Navigation überspringen
© Heike Knauff-Oliver

06.07.2017 / Porträt / Lesezeit: ~ 6 min

Autor/-in: Heike Knauff-Oliver

Vulkanausbrüche, Stammeshäuptlinge und Zahnschmerzen

Seit 7 Jahren behandelt Zahnärztin Marion Bösch Menschen auf den abgelegensten Inseln.

Sie liebt ihren Beruf und die Menschen. Wenn Marion Bösch aus dem Fenster ihrer kleinen Zahnklinik an Bord der „Pacific Hope“ schaut, sieht sie Sonne, blauen Himmel und den türkisfarbenen Pazifik. Seit sieben Jahren behandelt die Deutsche Menschen auf den abgelegensten Inseln der Südsee. Hier zu helfen, ist Passion und Mission zugleich.

Tausende kleine und große Patienten warten ungeduldig auf das Schiff, das medizinische Hoffnung verheißt. Die „Pacific Hope“, ein ehemaliges japanisches Fischerboot, ist 54 Meter lang und bietet 60 Menschen Unterkunft: 20 Crewmitgliedern und 40 Volontären. Sie sind alle gut ausgebildet und kommen von überallher, um ehrenamtlich zu helfen. YWAM Marine Reach New Zealand kaufte das Schiff, renovierte es und stattete es bedarfsgerecht aus. An Bord befindet sich auch die Zahnklinik mit drei portablen Behandlungsstühlen. „Die Zahnklinik ist der schönste Raum an Bord“, schwärmt die deutsche Zahnärztin Dr. Marion Bösch.

Im Osten Neuseelands vor Anker

Von Oktober bis April ist Zyklonsaison in der Südsee. In dieser Zeit darf die „Pacific Hope“ den Hafen von Tauranga im Osten Neuseelands nicht verlassen. Ab April startet das Schiff stets zu weit abgelegenen Inseln: Im Zwei-Wochen-Turnus versorgen Ärzte und Krankenschwestern dort die Menschen, die sonst nie in den Genuss medizinischer Versorgung kämen. Dr. Bösch ist eine von zehn dauerhaft aktiven Ehrenamtlichen und seit sieben Jahren dabei.

In den vergangenen Monaten war sie sehr beschäftigt. Es galt, medizinische Teams zu rekrutieren und zusammenzustellen. Materialien und Instrumente wurden bestellt. „Ich mache die Inventur auf dem Schiff und im Lager und bin ständig damit beschäftigt, Abläufe zu optimieren. Wir sind eine ´Non Profit Organisation` – jeder volontiert. Mitarbeiter kommen und gehen. Meine Aufgabe ist es deshalb u. a. auch, Arbeitsabläufe zu dokumentieren und dadurch sicherzustellen, dass alles seine Richtigkeit hat. Leider ist es doch recht selten, dass ein Zahnarzt mitarbeitet, meistens arbeiten hier Krankenschwestern und die müssen dann in die Materie "Zahnmedizin" eingearbeitet werden. Auch das ist mein Job“, skizziert Marion Bösch gelassen ihr umfangreiches Tun.

Von Deutschland in die Südsee

In Freiburg im Breisgau hat sie Zahnmedizin studiert. Süddeutschland gefiel ihr, doch eine Praxis in München füllte sie nicht aus. Es zog sie in die Welt hinaus. Hilfseinsätze in Afrika und anderen Regionen der sogenannten „Dritten Welt“ faszinierten sie. Tief im christlichen Glauben verankert, entschied sie sich im Jahr 2009, Karriere und Wohlstand endgültig hinter sich zu lassen.

Stattdessen stellt sie seitdem ihr Können in den Dienst derer, die sich westliche Medizin nicht leisten können. Die Zahnärztin wählte für ihren Einsatz die Südsee. Ihr Leben in Neuseeland ist bescheiden, so wie Marion Bösch selbst. Ein Zimmer oder auch mal ein Haus zu hüten von Menschen, die längere Zeit nicht im Land sind – das genügt ihr. Nach Deutschland kommt sie alle zwei Jahre ein- bis zweimal – öfter kann sie es sich nicht leisten. Ihr Einsatz finanziert sich durch Spenden.

Naturgewalten

­­­Tauranga, ihre Basisstation, liegt in der Region "Bay of Plenty". Sie ist bekannt für ihre Kiwi-Anbaugebiete. In Te Puke, eine benachbarten Ortschaft, liegt eine riesige Kiwi-Plantage. In der Erntezeit kommen hunderte Hilfskräfte aus Vanuatu. Vanuatu, der kleinste Inselstaat des Südpazifik, ist auch er Haupteinsatzort von Dr. Marion Bösch.

„Im vergangenen Jahr hatten wir Erdbeben der Skala 7 bis 8. Das ist schon sehr stark, es kamen dabei auch Menschen ums Leben. Hier in Tauranga haben wir nichts gespürt“, erzählt sie. „Man kann sich im Internet registrieren lassen und wird per Handy automatisch benachrichtigt, wenn ein Erdbeben zu erwarten ist. Das bedeutet, dass man auch Tsunami-Warnungen bekommt, was aber eher für die Bewohner am Strand wichtig ist. Ich wohne hier in meiner Unterkunft recht sicher, aber eine Notfalltasche halte ich bereit. Allgemein gilt Tauranga als relativ sicher; ein schweres Erdbeben wird dagegen in Auckland und Wellington erwartet, das aber auch schon seit Jahren“, erklärt die gebürtige Norddeutsche ruhig weiter.

