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© Bundesarchiv, Bild 183-R0211-316, via Wikimedia Commons CC-BY-SA 3.0

09.04.2018 / Feature / Lesezeit: ~ 5 min

Autor/-in: Tobias Schuffenhauer

Radikal geliebt

Ein Feature über Dietrich Bonhoeffer von Tobias Schuffenhauer.

 

 

 

Dietrich Bonhoeffer. Erhängt, verbrannt, begraben. Weil er das Böse nicht duldete. Weil er seine deutschen Brüder und Schwestern liebte. Weil er die Verantwortung als Christ in einer schlimmen, selbstzerfleischenden Gesellschaft wahrnehmen wollte.

Wer ist Dietrich Bonhoeffer?

Hin- und Hergerissen zwischen Widerstand und Ertragen, Feindesliebe und Bluttat, Leben genießen und Opfer bringen.

Bonhoeffer – bis heute ein Vorbild für viele Christen, weltweit. Radikal wurde er geliebt, radikal hat er geliebt. Seine Motivation, seine Inspiration, seine Gedanken - sie entspringen der Wurzel aller Liebe - der Liebe Gottes zu seinen Menschen. Der Liebe Christi zu der Welt. 

Bonhoeffers Anfänge

Postkarte Berliner-Dom 1930 [© privat)
Postkarte Berliner-Dom 1930 (© privat)

1906 in Breslau geboren, groß geworden in Berlin, studierte Dietrich Bonhoeffer ab 1923 Theologie in Tübingen. Weil er für den Pfarrdienst ein Jahr zu jung ist (das ist erst ab 25 Jahren möglich) schließt er ein Stipendium am Union Theological Seminary in New York an.

Dieses Jahr wird ihn prägen. Begegnet er nicht nur durch die große Depression bedingt sehr viel Armut – sein Herz schlägt für die Schwarzen in Harlem, die unter dem Rassenhass zu leiden haben. Gleichzeitig berührt ihn aber auch die tiefe Hoffnung, die sie im Glauben an Gott und Jesus Christus finden.

Dietrich Bonhoeffer weiß sich selbst geliebt von Gott. Und all die Erfahrungen, die er in Amerika macht, lässt er ein Jahr später in Berlin in seine Arbeit mit jungen Leuten einfließen. In einer Zeit, wo auch in Deutschland viel Arbeitslosigkeit herrscht – und die Nationalsozialisten mit Adolf Hitler an der Spitze immer mehr Macht bekommen.

Bonhoeffer im Dritten Reich

Reichsparteitag Nürnberg (© Bundesarchiv Bild 146-1969-054-53A [CC-BY-SA-3])
Reichsparteitag Nürnberg (© Bundesarchiv Bild 146-1969-054-53A [CC-BY-SA-3])

Als Anhänger der bekennenden Kirche im Dritten Reich leitet er das Predigerseminar Finkenwalde an der Ostsee. Hier kann er viele junge, angehende Pfarrer und Pastoren prägen und erziehen. Und sie mündig machen für eine schwere Zeit der Kirche und Christen in Deutschland – die Nazi-Diktatur. Doch statt begeistert zu sein, als Hitler den Krieg ausruft, sorgt er sich um den Frieden – und die Minderheiten, allen voran die Juden im Deutschen Reich – und er arbeitet aktiv in der weltweiten Ökumene mit.

Natürlich haben die sog. „Deutschen Christen“ und der NS-Staat etwas gegen seine Einstellung. Er bekommt Redeverbot und verliert seine Lehrbefugnis an der Universität, weil er „Pazifist und Staatsfeind“ ist.

Durch seine vielen internationalen Kontakte und die familiären Beziehungen gelingt es ihm schließlich nach Amerika zu fliehen. Doch nach nur einem Monat kehrt er wieder zurück nach Deutschland. Bonhoeffer merkt: Es reicht nicht aus über Gottes Liebe zu predigen und zu reden, er muss auch Liebe leben. Bei seinem Volk, seinen Brüdern und Schwestern.

Bonhoeffer im Widerstand

Aufmarsch der SA am 05.02.1934 (© Willy-Zimmer)
Aufmarsch der SA am 05.02.1934 (© Willy-Zimmer)

Finkenwalde wird von der Gestapo geschlossen. Bonhoeffer hat gute Kontakte zum aktiven Widerstand, allen voran durch seinen Schwager Hans von Donanyi. Dieser ist seit 1939 als Sonderführer beim Stab von Admiral Canaris in der Abwehr aktiv. Bonhoeffer – für den das Gebot „Du sollst nicht töten“ absolute Berechtigung hatte, musste sich mit der Frage beschäftigen: Darf ich einen Mann wie Hitler, der so bösartig ist und so viele Menschenleben auf dem Gewissen hat, umbringen?

