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© Heidi Fin / unsplash.com

28.11.2007 / Weihnachten / Lesezeit: ~ 4 min

Autor/-in: Frank Berndt

Alle Jahre wieder...

...zieht die Hektik ein. Weihnachten wird immer mehr zum Stressfaktor bei dem Viele froh sind, wenn vorbei ist!

...zieht die Hektik ein. Weihnachten wird immer mehr zum Stressfaktor bei dem Viele froh sind, „wenn alles vorbei ist!" Kein „Stille Nacht und Frieden auf Erden"... Und zum Glück ist damals auch nicht ruhig gewesen. Und doch ist Weihnachten ein Ruhepol, weswegen es ja noch immer gefeiert wird - trotz aller Hektik und Unfrieden.

Und so stöhnen die Leute weiter, dass es nicht mehr so wie früher sei, viel Rummel, viel Hektik, viel Geschäft. Die vergangenen Wochen und Tage waren eine einzige Strapaze und es wird wohl noch bis zum 24. Dezember so bleiben. Christbaum verzieren, Wohnung dekorieren, Geschenke organisieren und dann - endlich vorbei.

Gerade noch in voller Fahrt stehen wir am Heiligen Abend auf der Bremse. Weihnachten muss beschaulich sein. Es soll doch still sein in der „stillen, heiligen Nacht“. Vor einigen Jahren meldete ein Radiosprecher an Weihnachten aus dem hart umkämpften Sarajevo, dass es zwischen den Fronten still und friedlich war. Hier und da bellte ein verlorener Schuss durch die Nacht, aber ansonsten schwiegen die Waffen.

Dieser Tage kann man einen Film im Kino sehen, der von einer solchen Weihnachtsruhe zwischen den Fronten des „großen", des ersten Weltkriegs berichtet. Sogar die Männer, die sich kurz zuvor noch beschossen, feierten in den Schützengräben Weihnachten, das Fest der Liebe, das Fest des Friedens.

Aber für einen Waffenstillstand an Heilig Abend muss man nicht in Kriegsgebiete reisen. Das gibt es auch unterm familiären Weihnachtsbaum: Ehepaare, Kinder und Verwandte, die sonst bis an die Zähne bewaffnet sind, kalt, keifend und mit Worten verletzend - hocken am Heiligen Abend beisammen und heucheln „heile Welt" – wenigstens für ein paar Stunden.

  • Und wenn an Heilig Abend die Bremsen versagen?
  • Wenn die Hektik da bleibt?
  • Wenn es turbulent zugeht?
  • Wenn die beschworene Besinnlichkeit nicht einkehren will?
  • Wenn Probleme nicht unter den Teppich passen?
  • Wenn alte Kamellen aufgetischt und Grabenkämpfe ausgetragen werden?
  • Wenn an Weihnachten die Fetzen fliegen?

Dann ist Weihnachten doch kaputt, oder nicht? Dann ist die ganze Stimmung im Eimer und vor allem der „Heilige“ Abend gelaufen. Ich kann verstehen, dass die Hetze Menschen zusammenbrechen lässt. Dass der Weihnachtsrummel fertig macht. Dass Menschen unter dem kalten Familienkrieg leiden. Dann sie an den Wortgefechten zugrunde gehen.

Aber ich kann nicht verstehen, warum deshalb ausgerechnet das Weihnachtsfest in die Hose gehen soll. Weihnachten ist nichts anderes als die Geburt von Jesus. Ein Geburtstag, der hektischer, ungemütlicher und unfreundlicher nicht hätte sein können.

Jesus wurde in eine Welt hineingeboren, die hektisch, verwundet und ausgeblutet war. Die scheinheilige Welt der Krippenspiele und der goldenen Rauscheengel hat nicht existiert. Damals gab es die erste Volkszählung, weswegen Jesu Eltern auf reisen waren. Sie waren nicht zu Hause und freuten sich über „leise rieselnden Schnee". Sie mussten in einer Garage schlafen, weil die Hotels überfüllt waren. Dazu kamen die römischen Militärkolonnen. Israel war besetzt. Weit entfernt von einem friedlichen Land, einer friedlichen Demokratie...

