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17.12.2022 / Theologischer Artikel / Lesezeit: ~ 9 min

Autor/-in: Lee Strobel

Was ist dran an Weihnachten? Teil 2

Ein Journalist will wissen, ob die Weihnachtsgeschichte tatsächlich passiert ist

Lee Strobel ist in den 70er Jahren des 20. Jahrhunderts ein erfolgreicher Journalist der Chicago Tribune und erfahrener Gerichtsreporter mit atheistischem Hintergrund. Als seine Frau Christin wird, beschließt er herauszufinden, wie verlässlich die Berichte des Neuen Testamentes eigentlich sind. Dazu interviewt er zahlreiche christliche Wissenschaftler von namhaften Universitäten.

Strobel macht im Laufe seiner Recherche die Entdeckung, dass viele historische und archäologische Funde die Zuverlässigkeit der geschichtlichen Aussagen des Neuen Testamentes eher bestätigen, als sie in Frage zu stellen.

Bei seinen Nachforschungen nimmt Strobel auch die Berichte der Weihnachtsgeschichte genauer unter die Lupe. Sein Gesprächspartner für deren Zuverlässigkeit ist John McRay, der unter anderem 15 Jahre lang Professor für Neues Testament und Archäologie gewesen ist. Lesen Sie im Folgenden einen weiteren Buchauszug zu dem, was Strobel bei diesem Interview herausgefunden hat:
 

Viele Christen wissen überhaupt nicht, dass Skeptiker lange Zeit behauptet haben, dass Nazareth zu der Zeit überhaupt nicht existierte, als Jesus dort seine Kindheit verbracht haben soll.

Hat es Nazareth zur Zeit Jesu überhaupt gegeben?

In einem Artikel mit dem Titel Where Jesus Never Walked schreibt der Atheist Frank Zindler, dass Nazareth weder im Alten Testament erwähnt wird noch bei Paulus, noch im „Talmud“ (obwohl dort 63 andere galiläische Städte aufgeführt sind), noch bei Josephus (der 45 andere Dörfer und Städte in Galiläa aufführt, inklusive Jaffa, das nur etwa eineinhalb Kilometer vom heutigen Nazareth entfernt liegt).

Kein antiker Historiker oder Geograph erwähnt Nazareth vor dem Beginn des vierten Jahrhunderts. Dieses Nichtvorhandensein von Beweisen erschien mir verdächtig. Also fragte ich McRay ganz direkt: „Gibt es irgendwelche archäologischen Beweise dafür, dass Nazareth im ersten Jahrhundert existierte?“

Diese Fragestellung war nicht neu für McRay. „Dr. James Strange von der ,University of South Florida‘ ist Experte auf diesem Gebiet. Er beschreibt Nazareth als sehr kleines Gebiet von etwa 2.400 Ar mit maximal 480 Bewohnern zu Beginn des ersten Jahrhunderts“, erwiderte McRay. „Woher weiß er das?“, hakte ich nach.

„Strange schreibt, dass nach dem Fall von Jerusalem im Jahr 70 im Tempel keine Priester mehr nötig waren, da der Tempel zerstört war. Deshalb wurden die Priester in verschiedene andere Orte geschickt, sogar nach Galiläa. Archäologen haben eine Liste in aramäischer Sprache gefunden, in der aufgeführt wird, wohin die 24 Priesterfamilien umgesiedelt wurden. Darunter findet sich auch eine Familie, die in Nazareth registriert ist. Das zeigt, dass es dieses winzige Dorf zu dieser Zeit gegeben haben muss.“

Außerdem, so erklärte er mir, gab es archäologische Ausgrabungen, bei denen in der Nähe von Nazareth Grabstätten aus dem ersten Jahrhundert gefunden wurden, wodurch sich Rückschlüsse auf die Dorfgrenzen ziehen lassen, da jüdische Begräbnisse außerhalb der Stadt stattfinden mussten. Zwei Grabstätten enthielten Grabbeigaben wie Öllampen, Glasgefäße und Vasen, die aus dem ersten, dritten und vierten Jahrhundert stammten.

McRay zog ein Exemplar eines Buches des renommierten Archäologen Jack Finegan aus dem Regal und las mir daraus Finegans Analyse der Funde vor: „Von den Grabstätten […] kann man darauf schließen, dass Nazareth zur Zeit der Römer eine stark jüdische Siedlung war.“

McRay blickte auf. „Es gab Diskussionen über den Standort bestimmter Orte des ersten Jahrhunderts, etwa wo genau sich das Grab Jesu befand, doch unter Archäologen bestanden eigentlich nie große Zweifel über die Lage von Nazareth. Die Beweislast liegt bei denen, die an seiner Existenz zweifeln.“ Das schien einleuchtend zu sein.