Für ihn wird klar: Es ist seine Pflicht sich nicht nur um die Opfer zu kümmern, sondern auch um den Täter selbst. Er muss sich ihm entgegen stellen. Und es ist egal, wie hoch der Preis dafür ist.

Bonhoeffer im Gefängnis

Nach mehreren gescheiterten Anschlägen geraten Dietrich Bonhoeffer und seine Mitverschwörer schließlich immer mehr ins Blickfeld der Gestapo. Sie werden schlussendlich ins Gefängnis Tegel gebracht. Doch auch hier endet Bonhoeffers Nächstenliebe nicht. Sowohl seine Mitgefangenen, als auch die Wärter sind begeistert vom Pastor und Theologen, der zuhört, weisen Rat gibt und auch seine Proviantpakete und Kuchen mit allen gerne teilt.

Flossenbürg Arresthof, Ort der Hinrichtung (© Concordiadomi [CC-BY-SA-30])
Flossenbürg Arresthof, Ort der Hinrichtung (© Concordiadomi [CC-BY-SA-30])

Nach dem Stauffenberg-Attentat, bei dem sich Hitler nur leicht verletzt, ist klar: Bonhoeffer gehört zu den Widerstandskämpfern und sie werden Hitlers persönliche Gefangene. Schließlich, wenige Tage vor Kriegsende, wird Dietrich Bonhoeffer im KZ Flossenbürg auf persönlichen Befehl von Adolf Hitler erhängt, verbrannt und begraben.

Sein Erbe: Gottes Liebe befreit von allen menschlichen und gesellschaftlichen Zwängen. Er war radikal geliebt und liebte deswegen auch seine Mitmenschen radikal.

 

 


Literaturnachweis

  • Eberhard Bethge, Gerhard Ludwig Kardinal Müller, Albrecht Schönherr (Hrsg.). Dietrich Bonhoeffer – Gemeinsames Leben: Wie Christen miteinander leben können. Gütersloher Verlagshaus, 2006
  • Dietrich Bonhoeffer, Eberhard Witte. Vom großen Kontrapunkt: Worte aus seinen Werken. Verlag E. Müller, 1957
  •  Ruth-Alice von Bismarck, Ulrich Kabitz (Hrsg.). Brautbriefe Zelle 92: Dietrich Bonhoeffer, Maria von Wedemeyer; 1943-1945 (Beck'sche Reihe). C.H.Beck, 2010
  • Dietrich Bonhoeffer, Eberhard Bethge (Hg.) u.a. Widerstand und Ergebung: Briefe und Aufzeichnungen aus der Haft. Gütersloher Verlagshaus, 2005
  • Eberhard Bethge. Dietrich Bonhoeffer. Eine Biographie. Gütersloher Verlagshaus, 1993
  • Werner Milstein. Einen Platz in der Welt haben: Dietrich Bonhoeffer entdecken. Gütersloher Verlagshaus in Verlagsgruppe Random House GmbH, 2. Aufl., 2006

Musiknachweis

Michael Sikich – Grand Paganini Etude no.1 – Gm

Attribution 3.0 Unported (CC BY 3.0)
Dark Waves by Xenojam is licensed under a Attribution License.
Suvorexant by Xenojam is licensed under a Attribution License.
Path to Jotünheim by Tri-Tachyon is licensed under a Attribution License.
Agnus Dei II by The Tudor Consort is licensed under a Attribution 3.0 International License.
Chopin – Nocturne op.9 b flat minor – Public Domain
Chopin – Nocturne op.9 no. 2  - Public Domain
Clara Schumann – Scherzo no. 2 Op.14 – Public Domain
Ludwig van Beethoven – Piano sonata no. 14 in C# minor  “Moonlight Sonata” op. 27 no. 2 – Adagio sustenuto
Frank C. Stanley – When the mockingbirds are singing – Public Domain - Antique Phonograph Music Program
01/19/2016 by Antique Phonograph Music Program [Various Artists] is licensed under a Public Domain Mark 1.0 License.
Jockers Dance Orchestra – The Royal Vagabond – Antique Phonograph Music Program 01/19/2016 by Antique Phonograph Music Program [Various Artists] is licensed under a Public Domain Mark 1.0 License.
Love Him by Loyalty Freak Music is licensed under a CC0 1.0 Universal License.
Covered Wagon Days by Ted Weems & His Orchestra is licensed under a Public Domain / Sound Recording Common Law Protection License.
The Great One Step by Victor Dance Orchestra is licensed under a Public Domain Mark 1.0 License.

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Kommentare (2)

Bettina /

Vielen Dank für das Feature, was mich sehr berührt hat. Auch für mich ist Dietrich Bonhoeffer ein großes Vorbild.

Cornelia C. /

Lieber Tobias, ich bin von deinen Beitrag voll begeistert. Bonhoeffer ist einer meiner ganz großen Vorbilder seit Jahren. Ich möchte Dir aber noch ein anderes Buch ans Herz legen. Lese von Mary mehr

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