Das Volk war in Bewegung, im Gedränge, nicht ohne Reibereien. Jeder noch so verkommene Schuppen wurde zu Wucherpreisen vermietet. Maria und Joseph waren sicher nicht die einzigen, die ihre Garage teuer bezahlten, während sich andere an den Theken den Frust mit Alkohol hinunterspülten. Das war die Situation, in der ein junges Mädchen ihr Kind zur Welt brachte.

Das ist die Welt, in die Jesus hineingeboren wird! Ein Ausrutscher Gottes?

Ein verschneites Schwarzwalddorf oder das Herrenhaus des Herodes hätte unserer sentimentalen Stimmung sicher gut getan. Aber diese verklärte Welt passt eben nicht in unseren rauen Alltag. Und dorthin wollte dieser Gott, dorthin wollte Jesus - in unser Alltagsleben, in den Frust, in die Kneipen zu den Alkoholikern, den Streitsüchtigen und den Unversöhnlichen - kurz: zu den Ausgestoßenen einer „feinen" Gesellschaft.

Genauso waren die Hirten. Raue Burschen bei der Nachtschicht stehen plötzlich im gleißenden Licht. Ein Chor von Engeln singt mit klarer Stimme: „Euch ist heute der Heiland geboren", berichtet Lukas 2. Und die Engel singen weiter: „Ihr werdet finden das Kind im Palast des Herodes, in Purpur gewickelt und in einem flauschigen Bett liegen."

Wären die Hirten jemals dorthin gekommen? Ihnen wäre es gegangen, wie manchem heute, der im traditionellen Gottesdienst sitzt: Schöner Gesang, anrührende Musik, warme Stimmung, aber mit meiner Welt hat das ganze »Süßer-die-Glocken-nie-klingen-Gesülze« nichts zu tun.

Zu unserem Glück kam Gottes Sohn in einem jämmerlichen Futtertrog zur Welt. Und das war kein Zufall. Gott wird Mensch, um uns in unserer unerträglichen Not zu begegnen. Gott will in unsere Probleme, in unsere Hektik hinein. Er kam, nicht obwohl, sondern weil Familien vom Hass zerrissen werden. Unseren Hass, unsere Schuld, die wir anderen und ihm gegenüber haben will er uns vergeben. Und er will uns befähigen, anderen ebenso zu vergeben. So will er Familien und Beziehungen wieder heil machen.

Kein Grund also heile Welt zu spielen! Ausgerechnet da, wo für die Zerrüttung unseres Lebens Heilung angeboten wird, sollen wir so tun, als sei alles in Ordnung? Nein! Die Engel sagten, „Euch ist heute der Heiland geboren!“ Ein Arzt für Verwundete, die Hilfe für Hilflose, der Rettungsring für Ertrinkende, das Netz für Abstürzende. Das ist Jesus. Und er ist gerade für die gekommen, die mit sich selbst abgeschlossen, die für ihr Leben die Bankrotterklärung unterschrieben haben, die unter der Last der eigenen Unzulänglichkeit und Schuld zusammenbrechen.

Wenn wir diesem Jesus unser Elend, unsere Unversöhnlichkeit, unseren Hass, unseren Frust, unser vollkommen verkorkstes Leben und unsere Schuld und die Scherben unseres Lebens vor die Füße kippen, dann haben wir DEN Grund, Weihnachten zu feiern.

Hören wir doch auf, an Weihnachten eine heile Welt zu konstruieren und lassen Jesus in unser verwundetes und blutendes Leben hinein. Feiern wir doch endlich wirklich Weihnachten. Entrümpeln wir doch dieses Fest von sentimentalem Zierrat, selbst wenn die ach so schönen Geschenke, Christbaumkugeln, Lametta und der Festbraten ihren Stellenwert verlieren. Denn dann kommen wir (Alle Jahre) wieder zum Kern der Sache:

O du fröhliche,
o du selige,
gnadenbringende Weihnachtszeit!
Welt ging verloren,
Christ ist geboren:
Freue, freue dich, o Christenheit!

 

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