Single sein heißt nicht automatisch allein sein. Und doch fühlt es sich manchmal so an. Ein gedeckter Tisch nach einem langen Arbeitstag, eine helfende Hand im Haushalt, ein offenes Ohr, eine zweite Meinung – das ist es, was Singles im Alltag oft fehlt.

Rebekka Gohla weiß, wie kostbar enge Beziehungen vor allem für Singles sind. Zwischen Job, Hobbys und dem Austausch von Sprachnachrichten sucht sie nach Freundschaften, die sowohl besondere Momente schaffen als auch mitten im Alltag stattfinden. Im Interview erzählt sie, warum Nähe für Singles nicht einfach passiert und wie sie versucht, lebendige Beziehungen zu gestalten, wenn alle beschäftigt sind.
Ein ehrlicher Blick darauf, wie tiefe Gemeinschaft trotz eines vollen Alltags gelingen kann.
ERF: Wie würdest du deine aktuelle Lebenssituation als Single in ein paar Sätzen beschreiben?
Rebekka Gohla: Von außen betrachtet ist das relativ unspektakulär. Ich habe einen Job, den ich sehr gerne mag, habe Hobbys, treffe Menschen – kurz: Ich lebe mein Leben.
Gemeinschaft geschieht nicht von allein
ERF: Würdest du sagen, du bist als Single anders auf Freunde angewiesen als Menschen, die in einer Partnerschaft leben? Und wenn ja, warum?
Rebekka Gohla: Ich glaube schon. Eine Freundin hat mal gesagt, wenn sie jemandem erzählen will, dass sie nachts einen blöden Traum hatte, muss sie sich nur umdrehen und kann es ihrem Mann erzählen. Menschen, die in einer Partnerschaft oder als Familie zusammenleben, haben wen um sich herum. Manchmal haben sie vielleicht auch mehr Gemeinschaft als ihnen lieb ist, aber sie können ihr Leben direkt miteinander teilen.
Ich habe natürlich viel mehr Freiräume und muss nicht noch die alltäglichen Verpflichtungen von anderen Menschen auf dem Schirm haben. Aber als Single braucht es eben auch viel mehr ein bewusst gestaltetes Netzwerk, weil Gemeinschaft nicht von alleine passiert. Wenn ich jemandem erzählen will, wie mein Arbeitstag war, was mich beschäftigt oder einen Rat brauche, muss ich dafür jemanden anrufen oder eine Nachricht schreiben.
Als Single braucht es ein bewusst gestaltetes Netzwerk, weil Gemeinschaft nicht von alleine passiert.
Es braucht immer den Schritt nach außen. Das ist manchmal ein organisatorischer Aufwand, finde ich. Denn ich muss mich darum kümmern. Und deswegen sind wir Singles anders auf Freundschaften angewiesen. Außerdem hat Freundschaft für uns noch mal einen anderen Wert, weil das oft die engsten Beziehungen sind, die wir haben.
ERF: Fühlen sich deine Freundschaften manchmal wie eine Art „Wahlfamilie“ an?
Rebekka Gohla: Gute Frage. Ich glaube, dass Freundinnen und Freunde auf jeden Fall die Familie werden können, die wir uns aussuchen. Aber es ist nicht mein Anspruch an sie, dass sie diese Rolle ausfüllen müssen. Aber ja, ein bisschen was familiäres haben manche meiner Freundschaften schon. Dazu gehört auch, für manche Kinder meiner Freunde so etwas wie eine Tante zu sein.
Als Single Leben mit anderen teilen – trotz vollem Alltag
ERF: Dein Leben ist voll und bunt und laut. Wie bringst du deine Freundschaften im Alltag unter?
Rebekka Gohla: Das ist manchmal gar nicht so leicht. Jeder von uns hat ein begrenztes Zeitkontingent, auch ich muss mit meiner Zeit haushalten. Deswegen müssen wir schauen, wie das gut zusammenpasst. Das bedeutet aber auch, dass nicht immer Leute verfügbar sind, wenn ich es brauche – gerade, wenn meine Freunde Familie haben oder Vollzeit arbeiten und sich noch um andere Menschen in ihrem Umfeld kümmern. Deswegen ist die Zeit mit meinen Freunden meist ein bewusstes Verabreden.
