Dazu gehörten auch viele Lieder, die sie oft vor sich hin oder mit uns gemeinsam sang. Wie das „Sonnenscheinlied“:
„Lasst die Herzen immer fröhlich
und mit Dank erfüllet sein,
denn der Vater in dem Himmel
nennt uns seine Kinderlein.“
Und dann der Refrain:
“Immer fröhlich, immer fröhlich,
alle Tage Sonnenschein!
Voller Schönheit ist der Weg des Lebens,
fröhlich lasst uns immer sein.“
Automatisch entstand bei uns Kindern die Idee, dass solche Lieder – vorausgesetzt, sie wurden laut und temperamentvoll genug gesungen – das Leben von Christen widerspiegeln und ein wolkenfreies Dasein garantieren. Lebe intensiv mit Jesus, dann brauchst du keinen Wetterbericht mehr. Und du bekommst auch keine Sorgen-, höchstens Lachfalten, weil du ja jeden Tag fröhlich bist!
Kräftge Schauer
Aus dem kleinen Liedersänger wurde der jugendliche „Halbstarke“ – so nannten uns die Erwachsenen damals als Teenager. Diesem Halbstarken ging immer mehr von dem gesungenen Sonnenschein flöten. Kräftige Schauer kamen indes – das Unvermögen, gelernte Normen einzuhalten – und sorgten für zunehmende Irritationen. Ob das alte Kinderlied wirklich der Alltagspraxis von echten Menschen entnommen war? Wie kann die Sonne noch scheinen, wenn sich in meiner Seele Versagen, Lüge, Ungehorsam, Diebstahl und andere angehäufte Schuld ausbreiten?
Und weitere Fragen tauchten auf:
- Gibt es überhaupt so etwas, wie diese idealisierte Sonne?
- Müssen Christen keine Krankheiten erdulden?
- Macht der Tod einen Bogen um sie?
- Lügen Fromme niemals?
- Und wenn ja, wie können sie denn dann von „alle Tage Sonnenschein“ singen?
- War dieses Lied nur ein (gut gemeintes) Mittel zum Zweck, von offenen Fragen über Gott und seine nicht nachvollziehbaren Handlungswegen mit seinen Geschöpfen abzulenken?
- Wurden wir vielleicht sogar mit solchen Liedern manipuliert?
Im Rückblick muss ich so manche starke „Bewölkung“ in meinem Leben feststellen. Oft gab es schwierige Zeiten in denen das Zusammenleben der Generationen, die Wohnungsenge, die Krankheiten der Kinder, wiederholte Firmenbankrotte und Arbeitssuche wie eine unausweichliche dunkle Front vor mir stand. Und dabei kam mir wiederholt die Frage:
„Wo bist du, Gott? Ist das die Fröhlichkeit, die Du versprichst? Meine Lebensfreude ist mir gründlich versaut – was sagst du dazu?
Trotz allem ist die Sonne da
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Zweifel an Gottes Liebe bekamen und bekommen alle Christen – und zweifeln ist jedem erlaubt. Und zweifeln ist eine Sache der Sichtweise:
Wenn es draußen regnet, sagen wir oft, dass die Sonne nicht scheint. Tatsächlich sehen wir die Sonne nur nicht durch die Wolkendecke. Die Sonne scheint nach wie vor, sonst wäre es nicht nur düster, sondern vollkommen dunkel.
Diese Sichtweise hilft mir unfröhliche Zeiten neu einzuordnen. Der „Gott hinter den Wolken“ ist da – auch wenn unser Gefühl sagt, dass er weg ist. Seine Zusagen und Versprechen gelten uneingeschränkt. Und auch seine Liebe gilt mir nach wie vor, auch wenn es im Leben mal richtig duster ist. Wenn ich mir das klar mache, dann kommt die vertriebene Freude langsam zu mir zurück.
Echte, wirkliche Freude!
In der Bibel gibt es erstaunlich viele Verse, die zum Fröhlich-Sein auffordern. Besonders in den Psalmen wimmelt es davon. Gemeint ist keine aufgesetzte Partyfröhlichkeit, sondern eine echte, tiefe Freude, die ihre Ursache in Gott selbst hat. Nur Gott ist fähig, echte und anhaltende Freude zu geben – alles andere ist ein schaler Ersatz. Und er hat uns die Erlebnisfähigkeit dazu geschenkt. Deshalb wünscht er sich, dass wir mit erhobenen Kopf unseren Alltag fröhlich bewältigen.
Das so umzusetzen ist ein Lernprozess, der sich lohnt. Denn am Ende steht das Wissen, dass, auch wenn mir zum Heulen ist, sich die „Sonne hinter den Wolken“ befindet und ich in meiner Situation nicht allein bin.
Wir als Familie haben es besonders in dunklen Tagen immer wieder erlebt, wie diese Freude von Gott uns getröstet und Lebensmut geschenkt hat. Insofern stimmt das alte Kinderlied auch heute noch:
„Alle Tage Sonnenschein!“
Ihr Kommentar
Kommentare (1)
da suche ich die Melodie von dem Lied auf meinem Kalender und finde diese Andacht, in einer Zeit voller "Wolken" - Danke! und gleichzeitig ist sie eine Fortsetzung meines Nachdenkens über Philipper 4, 4 ff - ich bin froh, das lesen zu können, gerade jetzt - Gott sei Dank!!