Selbst der normalerweise sehr kritische Ian Wilson, der frühchristliche Funde beschreibt, die 1955 unter einer Kirche im heutigen Nazareth gefunden wurden, kam zu dem Schluss: „Solche Funde legen nahe, dass Nazareth zur Zeit Jesu existierte. Doch es besteht kein Zweifel daran, dass es ein sehr kleiner und unbedeutender Ort gewesen sein muss.“

So unbedeutend, dass Nathanaels Grübelei, die uns im Johannes-Evangelium geschildert wird, jetzt mehr Sinn macht: „Aus Nazareth?“, sagte er. „Kann von dort etwas Gutes kommen?“

Warum berichtet kein anderer antiker Schreiber vom Kindermord in Bethlehem?

Das Matthäus-Evangelium zeichnet eine grausige Szenerie: Herodes der Große, der König von Juda, fühlt sich durch die Geburt eines Babys bedroht, das, wie er fürchtet, Anspruch auf seinen Thron erheben könnte. Deshalb schickt er seine Truppen aus, um in Bethlehem alle Kinder bis zum Alter von zwei Jahren töten zu lassen. Von einem Engel gewarnt, kann Josef mit Maria und Jesus nach Ägypten entkommen. Erst nach dem Tod von König Herodes kehren sie zurück und lassen sich in Nazareth nieder. Mit dieser ganzen Episode erfüllen sich drei alttestamentliche Prophetien über den Messias.

Das Problem ist: Es gibt keinen unabhängigen Beweis dafür, dass dieser Massenmord tatsächlich stattgefunden hat. Es findet sich darüber nichts bei Josephus oder anderen Historikern. Es gibt keine archäologischen Funde. Es gibt keinerlei Berichte oder Dokumente. Wie kann das sein?

„Ein Ereignis dieser Tragweite würde doch sicher nicht nur von Matthäus bemerkt werden“, beharrte ich. „Muss man nicht davon ausgehen, dass dieses Gemetzel nie stattgefunden hat, wenn sich dafür absolut keine historischen oder archäologischen Beweise finden lassen?“

Herodes war als blutrünstiger König bekannt

„Ich verstehe, warum Sie das sagen“, antwortete McRay. „Heute würde ein Ereignis wie dieses sofort durch alle Medien gehen. Dennoch müssen Sie sich ins erste Jahrhundert zurückversetzen und ein paar Punkte berücksichtigen.

Erstens war Bethlehem vermutlich nicht größer als Nazareth. Wie viele Kinder in diesem Alter gab es wohl in einem Ort mit fünf- oder sechshundert Einwohnern? Nicht Tausende, nicht Hunderte, sondern höchstens ein paar.

Zweitens war Herodes der Große ein blutrünstiger König. Er brachte Mitglieder seiner eigenen Familie um und eine ganze Menge Leute, von denen er sich bedroht fühlte. Wenn er also in Bethlehem ein paar Kleinkinder umbrachte, würde das sicher keine Aufmerksamkeit im Römischen Reich erregen.

Und drittens gab es kein Fernsehen, kein Radio, keine Zeitungen. Es würde einige Zeit dauern, bis sich mündliche Berichte verbreitet hätten, vor allem von einem so kleinen Dorf aus, das mitten im Nirgendwo lag, und zu einer Zeit, in der die Historiker über viel wichtigere Dinge zu schreiben hatten.“

Jesu Geburt wurde von der Weltöffentlichkeit kaum wahrgenommen.

Für mich als Journalisten war das schwer zu begreifen. „Die Ereignisse waren keinen Bericht wert?“, fragte ich etwas ungläubig. „Ich denke nicht, zumindest nicht zu dieser Zeit“, sagte er. „Ein Verrückter, der alle umbrachte, die eine potenzielle Bedrohung für ihn darstellten – das war bei Herodes an der Tagesordnung. Später, als sich das Christentum weiterentwickelte, wurde diesem Vorfall mehr Bedeutung beigemessen. Aber es hätte mich sehr überrascht, wenn er damals große Wellen geschlagen hätte.“

Das mochte ja so sein, aber für einen Journalisten, der im Zeitalter modernster Technik und schneller und weltumspannender Kommunikationsmöglichkeiten auf der Suche nach Neuigkeiten ist, war das sehr schwer vorstellbar. Doch nach allem, was ich über das antike Palästina wusste, musste ich zugeben, dass McRays Erklärung vernünftig erschien.

Als ich das Interview daher einige Zeit später beendete und nach Hause fuhr, war ich noch mehr von der Zuverlässigkeit der Aufzeichnungen in den Evangelien und den anderen neutestamentlichen Büchern überzeugt. Oder um es mit den Worten des prominenten australischen Archäologen Clifford Wilson zu sagen: „Wer die Fakten kennt, muss das Neue Testament als bemerkenswert exakte Quelle anerkennen.“

Gibt es antike außerbiblische Texte, die über Jesus sprechen?

