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© Gerth Medien

03.12.2023 / Buchauszug / Lesezeit: ~ 5 min

Autor/-in: Hanna Willhelm

Kann Weihnachten Krise?

Auf der Suche nach den Schätzen der Weihnachtsgeschichte.

Hanna Willhelm ist etwas verloren gegangen: die Freude an Weihnachten. Im Trubel und Stress rauschte Weihnachten an ihr vorbei, ohne dass das Fest ihr Herz berührte. Statt sich damit zufrieden zu geben, hat sie sich auf die Suche nach der Weihnachtsfreude gemacht, indem sie sich den Geschehnissen rund um die biblische Weihnachtsgeschichte aus verschiedenen Perspektiven nähert. Dabei hat Weihnachten ihr Herz wieder erobert. Ihre Erlebnisse und Erkenntnisse hat sie aufgeschrieben.

Lesen Sie hier einen Auszug aus ihrem Buch Auf der Suche nach der Weihnachtsfreude. In diesem Kapitel stellt sich die Autorin der Frage: „Kann Weihnachten Krise?“

Viel Freude beim Lesen!

Wie krisenfest ist Weihnachten?

„Können wir Krise?“, das fragen sich seit den extrem heißen Sommern, der Pandemie, den Flüchtlingsdramen im Mittelmeer, dem Einmarsch Russlands in die Ukraine und der damit verbundenen Inflation und Energiekrise viele Menschen in Deutschland. Vielleicht fragt sich seitdem so mancher auch unbewusst, ob Weihnachten Krise kann. Hält das Fest der Liebe dem Druck von allen großen und kleinen Katastrophen stand und verschafft es uns eine Oase der Geborgenheit inmitten aller Unsicherheiten?

Wenn ich in mich hineinhöre, dann wünsche ich mir das für mich und meine Familie. Ich wünsche mir, dass Weihnachten eine heile Zeit ist. Eine Zeit des Aufatmens, der Hoffnung. Eine Zeit, um Kraft zu tanken und Frieden zu spüren.

Zwischen Sehnsucht und Wirklichkeit

Wahrscheinlich müssen wir es als Gesellschaft, muss ich es in meinem kleinen Leben neu lernen, diesen Spannungsbogen zwischen Sehnsucht und Wirklichkeit auszuhalten – nicht nur, aber auch an den Feiertagen. Das Gute ist, dass Weihnachten dieser Spannung standhält. Die Kraft, die in diesem Fest liegt, verpufft nicht, wenn die äußeren Umstände ein friedliches oder liebevolles Fest nicht zulassen.

Weihnachten kann Krise! Warum? Weil Krisen zur DNA der Weihnachtsgeschichte gehören. Gott hätte nicht als Mensch auf diese Erde kommen müssen, wenn in unserer Welt alles heil, harmonisch und stabil gewesen wäre.

Eine krisenhafte Geschichte

Auch die Ereignisse, die wir an Weihnachten feiern, beginnen mit einer Krise. Genau genommen mit einer Beziehungskrise zwischen Maria und Josef, den beiden erwachsenen Hauptpersonen der Geschichte. Als der Engel Maria ankündigt, dass sie auf übernatürliche Art und Weise schwanger werden wird, ist das keine gute Nachricht für die junge Frau.

In ihrem Kulturkreis ist es eine Schande, ein Kind zu erwarten, ohne dass zuvor eine rechtsgültige Ehe geschlossen ist. Auch Josef steht nach dieser Nachricht vor einem Scherbenhaufen. Sein Traum von einer eigenen Familie mit seiner Verlobten steht auf dem Spiel. Maria muss damit rechnen, dass Josef sie sitzen lässt.

Josef muss sich überlegen, ob er damit leben kann, dass er ein Kind aufziehen soll, das nicht von ihm ist, aber eben auch von keinem anderen Mann.

Außerplanmäßig und doch Gottes Plan

Am Anfang der Weihnachtsgeschichte ist von heiler Welt, von Familienidylle und Vorfreude auf ein Kind also wenig zu spüren. Stattdessen erleben wir ein Paar im Ausnahmezustand.

Maria und Josef müssen ihre Vorstellung von der Welt und ihre Zukunftsplanung völlig neu sortieren. Dazu kommt, dass auch ihre äußeren Lebensumstände krisengeschüttelt sind. Das jüdische Paar lebt schließlich in einem von Römern besetzten und kontrollierten Land.