Mit der einen Freundin treffe ich mich zum Beispiel nachmittags im Café. Dort lesen wir, quatschen, schreiben Tagebuch und lieben es, das in Gemeinschaft zu machen. Mit der anderen Freundin gehe ich spazieren, mit wieder einer anderen sitze ich stundenlang auf dem Sofa und wir sind kreativ. Eine Freundin mit Kindern besuche ich nach der Arbeit kurz für ein Stündchen.
Freundschaften dürfen so individuell und flexibel sein wie wir selbst und unsere Leben es sind. Ich gestalte meine Freundschaften deshalb so, wie es jeweils zu uns als Typ und in unseren Alltag passt.
Ich wünsche mir für meine Beziehungen Lebendigkeit und Verbundenheit. Daher versuche ich, viel in Kontakt zu bleiben und regelmäßig nachzufragen, um am Leben meiner Freunde dranzubleiben. Zu wissen, wo sie im Moment stehen und wie es ihnen geht.
Wie Freundschaften lebendig bleiben
ERF: Wie schaffst du es, an deinen Freunden dranzubleiben?
Rebekka Gohla: Grundsätzlich bin ich jemand, der sehr loyal ist und dranbleibt, immer wieder kurz in den Alltag des anderen eincheckt und nachfragt. Aber das läuft nicht nebenher. Es ist Investition und immer wieder auch eine bewusste Entscheidung.
In den letzten anderthalb Jahren habe ich gelernt und auch geübt, Dinge direkt anzusprechen und konkret nachzufragen: „Wie geht es dir in deiner Ehe?“ oder „Wie geht es dir mit Jesus?“. Und ich frage aktiv nach Terminen, um Zeit miteinander verbringen zu können, wenn sich das sonst nicht ergeben würde. Manchmal sind das auch Updates mit Sprachnachrichten, ohne regelmäßige Treffen. Das ist von Freundschaft zu Freundschaft unterschiedlich.
Eine Freundin meldet sich zum Beispiel oft abends gegen halb zwölf bei mir. Das ist ihre freie Zeit und ich weiß, bis dahin kann ich ihr eine Nachricht schicken und dann kommt sie mit ihrem Update. Manchmal höre ich es noch, manchmal schlafe ich schon.
Dieser Austausch per Sprachnachricht ist immer ein Stück weit Arbeit, denn es sind keine Selbstgespräche. Ich will auf das eingehen, was meine Freundin mir erzählt und nicht einfach nur mit meinem Kram anschließen. Die Antwort kann dann auch mal ein paar Tage dauern. Aber so bleiben wir gut in Kontakt, selbst wenn wir räumlich nicht eng beieinander sind und unterschiedlich volle Leben haben.
Das sind meine Versuche, mich mit meinen Freunden verbunden zu fühlen und Leben zu teilen. In meinem Leben entwickeln sich Dinge oft in so einem hohen Tempo weiter, dass ich manchmal denke: Wenn mich jemand nach zwei Wochen fragt „Wie läuft‘s denn?“, dann weiß ich gar nicht, wo ich anfangen soll. Ich versuche deshalb gar nicht erst an so einen Punkt zu kommen.
„Ihr braucht uns Singles!“
ERF: Du hast Singlefreunde, aber auch solche, die in einer Partnerschaft leben oder Familie haben. Welche Unterschiede erlebst du da?
Rebekka Gohla: Ich habe beobachtet, dass Paare sich oft bewusst andere Paare als Freunde suchen oder Familien sich mit anderen Familien anfreunden. Das ist ja auch logisch, weil man dieselben Themen hat. Und gerade mit Kindern ist das auch super praktisch, weil sie miteinander spielen können.
Andererseits habe ich zum Beispiel nie das Bedürfnis, mich mal wieder mit einer Singlefreundin zu treffen, weil ich darüber reden müsste, wie das Leben allein ist. Mit meinen Singlefreundinnen habe ich genau dieselben Themen, die ich mit anderen Freundinnen auch habe. Wir besprechen und teilen, was auch immer uns gerade beschäftigt. Für mich unterscheidet sich das gar nicht so sehr, ob ich mich mit einer Freundin treffe, die Familie hat oder alleinstehend ist. Der Unterschied zeigt sich eher darin, in welchen Zeiten unsere Treffen möglich sind.