Darüber hinaus wird das Neue Testament auch von anderen antiken historischen – nichtbiblischen – Quellen gestützt. „Tatsache ist, dass wir für Jesus eine bessere historische Dokumentation haben als für jede andere Religion der Antike“, erklärte mir Dr. Edwin Yamauchi während meines Besuchs in der Miami University von Ohio. Yamauchi erwarb seinen Doktortitel in Studien des Mittelmeerraumes an der Brandeis University, er ist der Verfasser von The Scriptures and Archaeology und The World of the First Christians. Als ich ihn danach fragte, welche Informationen wir außerhalb der Bibel in anderen antiken Dokumenten finden können, entgegnete er:

„Wir würden erstens wissen, dass Jesus ein jüdischer Lehrer war; zweitens, dass viele Menschen glaubten, dass er Heilungen und Exorzismus betrieb; drittens, dass ihn manche Menschen für den Messias hielten; viertens, dass er von den jüdischen Führern abgelehnt wurde; fünftens, dass er unter Pontius Pilatus in der Regierungszeit des Tiberius gekreuzigt wurde; sechstens, dass seine Nachfolger trotz seines schmählichen Todes glaubten, dass er noch lebendig war und sich über Palästina hinaus ausbreiteten, so dass es schließlich um 64 sogar in Rom eine Menge von ihnen gab; und siebtens, dass ihn Menschen in der Stadt und auf dem Land, Männer und Frauen, Sklaven und Freie als Gott verehrten.“

Ein anderer Fachmann, Gary Habermas, führt in The Historical Jesus detailliert 93 antike Quellen auf, die das Leben Jesu in irgendeiner Weise dokumentieren. Er leitet aus ihnen über 100 Fakten ab, die das Leben Jesu, seine Lehren, seine Kreuzigung und Auferstehung betreffen.

Gibt es außerbiblische Texte, die über die Gottheit Jesu sprechen?

24 der bei Habermas zitierten Quellen, darunter sieben säkulare Quellen und einige der frühesten Glaubensbekenntnisse der Kirche, beziehen sich explizit auf die Gottheit Jesu. „Diese Glaubensbekenntnisse zeigen, dass die Kirche eine Generation später nicht einfach die Gottheit Jesu lehrte, wie es in der modernen Theologie so oft dargestellt wird. Diese Doktrin ist vielmehr schon bei den ersten Christen präsent“, schreibt Habermas.

Und schließlich hatte mir auch Dr. Bruce Metzger, ein emeritierter Professor aus Princeton, eine Antwort auf meine Frage gegeben, ob die Bücher des Neuen Testaments durch die Jahrhunderte bis in die Gegenwart hinein zuverlässig überliefert worden waren. Er erklärte mir, dass es nicht nur eine beispiellose Anzahl von neutestamentlichen Handschriften gibt und dass Untersuchungen ergaben, dass diese nur kurze Zeit nach den Originaldokumenten entstanden.

Er wies ebenfalls darauf hin, dass das moderne Neue Testament in reinerer Form überliefert ist als jedes andere bedeutende Buch – in einer Form, die zu 99,5 % frei ist von inhaltlichen Diskrepanzen. Darüber hinaus ist es den Kriterien, anhand derer die ersten Kirchenleiter festlegten, welche Bücher maßgeblich waren, zu verdanken, dass wir heute die bestmöglichen Aufzeichnungen über Jesus besitzen.

Diese Aufzeichnungen machen unmissverständlich deutlich, dass das Kind in der Krippe der Sohn Gottes war. Aber war es auch in der Lage, diesen Anspruch zu untermauern? Ich wusste, dass es einen christlichen Intellektuellen namens D. A. Carson gab, der mir dabei helfen konnte herauszufinden, ob Jesus die Wesenszüge und Fähigkeiten Gottes besaß.

Lesen Sie im ersten Teil des Artikels mehr zur Frage, ob die Evangelisten Lukas und Johannes sorgfältig gearbeitet haben, als sie ihre Biographien über das Leben von Jesus verfassten.

 

Über den Autor: Lee Strobel gewann nach einem Studium an der Yale Law School mehrere Preise als Gerichtsreporter der Chicago Tribune. Seine Nachforschungen zur Zuverlässigkeit des Christentums führten dazu, dass er selbst Christ wurde. Anschließend war er nacheinander Pastor der zwei größten Gemeinden in den USA – der Willow Creek Community Church bei Chicago und der Saddleback Church bei Los Angeles. Zusammen mit seiner Frau Leslie lebt er in Südkalifornien. Dieser Text ist ein Auszug aus dem Buch "Was ist dran an Weihnachten?". Wir danken dem Verlag Gerth Medien für die freundliche Genehmigung zur Veröffentlichung. 
 

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