Die spannende Frage ist, wie Maria und Josef mit dieser unerwarteten Lebenswende umgegangen sind. Wie haben sie die Krise gemeistert? Die Antwort, die die biblische Erzählung auf diese Frage gibt, ist so simpel wie schwer: Die beiden vertrauen ihr Leben mit all den veränderten und ungewissen Umständen Gottes Fürsorge an.

Eine Frau der Hingabe

Bei Maria zeigt sich das in dem schlichten Satz, den sie dem Engel sagt: „Ich gehöre dem Herrn, ich bin bereit. Es soll an mir geschehen, was du gesagt hast“ (Lukas 1,38). Josef gebraucht – typisch Mann? – keine Worte, sondern handelt einfach, indem er zu Maria steht und sie wie geplant heiratet.

Ich habe Marias Satz bislang so gedeutet, dass sie sich in Gottes Pläne fügt, weil sie angesichts seiner Größe, Weisheit und Macht kaum eine andere Wahl hat. Das würde Maria zu einer Frau machen, die Gottes Anweisungen gehorcht, weil die Situation es so erfordert und weil sie sich ihm zur Verfügung stellen will.

Wenn ich mir anschaue, wie Maria sich in der Geschichte weiter verhält, passt eine solche Schicksalsergebenheit aber nicht zu ihrem Charakter. Kurze Zeit nachdem der Engel ihr die Schwangerschaft angekündigt hat, drückt sie ihre Empfindungen nämlich in einem Lied aus.

Was Marias Lied über sie verrät

Der Text dieses Lobgesanges ist uns bis heute überliefert. Er gibt uns eine Ahnung von Marias Gedanken und Gefühlen – und die sind erstaunlicherweise weder verzweifelt noch bitter oder zynisch eingefärbt.

Stattdessen drücken sie Freude, Vertrauen und Hoffnung aus: „Mein Herz preist den Herrn; alles in mir jubelt vor Freude über Gott, meinen Retter! […] Gott hat Großes an mir getan, er, der mächtig und heilig ist. Sein Erbarmen hört niemals auf; er schenkt es allen, die ihn ehren, von einer Generation zur andern […] Jetzt stürzt er die Mächtigen vom Thron und richtet die Unterdrückten auf. Den Hungernden gibt er reichlich zu essen und schickt die Reichen mit leeren Händen fort. Er hat an seinen Diener Israel gedacht und sich über sein Volk erbarmt“ (Lukas 1,46-54 in Ausschnitten).

Was für eine Vision, was für eine Einstellung für eine Frau in Marias Lage! Sie sieht in ihren Umständen, ihrer ungewissen Zukunft und sogar in der schwierigen politischen Lage ihres Volkes Gott am Werk. Sie weiß: „Gott ist Gott und ich bin sein Geschöpf. Ich kann mich ihm anvertrauen. Er ist für diese Welt verantwortlich, und ich muss nur den Weg gehen, den er mir zeigt.“

Eine Frage des Vertrauens

Maria hat eine innere Haltung gefunden, mit der sie ihre Lebenskrise aushalten kann, auch wenn nicht alle Probleme gelöst sind. Maria und Josef können Krise, weil sie sich Gott anvertrauen, weil sie sich von ihm gehalten wissen.

Vertrauen in Gott als grundlegende Fähigkeit, um eine Krise zu meistern – das sollte für gläubige Menschen eigentlich selbstverständlich sein. Ist mir, ist uns im reichen Westen diese Fähigkeit abhandengekommen? Wir sind gut im Machen und Anpacken, im Analysieren und Perfektionieren, im Absichern und Abwägen. Aber im Vertrauen? Können wir Krise?

Vielleicht ist das nicht die beste Frage, wenn es um Probleme und Schwierigkeiten geht. Vielleicht lautet die bessere Version dieses Satzes: Können wir vertrauen? Nicht nur, aber auch an Weihnachten?

Weihnachtslicht: „Werft euer Vertrauen nicht weg, welches eine große Belohnung hat“ (Hebräer 10,35).
 

 Hanna Willhelm

Hanna Willhelm

  |  Redakteurin

Hanna Willhelm ist Theologin und Redakteurin im Bereich Radio und Online. Sie ist fasziniert von der Tiefe biblischer Texte und ihrer Relevanz für den Alltag. Zusammen mit ihrer Familie lebt die gebürtige Badenerin heute in Wetzlar und hat dabei entdeckt, dass auch Mittelhessen ein schönes Fleckchen Erde ist.

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