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© Josue Michel / unsplash.com

17.02.2024 / Serviceartikel / Lesezeit: ~ 5 min

Autor/-in: Rebecca Schneebeli

Endlich raus aus der Einsamkeit

Beziehungen machen glücklich, nur warum fällt uns Gemeinschaft in der heutigen Zeit so schwer?

Wenn es darum geht, glücklicher zu werden, stehen ein erfüllender Job, genug Geld, tolle Urlaube und ein schönes Zuhause bei vielen Menschen ganz oben auf der Glücksliste. Tatsächlich aber sind gute Beziehungen entscheidender für das eigene Glücksgefühl als materielle Güter. Wie schade ist es da, dass viele Menschen in unserer Gesellschaft eher isoliert leben. Vielleicht geht es auch dir so.

Mein persönlicher Kreis an Vertrauten hat sich durch die Pandemie stark verändert. Ich habe verstärkt online regelmäßigen Kontakt zu anderen Menschen und der direkte Kontakt ist weniger geworden. Der Vorteil: Ich habe Interessengruppen gefunden, mit denen ich mich austauschen kann, ohne viele Kilometer zu fahren.

Doch eins ist klar: Freundschaften können nur zu einem gewissen Grad online gelebt werden. Es braucht auch Menschen, mit denen man zusammen lacht, zusammen isst, zusammen eine Wanderung unternimmt oder einen Spieleabend veranstaltet. Doch wo finde ich solche Menschen? Gerade dann, wenn ich schon vor der Pandemie wenig Kontakte hatte?

Die amerikanische Autorin Jennie Allen widmet sich in ihrem Buch „Gemeinsam: Finde deine Herzensmenschen und entdecke das echte Leben“ der Frage, wie man tragfähige Beziehungen aufbaut. Das Buch gibt dazu viele praktische Hinweise, von denen ich in einer kleinen Artikelserie einige aufgreifen und mit eigenen Erfahrungen unterfüttern werde.

Der Mensch als Gemeinschaftswesen

Jennie Allen zeigt in ihrem Buch auf, dass der Mensch als Gemeinschaftswesen geschaffen ist. Wir alle brauchen Beziehungen und schon immer haben Menschen in Gemeinschaft gelebt. Laut Allen lebten die Menschen schon vor Jahrtausenden in kleinen Dörfern zusammen, in denen sie gemeinsam arbeiteten, ihre Kinder großzogen und Freude und Leid miteinander teilten.

Diese Gemeinschaften umfassten laut Allen etwa 50 Personen. Daher nimmt sie dies als Richtwert, zu wie vielen Menschen wir in etwa losen Kontakt halten können. Hier möchte ich einwerfen, dass Allen die Menschheitsgeschichte sehr vereinfacht darstellt. Auch zu Jesu Zeiten gab es schon Großstädte, unter anderem Rom. Menschen lebten lange vor der Neuzeit schon in dicht besiedelten Städten.

Aber – und hier hat Allen recht – der persönliche Bekanntenkreis der meisten Menschen war in vorindustrieller Zeit deutlich kleiner als heute. In den Großstädten waren die einzelnen Stadtviertel vielfach wie kleine Dörfer organisiert, im Arbeitsbereich trafen sich Gleichgesinnte in Gilden und Zünften und man lebte und arbeitete als Großfamilie zusammen. Somit hat Allen recht:

Die Welt der Menschen des Mittelalters und der frühen Neuzeit war viel stärker auf Gemeinschaft ausgerichtet als unsere heutige Zeit.

Doch was ist das Problem dabei, dass es jetzt anders ist? Und wie finden wir zu einer gemeinschaftsorientieren Lebensweise zurück?

Zersplittert in tausend Lebensbereiche

Allen zeigt in ihrem Buch auf, dass unsere heutige Lebensweise sehr isoliert ist. Statt in einer Großfamilie leben die meisten Menschen in Kleinfamilien; viele Haushalte bestehen sogar nur noch aus einer oder zwei Personen. Das eigentliche Problem ist aber, dass uns auch abseits der Familie und des eigenen Haushalts gute Beziehungen fehlen.

Der Grund dafür: unsere heutige Unabhängigkeit. Anders als in früheren Zeiten sind wir im Alltag kaum noch auf regelmäßige Unterstützung von anderen angewiesen, die wir uns nicht als Dienstleistungen erkaufen können. Hinzu kommt, dass viele Menschen beruflich stark eingebunden sind und auch deshalb wenig Zeit in Beziehungen investieren.

Außerdem zergliedert sich das soziale Leben vieler Menschen in viele einzelne Bekanntenkreise. Wenn jemand etwa pendelt, sind Arbeits- und Privatleben räumlich getrennt, was vielfach dazu führt, dass man sich in zwei Lebensbereichen bewegt, aber nie irgendwo ganz da ist.