Für meine Freunde in einer Beziehung oder die Mama-Freundinnen ist es aber doch ein Unterschied. Vielleicht, weil sie das Gefühl haben, dass andere Verheiratete oder Eltern ihre Themen besser nachvollziehen können und diese dort mehr Raum finden und Austausch möglich ist.
Aber für mich gilt: Wenn meine Freundin sich gerade mit Windeln und dem Abstillen beschäftigt, ist das das Thema, worüber sie auch mit mir reden darf. Ich kann ihr zwar nicht so viele Tipps geben, aber ich kann zuhören. Und umgekehrt gilt das ja genauso. Ich wünsche mir, dass Paare und Familien nicht vergessen, sich auch mit Singles anzufreunden.
ERF: Warum sind solche unterschiedlichen Freundschaftskonstellationen bereichernd?
Rebekka Gohla: Wir brauchen einander, können uns ergänzen und voneinander profitieren. Deswegen ist es mir wichtig, nicht nur Singlefreunde zu haben. Wenn sich Paare immer nur mit anderen Paaren umgeben, nehmen sie sich total viel.
Ein ganz praktisches Beispiel: Wenn ich auf vier Mama-Freundinnen treffe, dann kann keine der anderen mal ein Kind abnehmen, weil jede mit ihrem eigenen Kind beschäftigt ist, das um sie herumwuselt. Aber ich habe die Hände frei. Von daher: Leute, ihr braucht uns Singles!
Wenn wir Freundschaften nur nach dem Beziehungsstatus auswählen, ist das der falsche Fokus.
Sollte ich erst in diesen Club von Freunden kommen, wenn ich einen Partner habe, weiß ich nicht, ob ich da überhaupt rein will. Denn ich will ja als Freundin geschätzt werden und nicht als „die mit dem Mann“.
Wir alle brauchen Freundschaften – losgelöst von unserem Beziehungsstatus. Denn der kann sich auch ändern. Am Ende ersetzt der Ehemann nicht die beste Freundin, nicht die Schwester, nicht die Mädels. Und die Ehefrau kann nicht den besten Kumpel ersetzen.
Wo finde ich neue Freunde?
ERF: Wie und wo können Singles neue Freundschaften schließen? Womit hast du persönlich gute Erfahrungen gemacht?
Rebekka Gohla: Die letzten tieferen Freundschaften, die ich geschlossen habe, sind entstanden, weil zwei Frauen neu in meine Gemeinde kamen. Das ist toll, aber passiert jetzt auch nicht ständig. Da hatte ich eher Glück, denn ich war ja schon da und musste nicht besonders aktiv werden, außer auf jemanden zuzugehen.
Was ich auch mal versucht habe, war über Instagram auf Freundschaftsbörsen Kontakte zu knüpfen. Da teilt jemand ein Reel und ermuntert dazu, sich zu vernetzen und zu kommentieren, wie alt man ist, wo man herkommt und was für eine Freundschaft man sich wünscht. Dadurch hatte ich mit jemandem länger Kontakt, wir wurden aber keine Freundinnen.
Eine Freundin von mir hat durch einen solchen Aufruf Freundinnen gefunden, die sich gemeinsame Alltagsmomente gewünscht haben. Und das finde ich super, weil es von zu Hause aus ging. Das ist natürlich eine sehr moderne und vielleicht auch aufregende Art, um Leute kennenzulernen.
Sonst ist es eher schwierig. In der Schule und im Studium lernt man automatisch neue Leute kennen. Freundschaften ergeben sich dann sehr natürlich. Man war halt sowieso da und hat viel Zeit miteinander verbracht, da war das irgendwie leichter. Ich bin heute noch mit meiner Unifreundin befreundet. Aber als Erwachsene ist es schwierig, irgendwo zwischen Arbeit, Ehrenamt und Sport neue Leute kennenzulernen.
Den ersten Schritt gehen
ERF: Welchen Tipp gibst du anderen Singles, um enge und stabile Freundschaften aufzubauen und zu führen?
Rebekka Gohla: Mein erster Tipp: Investier dich! Warte nicht darauf, dass jemand anderes den ersten Schritt macht. Wenn du denkst, die Person könnte nett sein, die will ich zur Freundin oder zum Freund haben, geh hin und mach einen ersten Schritt.
