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15.02.2019 / Porträt / Lesezeit: ~ 4 min

Autor/-in: Lothar Rühl

Junger Christ kämpft sich zurück ins Leben

Neuen Mut gefunden nach Hirnblutung und „Locked-in-Syndrom“.

Hirnblutung und „Locked-in-Syndrom“. Eine niederschmetternde Diagnose ereilte den Wetzlarer Schüler Max Sprenger vor fast vier Jahren. Für den 18-Jährigen bedeutete dieser Schicksalsschlag eine radikale Zäsur in seinem Leben.
Es war im Urlaub in Holland über Fronleichnam 2015, als sich der damals 14-Jährige über Kopfschmerzen beschwerte und früh zu Bett ging. Doch die Beschwerden wurden schlagartig massiver, so dass seine Mutter Jutta Schmidt mit ihm in die nächstgelegene Klinik fuhr. Dort stellten die Ärzte die Hirnblutung fest. Sie sei im Stammhirn und daher nicht zu operieren, war eine der schlimmen Diagnosen. Max wurde mit dem Hubschrauber ins Universitäts-Klinikum nach Frankfurt am Main geflogen. Hier wurde dann noch das sogenannte „Locked-in-Syndrom“ festgestellt. Die Hirnblutung legte den gesamten Körper lahm.

„Ich bekam alles mit und war geistig voll da, konnte aber keinen einzigen Muskel bewegen, nicht sprechen, keine Zeichen geben. Eine unvorstellbare Situation - und laut ärztlicher Prognose würde sie so bleiben“, notiert Max seine Erinnerungen. Der englische Begriff „Locked-in-Syndrom“ kann mit Eingeschlossensein- oder Gefangensein-Syndrom übersetzt werden. Er bezeichnet einen Zustand, in dem ein Mensch zwar bei Bewusstsein, jedoch körperlich fast vollständig gelähmt und unfähig ist, sich sprachlich oder durch Bewegungen verständlich zu machen. Tatsächlich erklärten die Ärzte der besorgten Familie, dass dieser Zustand über Jahrzehnte anhalten könnte – bis zum Lebensende.

Ich bekam alles mit und war geistig voll da, konnte aber keinen einzigen Muskel bewegen, nicht sprechen, keine Zeichen geben. Eine unvorstellbare Situation - und laut ärztlicher Prognose würde sie so bleiben. – Max Sprenger


Max Sprenger kam in eine Rehabilitationseinrichtung am Hochrhein, direkt an der Schweizer Grenze. Mehr als eineinhalb Jahre verbrachte der Wetzlarer dort. Die Familie zog mit nach Süddeutschland, um ihm nahe zu sein. Nach einigen Wochen stellen die Therapeuten erste Muskelzuckungen auf der rechten Körperpartie fest. „Das war ein halbes Wunder“ meint Max Sprenger im Rückblick. Damit begann sein Kampf ins Leben zurück. Es folgten kleine Fortschritte. Er lernte wieder sitzen, Laufen am Unterarmgehwagen und auch das Sprechen kommt nach und nach, auch wenn er heute noch Mühe hat und mit Hilfe der Logopädie daran arbeitet. Zudem kann er wieder feste Nahrung zu sich nehmen, nachdem man ihm über Monate nur Sondennahrung und später Breikost verabreichen konnte. Dank grobmotorischer Fähigkeit der rechten Hand gelang es Max Sprenger ein dreiviertel Jahr später sein Smartphone wieder zu bedienen.

Am 23. Dezember 2016 kam die Familie zurück vom Hochrhein. „Wir haben gleich den Heiligabendgottesdienst in der benachbarten Kreuzkirche besucht“, schildert die Mutter. Dort in der Kreuzkirche war Max drei Wochen vor der Hirnblutung konfirmiert worden. Der Glaube an Gott hat ihn in der Krankheitszeit begleitet. „Ich bin sehr oft so unglaublich unglücklich über meinen jetzigen körperlichen Zustand“, beschreibt der Jugendliche seine Situation. Er findet Halt im Glauben und im Gebet.

Im Januar 2017 ging es wieder zum Unterricht. Das Zeugnis für die 8. Klasse hatte Max von seiner alten Schule erhalten, auch wenn er die letzten sechs Wochen bis zu den Sommerferien nicht am Unterricht teilnehmen konnte. Jetzt stieg er in die neunte Klasse ein, in einer Schule mit optimalen Bedingungen für Rollstuhlfahrer. Die Malteser haben ihn gefahren, ein Teilhabeassistent seinen Schultag begleitet. Den Abschluss der neunten Klasse schaffte Max Sprenger schriftlich und mündlich mit der Note „sehr gut“. Deshalb hängte er auch die Mittlere Reife an, die er ebenso gut meisterte.
 

Max Sprenger (Foto: Lothar Rühl / ERF Medien)
Max Sprenger (Foto: Lothar Rühl )

Um seine Genesung voranzutreiben, unterstützt ihn die Familie. Das Wohnhaus wurde umgebaut, Türen verbreitert, ein barrierefreies Bad geschaffen, aus zwei Kinderzimmern eines gemacht, in dem Max nicht nur schläft und Hausaufgaben macht, sondern auch seine Trainingseinheiten absolviert. Ein Treppenlift ermöglicht den Aufenthalt im ersten Stock. Woche für Woche besucht Max Sprenger bis zu 14 Therapiestunden, bewältigt den Schulunterricht und glaubt daran, dass noch mehr geht. „Ich hoffe, dass ich bald wieder laufen kann“, so der 18-Jährige, der sich bewusst ist, dass er nie wieder der Alte sein wird. Sein nächstes Ziel ist das Fachabitur. Im Herbst 2019 hat er sein Elternhaus verlassen und in Köln eine Wohnung genommen, um weiter die Schule zu besuchen.

Bereits während seines Reha-Aufenthalts hat Max Sprenger begonnen, seinem Handy anzuvertrauen, was ihn beschäftigt. Zunächst eher sporadisch, dann immer regelmäßiger schrieb er auf, wie es ihm durch die Krankheit ergeht. Bald kam der Gedanke auf, seine Geschichte als Buch zu veröffentlichen. Durch die Physiotherapie lernte er einen ehemaligen Verlagsmitarbeiter kennen und so entstand das Buch „Tsunami im Kopf“, das  der adeo Verlag (Aßlar) heraus gegeben hat.

Meine Geschichte soll einen Eindruck geben, wie man sich als Gefangener im eigenen Körper fühlt. Welche Träume mich antreiben. Und wie wir uns vielleicht gegenseitig durch schwere Zeiten helfen können. – Max Sprenger

Das Schreiben habe ihm geholfen, das Erlebte besser zu verarbeiten. „Ich will damit anderen Menschen, die solche Situationen erleben, Hoffnung machen, mich bei meiner Familie und Freunden bedanken, weil sie für mich sehr viel getan haben. Und ich hoffe, dass ich Menschen finde, die mich weiter unterstützen, bei meinem Ziel wieder laufen zu können“.


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