Wir leben als einzelner Mensch quasi in mehreren Welten, in denen wir mehr oder weniger Kontakt zu anderen haben, aber kaum Freunde, die uns in mehreren oder allen Lebensbereichen kennen und zur Seite stehen.

500 Facebook-Freunde, aber kein echter Freund

Ich pendle nicht, aber auch bei mir ist das so. Da sind die Kollegen auf der Arbeit, mit denen ich täglich viel Zeit verbringe. Aber was in ihrem persönlichen Leben los ist, weiß ich nur von einigen. Dann gehe ich wöchentlich in eine Tanzgruppe, aber auch die Menschen dort kenne ich kaum, und selbst in meiner Gemeinde habe ich nur zu einzelnen eine tiefere Beziehung.

Wir leben in einer Welt, in der wir 500 Facebook-Freunde haben, aber niemanden, den wir spontan anrufen können, wenn wir uns mit unserem Partner gestritten haben.

Zumindest geht es vielen Menschen so. Ist es in dieser Situation hilfreich, noch mehr Beziehungen zu knüpfen?

Nein, rät Jennie Allen, denn weniger Einsamkeit erlebt man nicht durch mehr Kontakte, sondern indem man sich verbindlich auf einzelne Beziehungen einlässt. Wir brauchen nicht mehr, sondern tiefere Kontakte . Dies ist laut Allen nur zu drei bis fünf Personen möglich. Drei bis fünf enge Herzensmenschen – mehr braucht es nicht. Eigentlich ganz einfach, oder?

Was macht enge Freundschaften aus?

Als ich in Allens Buch über diesen inneren Kreis las, fing ich sofort an zu überlegen: Wer gehört eigentlich zu meinem inneren Kreis? Und ich merkte: Das ist gar nicht so einfach. Denn viele gute und enge Freundinnen sehe ich nur selten, andere Bekannte treffe ich wöchentlich oder wir haben sogar täglich Austausch, aber der Kontakt ist eher oberflächlich.

Laut Allen zeichnen Freundschaften in diesem inneren Kreis drei Dinge aus:

  1. Räumliche Nähe: Im Krisenfall ist ein persönliches Treffen möglich, und zwar ohne sich eine Stunde ins Auto zu setzen.
  2. Regelmäßige Treffen: Man trifft sich regelmäßig und mit „regelmäßig“ meint Allen nicht alle zwei Wochen, sondern dass man wirklich Alltag miteinander teilt.
  3. Tiefer Austausch: Man tauscht nicht nur Smalltalk miteinander aus oder geht zusammen zum Sport, sondern redet auch über Themen, die einen im tiefsten Inneren bewegen.

Wer gehört zu deinem inneren Kreis?

Wenn ich auf diese Liste schaue, merke ich: Solch eine Beziehung habe ich allenfalls zu meinem Ehemann. Ja, ich habe etliche Freundschaften, auf die ein oder zwei dieser Marker für eine wirklich enge Freundschaft zutreffen, aber selbst bei den engsten Freunden wackelt es zumindest an einer Stelle. Muss ich mir jetzt ernstlich Sorgen um meine Freundschaften machen?

Nein, das denke ich nicht. Aber ich kann daran arbeiten und zwar auf andere Weise als bislang. Das beginnt damit, dass ich mir überlege:

Welche Beziehungen habe ich schon in meinem Alltag? Auf der Arbeit, beim Sport, in meinem Hobby, in meiner Gemeinde?

Wenn ich da drei bis maximal fünf Beziehungen ausgemacht habe, die ich gerne weiter ausbauen möchte, kann ich hier bewusst investieren, anstatt weiter Termine mit jedem auszumachen, der mir gerade sympathisch erscheint, nur damit ich mich nicht mehr einsam fühle.

Findest du das ein lohnenswertes Projekt, dann überlege dir, wer deine fünf Herzensmenschen sein könnten. In den nächsten Teilen dieser Reihe zum Thema „Freundschaft“ verrate ich dir, welche verschiedenen Freundschaftstypen du in deinem Leben brauchst und wie du zu deinen Herzensmenschen eine wirklich tiefe Freundschaft aufbaust.

 Rebecca Schneebeli

Rebecca Schneebeli

  |  Redakteurin

Rebecca Schneebeli ist Literaturwissenschaftlerin und arbeitet nebenberuflich als freie Lektorin und Autorin. Die Arbeit mit Büchern ist auch im ERF ihr Steckenpferd. Ihr Interesse gilt hier vor allem dem Bereich Lebenshilfe, Persönlichkeitsentwicklung und Beziehungspflege. Mit Artikeln zu relevanten Lebensthemen möchte sie Menschen ermutigen.

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Kommentare (1)

Daniela D. /

Hallo
Ihr Artikel über Freundschaften hat mich sehr bewegt ich habe leider auch das Problem das mir das kaum gelingt tiefgehende Freundschaften zu bekommen. Ich hatte bis vor kurzen einen Guten mehr

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