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© Staatskanzlei und Ministerium für Kultur Sachsen-Anhalt

23.03.2017 / Interview / Lesezeit: ~ 4 min

Autor/-in: Regina König

Gott ist in der Landesverfassung verankert

Interview mit dem Ministerpräsidenten von Sachsen-Anhalt, Dr. Reiner Haseloff

Er ist Hausherr im Kernland der Reformation, Dr. Reiner Haseloff (CDU), Ministerpräsident des Bundeslandes Sachsen-Anhalt. Hunderttausende werden dieses Jahr dorthin strömen und das 500. Reformationsjubiläum feiern. Wie steht der katholische Christ zur protestantischen Reformation, wie will er sein Bundesland präsentieren und wie sollten Christen in der heutigen Zeit für ihren Glauben einstehen? Regina König hat dazu den Ministerpräsidenten für Calando auf ERF Plus befragt. Im Folgenden lesen Sie die wichtigsten Auszüge aus dem Gespräch, die wir in zwei aufeinanderfolgenden Teilen veröffentlichen.

ERF: Herr Ministerpräsident, Sachsen-Anhalt hat sich den Slogan „Ursprungsland der Reformation“ gegeben. Haben Sie den Eindruck, dass sich Ihre Landsleute in Sachsen-Anhalt mit diesem Werbeslogan auch selbst identifizieren? Schließlich gehören kaum 20% von ihnen einer Kirche an.

Dr. Reiner Haseloff: Man muss das Kirchliche vom Gesellschaftlichen unterscheiden. Wir haben unsere Leitmarke, das Frühaufsteher-Land zu sein, nicht weiter beworben, weil sich das bei über 90 Prozent der deutschen Bevölkerung ausreichend hinterlegt hat. Nun haben wir uns vorgenommen, historische Ereignisse kenntlich zu machen. In diesem Jahr nennen wir uns „Ursprungsland der Reformation“.  

ERF: Reformation feiern wir natürlich nicht nur in Sachsen-Anhalt, sondern in ganz Deutschland. Und der Bund lässt sich das was kosten: allein in diesem Jahr bezuschusst er die Feierlichkeiten mit rund 11 Millionen Euro. Wie kommt das an in einem Bundesland wie dem Ihren, wo die meisten Menschen zu überhaupt gar keiner Kirche gehören: Steuergelder für kirchliche Zwecke?

Dr. Reiner Haseloff: Der Bund beteiligt sich, aber eher anteilig. Das Land Sachsen-Anhalt hat das Zehnfache investiert. Es spielt dabei nicht nur das Kirchliche eine Rolle, sondern die kulturhistorische und nationenbedeutsame Komponente. Luther hat mit seiner Bibelübersetzung die deutsche Sprache normiert. So sind wir zu einer Kulturnation geworden. Wenn das nicht gewesen wäre, gäbe es heute auch die Bundesrepublik Deutschland nicht.

Gott in der Landesverfassung verankert

ERF: Sie selbst als Ministerpräsident bekennen in aller Öffentlichkeit: ich bin gläubiger Katholik. Sie sagen: einen Sonntag ohne Gottesdienst kann ich mir nicht vorstellen. Wie kommt das denn an bei Ihren Landsleuten, wenn der Landesvater sich so offen zum Glauben bekennt und sie selber eigentlich wenig damit am Hut haben? Stößt das nicht hier und da auf Befremdnis?

Dr. Reiner Haseloff: Eigentlich nicht. Denn wenn man Christ ist, dann macht man das so. Sonst muss man sich fragen, ob man noch in der christlichen Tradition steht. Sonntags in die Kirche zu gehen ist ein altes Kirchengebot. Mir ist bisher in dieser Hinsicht noch nichts Negatives begegnet. Ich gehe damit ja auch nicht hausieren, sondern es ist ein ganz natürliches Bekenntnis. Auch in unserer Landesverfassung haben die Abgeordneten in einem Land, das zu 85 Prozent nicht mehr konfessionell gebunden ist, 1993 in die Präambel hineingeschrieben: „In Verantwortung vor Gott und den Menschen“. Das ist unsere historische Wurzel, unsere Basis.

„Luther ist für  mich auch Katholik“

ERF: Ist Ihnen denn als überzeugte Katholik Martin Luther als Mensch irgendwie sympathisch?