Für Singles ist es wichtig, Gemeinschaft zu suchen und nicht verbittert in der Ecke sitzen zu bleiben.
Du muss nicht warten, bis dir deine Freundin eine Nachricht schickt, um sich zu melden, weil du denkst, sie sei jetzt dran. So funktioniert das nicht.
Ja, klar kümmern wir Singles uns in unserem Leben schon um alles selbst und wollen nicht auch noch in Freundschaften immer die Initiative ergreifen. Aber abzuwarten und sich zu sagen „Dann hat sie halt Pech gehabt“, ist keine gute Lösung. Nee, du hast dann Pech gehabt, denn du sitzt allein zu Hause! Ich weiß, es ist anstrengend und manchmal ist es sogar eine Extrameile, die wir Singles gehen müssen. Aber ich glaube, anders funktioniert es nicht.
Mein zweiter Tipp: Sei dir bewusst, was du mitbringst! Wir Singles haben Freiheiten, die Paare oder Familien oft nicht haben. Solange wir Singles sind, dürfen wir diese Flexibilität und Spontanität für uns und unsere Beziehungen nutzen. Das ist ein Bonus, den wir in eine Freundschaft mitbringen. Ich kann meinen Freundinnen aber auch etwas von dem abgeben, was ich habe: Ich kann ihnen eine ruhige Wohnung anbieten, wenn sie mal konzentriert an etwas arbeiten wollen, oder eine Pause brauchen und von zu Hause raus wollen.
Freunde sein trotz unterschiedlichem Beziehungsstatus
ERF: Was können Menschen in Partnerschaften oder Familien tun, um ihre Freundschaften zu Singles zu pflegen und zu vertiefen?
Rebekka Gohla: Darüber habe ich in den letzten Monaten viel mit anderen Singlefreundinnen gesprochen. Ich denke, es braucht von Paaren und Familien eine bewusste Entscheidung, das zu wollen. Ich glaube, es ist leicht zu sagen, „Ich habe einen Partner oder Kinder, da ergibt sich jetzt halt alles anders“. Ich frage mich, ob man es sich damit nicht zu leicht macht. Das passiert leider oft einfach so, ist aber auch ein bisschen unfair.
Es braucht ein Bewusstsein dafür, dass wir einander brauchen. Dass Freunde unsere Freunde bleiben, egal, wie der Beziehungs- oder Familienstatus ist. Die Frage ist halt: Willst du das? Bist du bereit, dich neben deinem Partner und deinen Kindern auch in deine Freunde zu investieren? Das muss jeder für sich entscheiden.
Ich beobachte oft, dass wir seit Corona viel stärker in unserer eigenen Blase leben. Jeder war damals auf sich zurückgeworfen, in seinem eigenen Haushalt – und da sind ganz viele irgendwie auch geblieben. Und wenn wir heute Freundschaften leben, dann vor allem so, dass es bequem ist und reinpasst. Wir haben an ganz vielen anderen Stellen verlernt, uns Freundschaft auch etwas kosten zu lassen.
Wenn die Sonntagnachmittage kommen, wenn der Advent kommt, wenn Weihnachten kommt – das sind die Zeiten, in denen Singles allein sind. Paare und Familien müssen hier nichts vorbereiten. Wir wollen kein Entertainment und auch keine Therapiestunde. Wir wollen manchmal einfach nur Gemeinschaft haben und mit dabei sein bei dem, was sowieso schon passiert, wie zum Beispiel Fußball gucken, gemeinsam essen, einen Film gucken oder mit den Kids etwas spielen.
Es sind eigentlich Kleinigkeiten, bei denen wir uns oft aber gar nicht bewusst sind, dass das Gelegenheiten sind, um Freundschaften zu pflegen und Singles gleichzeitig mit in Gemeinschaft zu nehmen.
Dafür braucht es nicht viel, aber es braucht ein Bewusst sein dafür. Ganz vielen Menschen ist es aber nicht bewusst. Und das finde ich manchmal ganz schön hart. Gemeinsam einen Weg zu finden, sich aufeinander einzulassen und ineinander zu investieren, ist total herausfordernd. Aber ich glaube, dass darin ein echter Schatz liegt, der es wert ist gesucht und dann ganz individuell gelebt zu werden.
ERF: Vielen Dank für das Gespräch.
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