
06.09.2023 / Zum Schwerpunktthema / Lesezeit: ~ 3 min
Autor/-in: Joachim Bär„Ich habe gelernt, mutiger an die Sachen ranzugehen“
Das Studium hat Christian Obadja an seine Grenzen gebracht, ein Abschluss war nicht möglich. Trotzdem sagt er heute: Es ist gut geworden!
ERF: Christian, du hast einige Jahre an der Uni Darmstadt Elektro- und Informationstechnik und Mechatronik studiert – doch dann hast du den Abschluss nicht geschafft. Warum?
Christian Obadja: Ich habe gegen Ende des Studiums immer schwerer einen Zugang zu meinen Fächern gefunden. Auch die Prüfungen waren für mich teilweise herausfordernd. Erst habe ich mich in der Prüfungszeit von einem Studiengang zum anderen gehangelt, je nachdem, wo es für mich gerade besser passte. Das hat auch eine gewisse Zeit funktioniert. Ein Fach habe ich jedoch endgültig nicht bestanden, weil ich die Chance zur mündlichen Prüfung bereits aufgebraucht hatte. Ich konnte das Studium nicht beenden.
ERF: Irgendwann hat es also nicht mehr funktioniert – du bist an eine Grenze gestoßen. Was hat diese Grenze mit dem Vertrauen in deine Fähigkeiten gemacht?
Christian Obadja: Ich habe schon an mir selbst gezweifelt: Schaffe ich demnächst noch etwas? Habe ich mich überhaupt für das richtige Studium entschieden? Habe ich mich in etwas verbissen, weil das Studium ja schon so lange gedauert hat? Und wenn ich auf das Studium angesprochen wurde, war das echt unangenehm für mich.
ERF: Hattest du Zukunftsängste?
Christian Obadja: Ich habe mich natürlich gefragt, was als nächstes kommt. Wie lange dauert es, wenn ich noch einmal etwas anfange? Ich stand aber vor allem vor der Frage: Wie erkläre ich das alles jetzt meiner Familie und meinen Freunden.
ERF: Du hast dann an einer anderen Hochschule mit einem ähnlichen Fach neu gestartet– und damit angefangen, diese Grenze zu überwinden. Was hat dir geholfen, den neuen Anlauf zu wagen?
Christian Obadja: Ich hatte manchmal anderen Menschen in schwierigen Zeiten versucht, Mut zu machen. Jetzt musste ich mich schon fragen: Glaubst du eigentlich, was du in guten Zeiten immer gesagt hast? Ich wollte zum Beispiel an jedem Tag dankbar sein. War ich jetzt dankbar? Auch habe ich anderen zugesagt, dass Gott ihnen beisteht und ihnen bestimmt einen Weg öffnet. Das zu glauben, da war ich jetzt gefordert.
ERF: Hast du erlebt, dass sich einige dieser Glaubens-Sätze für dich bewahrheitet haben?
Christian Obadja: Erst einmal war ich herausgefordert. Ich musste also schon genau schauen, wo ich jetzt dankbar sein kann. Und die Gewissheit, dass Gott mir beisteht, musste ich konkret umsetzen – und eben nicht stehen bleiben oder aufgeben, sondern den weiteren Weg gehen. Für mich sind meine Grundüberzeugungen aber wahr geworden.
ERF: Gott hat also eine große Rolle gespielt für dich, um diese Grenze zu überwinden. Er hat aber auch nicht die Grenzerfahrung verhindert. Wo war denn Gott in dieser Zeit für dich?
Christian Obadja: Ich habe nicht daran gezweifelt, dass Gott bei mir ist. Ich habe mich eher gefragt: Was liegt an mir? Muss ich etwas ändern, muss ich etwas anders anpacken? Was kann ich lernen?
ERF: Was hast du denn gelernt?
Christian Obadja: Ich habe gelernt, mutiger an die Sachen ranzugehen. Bei meiner Studienwahl und in den Prüfungen habe ich oft nur meine Befürchtungen gesehen und so vieles, was schief gehen könnte. Ich hätte viel selbstverständlicher davon ausgehen können, dass ich hier zwar in unbekanntes Gebiet vorstoße, ich aber auch viel lernen kann. Ich würde heute mehr davon ausgehen, dass ich die Dinge schaffen kann. Außerdem habe ich mich im neuen Studium direkt mehr vernetzt und nicht so für mich gearbeitet. Ich habe gelernt, wie hilfreich es ist, wenn andere mit dabei sind und das gleiche Ziel verfolgen. So war ich besser informiert, wir konnten uns gegenseitig unterstützen und ergänzen.
ERF: Was mich zur Frage führt: Hast du dich in der ganzen Situation vielmehr selbst begrenzt und weniger die Umstände?
Christian Obadja: In Bezug auf mein damaliges Studium war das so. Gleichzeitig bin ich so gepolt, dass ich sage: Was passiert ist, ist passiert. Mit dem, was ich gelernt habe, gehe ich jetzt weiter.
ERF: … und passiert ist: Du hast dein zweites Studium geschafft und wir sind jetzt Kollegen. Sind die Dinge für dich gut geworden, trotz deiner Grenz-Erfahrung?
Christian Obadja: Ja, davon bin ich überzeugt. Es gibt Wege, die ich als Mensch nicht verstehe. Und ich mag diesen Spruch: Manchmal gewinnt man, und manchmal lernt man. Ich konnte immer glauben, dass Gott einen guten Plan für mich vorbereitet hat. Und auch wenn der gute Plan durch dunkle Täler geführt hat: Es ist gut geworden!
ERF: Vielen Dank für das Gespräch.
Christian Obadja arbeitet im technischen Support im ERF. Er ist sich seiner Grenzen bewusst – ist aber trotzdem optimistisch und hoffnungsvoll unterwegs.
Ihr Kommentar
Kommentare (1)
prima, daß ihr mal die Studien-Situationen ansprecht, in denen viele stecken und was vielfach Existenzprobleme sind. Und persönlich verunsichernd-entmutigend. Daß auch Eltern da die richtige Haltung … mehrhaben wegen finanzieller Probleme oder andere Angehörige... Bei all unseren Möglichkeiten, bei den Jungen noch mehr als bei Älteren (anders geprägt) da entstehen schnell Unsicherheit und Identitätsverlust. Fachliche Vernetzung oder gute Studien-Begleitung ist wohl immer mehr erforderlich. Eine WG wirds wohl noch nicht bringen.
Aber in unserer problematischen Zeit gilt es auch nach der Ausbildung weiterhin, mutig und mit Glaubensverankerung neue Schritte zu wagen. Miteinander weiterzulernen im Glauben (Bibelstudium, thematische Gemeindegruppe, Gebetsgemeinschaft, Hauskreis u.ä.) wie auch bei praktischen Alltags-Aufgaben sie richtig zu bewältigen.