, Männern in der Findung einer neuen Identität durch das neue Sein in Christus Anregungen zu geben.

ERF Online: Vorbilder sind zur Orientierung hilfreich. Gibt es für Sie in der Bibel ein Vorbild, dass Sie in Ihrem Mannsein inspiriert?

Martin Pepper: Abgesehen davon, dass Jesus mein Erlöser ist, ist er auch von der menschlichen Seite aus mein Männervorbild. Wenn ich an Jesus denke, denke ich an einen mutigen, herausfordernden und handlungsstarken Mann.

Auf der anderen Seite ist Jesus jemand, der die Kinder auf den Arm nimmt, Mitleid zeigt, betet und weint und Gleichnisse von Gott in Frauengestalt erzählt. Diese umsorgende, annehmende, bestätigende, schönmachende, mütterliche und fürsorgliche Natur sehe ich ganz ausgeprägt in Jesus. Darin ist er mein Vorbild. In ihm kann man die Integration von männlich und weiblich kraftvoll ausgeprägt sehen.

ERF Online: Sie thematisieren im Song „Männerseele“ das Prinzip „Reden ist Silber und Schweigen ist Gold“. Warum leben so viele Männer danach?

Martin Pepper: Der Psychologe Bjön Süfke hat das humorvolle Buch „Männerseelen“ geschrieben. Seiner Meinung nach versuchen alle Männer im Laufe ihrer Kindheit eine Rolle zu finden, in der sie als Männer akzeptiert und wertgeschätzt werden. Auf der Suche danach gibt es aber kaum klare Vorgaben, was typisch männlich und damit erstrebenswert ist. Stattdessen orientiert man sich daran, möglichst nicht wie eine Frau zu werden. Das nennt man Umweg – Identifikation. So versuchen Männer instinktiv, „weibliches“ zu vermeiden. Sie haben zwar wenig Kontakt mit dem Vater, wollen aber auch kein „Muttersöhnchen“ sein. Aus dem Grund reden Männer tendenziell eher weniger über ihr Innenleben, suchen bei Verletzungen nicht Trost und entwickeln oft eine ungesunde Härte auch sich selbst gegenüber.

ERF Online: Aber ist es denn wichtig, dass Männer lernen offener zu werden und über ihre Gefühle zu sprechen?

Martin Pepper: Natürlich, denn es macht immer krank, wenn Menschen legitime Bedürfnisse über längere Zeit unterdrücken. Eine zwanghaft unterdrückte Bedürfniskultur führt letztlich dazu, dass etwas kaputt geht. Aus diesem Grund werden Männer leichter gewalttätig. Im Inneren fühlen sie häufig einen Vulkan von unerfüllten Bedürfnissen brodeln, sind aber gleichzeitig unfähig, ihre Bedürfnisse zum Ausdruck zu bringen. Das kann zu einem Burnout, Gewaltausbrüchen oder zu unterschiedlichen Süchten führen, in denen sie einen Ersatztrost suchen.

ERF Online: Wie kann ein Mann das lernen, wenn er sich das auch vornimmt?

Martin Pepper: Er kann es lernen, indem er sich mutig mit dem, was in ihm vorgeht auseinandersetzt. Männer sollten sich häufiger die Frage „Wie geht es mir gerade, was geht in mir vor, was brauche ich, was bedrückt mich?“ stellen. Dazu muss er eine Sprache finden, die ihm hilft, das auszudrücken. Auf dieser Suche ist es für einen Mann wichtig, dass ihm Verständnis entgegengebracht wird. Eine Kleingruppe könnte dabei helfen, wo Männer unter Anleitung lernen, ihr Innenleben ein wenig zu öffnen und sich nicht nur mit ihren Leistungen zu brüsten.

ERF Online: In der Ausgabe 01/2013 des Spiegels prangt in Großlettern auf dem Titelblatt der Slogan „Oh, Mann! Das starke Geschlecht sucht seine neue Rolle.“ Suchen Sie selbst auch Ihre neue Rolle?

Martin Pepper: Ja. Absolut. Ich bin mal auf dem Weg in das Neue und umarme jede Hilfe, die ich dabei finde. Jedem Menschen tut es gut, von Zeit zu Zeit seine eingenommenen Rollen zu reflektieren und sich gegebenenfalls von alten zu verabschieden. Mit meinem Album "Mut zum Sein" möchte ich anderen Männern eine Gesprächsfläche und Gedankenanstöße dafür geben. Das kann jeder nur für sich selber tun. Gott ist darin für mich der Zeitenverbinder, der hilft, das alte und das neue in Liebe zu versöhnen.

ERF Online: Vielen Dank für das Interview.

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Kommentare (2)

Martin Pepper /

Auch von mir eine kleine Ergänzungskorrektur: im letzten Abschnitt fehlt mir das kleine Wörtchen "wieder" nach dem mal, denn ich bin mal wieder auf dem Weg in das Neue!
Danke an den ERF, trotz so mehr

Sprachliebhaberin /

"das man alle dazu animiert, bei Kinderlieder" mit Bewegungen mitzumachen....
Besser: Dass man alle dazu animiert bei Kinderliedern (ein S zuwenig und den Plural nicht berücksichtigt)
Ich liebe mehr

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