Dr. Reiner Haseloff: Ja, ich wohne ja wenige Meter neben seinem früheren Wohnhaus, wir sind sozusagen Nachbarn. Meine Familie ist seit 650 Jahren in dieser Stadt verankert, also schon vor Luther da gewesen. Aber das Entscheidende ist: Luther ist für mich auch einer der großen Katholiken. Denn er wollte ja nicht die Kirchenspaltung. Er wollte die Reform der Kirche. Er war tief gläubig und geprägt durch sein Mönchtum. Und für mich steht fest, dass theologisch nach der Einigung zur Rechtfertigungslehre zwischen dem Vatikan und dem lutherischen Weltbund die eigentliche Ursache der Kirchenspaltung beseitigt ist. Auf der anderen Seite: d i e evangelische Christenheit gibt es in dem Sinne gar nicht. Es gibt so viele Einzelgruppierungen, so dass, wenn Christen im Dialog der Religionen angefragt werden, der Fokus immer auf dem Papst ruht. Er repräsentiert als einzige Autorität eine größere Gruppe, wenn es in der Auseinandersetzung mit Hindus, Buddhisten oder Muslimen darum geht, Gemeinsamkeiten zu finden.

ERF: Stichwort Papst. Sie haben Franziskus bei einer Privataudienz vor knapp zwei Jahren persönlich eingeladen, nach Sachsen-Anhalt zu kommen.  Gibt es noch eine Chance auf einen päpstlichen Besuch im Lutherjahr?

Dr. Haseloff: Im Gespräch mit dem Papst habe ich die Befürchtung heraus gespürt, dass die Bedeutung eines Besuches die eigentlichen Aktivitäten der EKD und der evangelischen Christenheit weltweit überdecken könnte. Ich denke, das zeugt von Hochachtung, die er den evangelischen Schwestern und Brüdern entgegenbringt.

Kirche muss sich fragen – warum sind unsere Gotteshäuser leer

ERF: EKD und CDU haben vor geraumer Zeit ein gemeinsames Papier verabschiedet, in dem unter anderem steht, dass das Reformationsjubiläum eine gute Gelegenheit sei, das Evangelium wieder stärker in den Mittelpunkt zu stellen. Sehen Sie in dieser Hinsicht Versäumnisse im Raum der Kirchen?  

Dr. Reiner Haseloff: Die Kirchen müssen sich fragen: Warum sind unsere Gotteshäuser leer? Ich komme gerade heute aus einer evangelischen Kirche, die frisch renoviert wurde, eine wunderbare evangelische Barockkirche, und der Pfarrer sagte mir: `Ich habe eine der schönsten Kirchen der Großregion. Das einzige Problem ist: Sie ist fast immer leer. ` Und das ist die Frage: Wird noch die originäre christliche Botschaft gepredigt vom Glauben an den dreieinigen Gott, an die Auferstehung und all das, was am Anfang der Gründung des Christentums gestanden hat? Besonders in evangelischen Kirchen habe ich mich nach mancher Predigt gefragt: Ist das Wort „Jesus Christus“ oder „Gott“ überhaupt vorgekommen? Wenn wir die Kernbotschaften vergessen, verdunstet unser Glaube. Wie schnell das gehen kann, haben wir in Sachsen-Anhalt, dem Kernland der Reformation, gesehen. Innerhalb von zwei Generationen hat die evangelische Kirche mehr als 80% ihrer Mitglieder verloren. Da sieht man, was passieren kann, wenn wir als Christen die Menschen nicht mehr erreichen.

Lesen Sie hier den zweiten Teil der Gesprächsauszüge. Darin geht es um die Rolle des Glaubens und der Kirchen in unserer Gesellschaft.

 Regina König

Regina König

  |  Redakteurin

Sie ist für ERF Plus in Mitteldeutschland unterwegs mit dem Schwerpunkt Aktuelles/Gesellschaft. Sie ist verheiratet und hat vier erwachsene Kinder.

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Kommentare (4)

Albrecht W. /

Dass ein Katholik uns sagen muss, dass Jesus oder Gott nicht mehr in evang. Predigten vor kommt, was Gott Sei Dank nicht die Regel ist, ist Trotzdem eine Schande für die evangelische Kirche. Wo doch mehr

Ingrid S. /

Unsere evangelische Kirche ist nicht leer, sondern immer recht gut besucht, nicht nur an Feiertagen. Wir haben in der eveangelischen Kirche sechs verschiedene Hauskreise und verschiedenartige mehr

Burkhard H. /

Hurra! Endlich kommt mit Dr. Haseloff mal jemand auf den Kern: "Ist das Wort „Jesus Christus“ oder „Gott“ überhaupt vorgekommen?" Das ist das Problem der Kirchen, besonders der evangelischen.
Es geht um unseren Glauben an Jesus Christus, nicht um "Kirche".

Gerhard S. /

Es ist erfreulich, das es Ministerpräsidenten wie Dr. Haseloff in unserem Land gibt. Ein klares Glaubensbekenntnis.

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