Im vergangenen Jahr war die Zahnärztin zweieinhalb Monate in Vanuatu, bei drei Einsätzen auf fünf verschiedenen Inseln. Die Menschen in Vanuatu wurden mit Hilfe der „Pacific Hope“ allgemein- und zahnmedizinisch versorgt, außerdem konnten sie Lesebrillen bekommen. Der Klimawandel und die Kontaminierung des Ozeans haben dem Inselstaat in den letzten Jahren massiv zugesetzt. Starke Stürme verwüsten immer wieder die Inseln, wie zuletzt Zyklon „Pam“ im Jahr 2014. Das beeinträchtigt das Leben der Menschen sehr.

Dankbare und freundliche Menschen statt Bezahlung

Westliche Einflüsse haben die Ernährungsgewohnheiten der Bewohner verändert – was der Gesundheit der sich früher natürlich ernährenden Insulaner wenig zuträglich war. „Auch wenn wir bei jedem Einsatz nur zwei Wochen in der jeweiligen Region waren: Für die über 8.000 Patienten, die eine Behandlung brauchten, egal ob Füllung, Zahnextraktion, Brille, Entfernung eines Geschwürs oder Verabreichung eines dringend benötigten Antibiotikums – für jeden dieser Menschen war unser Einsatz ein großer Segen, und sie waren dankbar.

Das ist ein schönes Honorar“, freut sich Zahnärztin Marion Bösch. Auch Bibeln gibt es an Bord der „Pacific Hope“ – so mancher Patient freut sich über eine Bibel in seiner Landessprache.

Ihre Dankbarkeit drücken die Patienten auf unterschiedliche Weise aus. „Die Dorfbewohner führen traditionelle Tänze vor, machten Sandbilder und zeigten, wie man Feuer macht; aus Blättern wird Kinderspielzeug geflochten und es gibt etwas zu essen …

Freude über Bibeln

Zu ihren Patienten gehörten auch der Häuptling einer Stammesgruppe von der Insel Wala und seine Frau. Er lud einmal das gesamte Zahnarztteam am Wochenende zu sich nach Hause ein. Die Gäste durften bei ihm das traditionelle "Laplap" – in Bananenblättern gekochte Yamswurzeln – genießen. „Wir hatten das Privileg, beiden das Neue Testament in ihrer Sprache zu überreichen. Seine Frau bekam einen Tag zuvor eine Lesebrille, darüber war sie völlig aus dem Häuschen, endlich ihre eigene Bibel lesen zu können. Ihre Freude darüber berührte mich sehr. Wie schnell nehmen wir das als Selbstverständlichkeit hin“, erzählt Marion Bösch nachdenklich.

Wenn Gegensätze aufeinandertreffen

Besonders dankbar ist sie über Unterstützung aus dem Kollegenkreis. „Caroline, eine sehr gute Freundin und Top-Zahnärztin aus Deutschland, war bei drei Einsätzen dabei. Sie hat hart gearbeitet. Ihre Mama Susanne, ebenfalls Zahnärztin, ist sogar für einen Einsatz mitgekommen“, freut sich Marion Bösch – so wie sie sich über jeden freut, der sie bei der Arbeit unterstützt. Und sie liebt, was sie tut. Zu helfen ist ihr wichtig.

„Die Menschen hier lieben sie, die schlank gewachsene Deutsche mit dem weißblonden Haar“, erklärt Anna, eine Krankenschwester aus den USA, die mit Dr. Marion Bösch schon oft zusammengearbeitet hat: „Da prallen Gegensätze aufeinander: Die pünktliche, genaue, deutsche Ärztin und die sehr, sehr relaxten Nivans“, lacht sie belustigt.

Schmerzen lindern und beten

Drei Krankenschwestern versorgen derzeit die Menschen von einer gerade entstandenen Familienstation in Port Vila, der Hauptstadt Vanuatus. In drei Klinikräumen leisten sie Notfallhilfe, auch in Sachen Zahnmedizin. Für einen Raum ist mittelfristig – wenn finanziell möglich – auch ein Behandlungsstuhl vorgesehen.

Meistens kommen die Menschen erst, wenn sie schon über einen längeren Zeitraum große Schmerzen hatten. Die Insulaner haben ernährungsbedingte Zahn- und Zahnfleischbeschwerden. „Wir können nicht viel für sie tun, nur ihre Schmerzen lindern, doch wir hoffen auf extra Ausbildung durch ein Gesundheitsprogramm der Kirche. Was wir für selbstverständlich halten, ist für diese Menschen total neu. Mit ihnen beten hilft und beruhigt sie“, erklärt Janelle, eine Krankenschwester aus Kanada.

„Wir freuen uns über jegliche Unterstützung. Unsere Arbeit hier ist anstrengend, manchmal abenteuerlich, aber wir haben so viel Spaß dabei. Es ist eine tolle Erfahrung“, erklärt Dr. Marion Bösch abschließend und lädt zur Mitarbeit ein. Seit April 2017 ist die „Pacific Hope“ wieder im Einsatz in der Südsee.

 

 Heike Knauff-Oliver

Heike Knauff-Oliver

  |  Freie Mitarbeiterin

Ihr Kommentar

Die E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.
Alle Kommentare werden redaktionell geprüft. Wir behalten uns das Kürzen von Kommentaren vor. Ein Recht auf Veröffentlichung besteht nicht.

Das könnte Sie auch interessieren