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© Jessica Rockowitz / unsplash.com

28.02.2019 / Bericht / Lesezeit: ~ 3 min

Autor/-in: Lothar Rühl

Christen haben den Fasching erfunden

Ohne Jesu Leiden und Sterben kein Karneval.

40 Tage sollen Christen fasten. Nicht um der Figur willen, sondern um sich ernsthaft von Fleisch, Fett, Milchprodukten und Sexualität zu enthalten. So sollten sich im Mittelalter die Christen vorbereiten auf die Erinnerung an das Leiden und Sterben von Jesus Christus. Fastenzeit nannte die katholische Kirche diesen Abschnitt im Jahresrhythmus.

40 Tage allem Schönen entsagen, das klingt heute hart. Es sollen Mönche in ihren Klöstern gewesen sein, die auf folgende Idee kamen: Wenn man schon in absehbarer Zukunft verzichten muss, soll wenigstens vorher noch kräftig und fröhlich gefeiert werden. In den Tagen vor der Fastenzeit wurde mit opulenten Mahlzeiten gefeiert. Bald griff diese neue Zeiteinteilung auch auf die Bevölkerung über. Es herrschte eine Zeit der Völlerei, der Maßlosigkeit, der derben Scherze und der sexuellen Ausschweifungen. Das soll schon im 13. Jahrhundert so begangen worden sein. Vor der Nacht des Fastenbeginns wurde noch einmal richtig fröhlich gefeiert.
Der heute gebräuchliche Begriff Fastnacht macht die Herkunft aus dem kirchlichen Bereich deutlich. In anderen Regionen heißt die Zeit Karneval, abgeleitet vom lateinischen „Carne Vale“, was so viel heißt wie „Fleisch, lebe wohl“.  Die fünfte Jahreszeit beginnt am 11. November und endet eben an Aschermittwoch, also wenige Tage bevor Christen den Tod Jesu betrauern und anschließend die Auferstehung feiern.

Die Fastnachtszeit artete zuweilen in sexuelle Ausschweifungen, Völlerei, Wettkämpfen und Spielen, Besäufnissen sowie derben Schauspielen aus. In den katholischen Kirchen wurde die Fastnacht toleriert oder mitgefeiert. Die Reformatoren äußerten sich hingegen kritisch. Sie verboten das bunte Treiben in ihren Gebieten schließlich. Von evangelischer Seite wurde befürchtet, dass die Menschen auf Dauer der sittlichen Zügellosigkeit verfallen könnten. Zudem widersprachen sie der Vorstellung, dass man mit der anschließenden Fastenzeit die alkoholischen und erotischen Exzesse ausgleichen könne. „Wir kommen alle, alle in den Himmel“ ist ein Faschingslied, das diesen Gedanken aufgreift. Fastnacht hätte sich nicht ohne die Kirche entwickelt, ist ohne die Fastenzeit nicht denkbar. Bis heute gibt es keine Fastenzeit in der evangelischen Kirche.

Erst im 18. Jahrhundert entwickelten sich die Prunkzüge und Karnevalssitzungen. 1837 bewegte sich schließlich der erste bunte Zug der Narren durch Mainz, ein Jahr später wurde dort der erste Karnevalsverein gegründet. Damals erst kam die Verhöhnung der Machthaber auf. So verspotteten die Mainzer mit ihren Garden die Franzosen. In Köln hingegen machte man sich über die Preußen lustig, die das Rheinland annektiert hatten.

Heute ist der Fasching oder die Fastnacht des Zusammenhangs mit dem anschließenden Fasten meist entleert. Und das Faschingfeiern ist nicht mehr nur eine katholische Angelegenheit. Ihrer Freude am Leben und ihrer Kritik an der Obrigkeit machen zunehmend auch evangelische Christen Luft.
In Düsseldorf nahm 2018 erstmals ein Motivwagen teil, auf dem Juden, katholische und evangelische Christen und Muslime gemeinsam feierten.

In Finsterbergen im Thüringer Wald waren Pfarrer Gregor Heidbrink und seine Frau gar als Prinzenpaar in der Kampagne 2017/2018 aktiv. Seit Jahren steht der promovierte Theologe zudem als Heiliger Martin in der Bütt und gehört mittlerweile zum festen Bestandteil des örtlichen Faschingsprogramms. Andere Pfarrer halten die Predigt am Faschingssonntag in Reimen und greifen so die Form der Büttenrede auf.

Im Wetzlarer Dom, der simultan von evangelischen und katholischen Christen genutzt wird, lädt die katholische Gemeinde zu einer Faschingsfeier ein. Dabei treten die Pfarrer beider Gemeinden als zwei Wasserspucker auf, abgeguckt an den Figuren des Doms, durch die das Regenwasser vom Dach abgeleitet wird. Dabei nehmen sie das Leben in der Stadt und in den beiden Gemeinden mit scharfer Zunge aufs Korn.

„Die Zeiten, dass die Protestanten zum Lachen in den Keller gegangen sind, die sind doch wohl lange vorbei“, schreibt der evangelische Pfarrer Björn Heymer. „Moralische Zügellosigkeit und Entgleisungen in der fünften Jahreszeit finde ich mit nichts zu rechtfertigen, da gibt es keine Diskussion. Weshalb ich dann trotzdem beim katholischen Domfasching auf die Bühne gehe? Ich bin eingeladen und sehe keinen Grund, diese Einladung auszuschlagen. So oft ich diese spezielle Veranstaltung besucht habe, habe ich weder Drogen – noch andere Exzesse beobachtet – nicht mal im Ansatz“, begründet der evangelische Theologe sein Mitwirken.

Und: „Zusammen mit dem katholischen Bruder in einer anderen Rolle zu predigen und dem Volk Heiter-Besinnliches mitzugeben, sehe ich als eine Chance an. Grundsätzlich komme ich mehr und mehr zu der Einsicht, dass es die Glaubwürdigkeit des Christuszeugnisses der Welt gegenüber stärkt und nicht schwächt, wenn die Kirchen respektvoll und wertschätzend miteinander umgehen – Ökumene leben halte ich für zukunftsweisend, Abgrenzung für belastend“.

Ob Sie nun aktiv Karneval feiern oder Alternativen suchen, mit dem Aschermittwoch ist alles vorbei und Christen hier und da besinnen sich auf das Leiden und Sterben Jesu.

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Kommentare (1)

Dany /

Wir Christen dürfen feiern mit Verstand.Wir sollen Vorbild sein.Wir sollen von Jesus erzählen ,wenn wir die Kontakte zu den Faschingsbegeisterten meiden.Ich besuchte Jahre lang keine Veranstaltungen,denn ich sah es als Verbot an nicht zum Fasching zu gehen. Wir leben durch die Gnade.

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