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© Brooke Lark / unsplash.com

23.01.2023 / Andacht / Lesezeit: ~ 4 min

Autor/-in: Markus Baum

„Das kann ich schon!“ – „Das kann ich besser!“

Rekordjagd: menschlich – oder ein Problem?

Der Knirps am Strand von Amrum kann erst seit ein paar Monaten stehen. Vor ein paar Wochen hat er sich die ersten Schritte frei zu laufen getraut. Ganz sicher sieht das noch nicht aus, und so halte ich die Luft an: Kann sich der kleine Erdenbürger auf seinen kurzen Beinchen halten, oder liegt er im nächsten Augenblick auf der Nase? – Keine Minute später hat der tapfere Zwerg den Holzsteg erklommen. Läuft los in Richtung Dünendurchgang und nimmt mit einem Jauchzer Tempo auf.

Die Mutter kämpft noch mit der Strandmuschel, bis sie schließlich die Lage erkennt und „Marvin!“ ruft. Der etwas massige Vater nimmt die Verfolgung auf – aber da hat der Kleine bereits dreißig Meter Vorsprung und freut sich des Lebens. Der erste Geschwindigkeitsrausch!

„Das kann ich schon!“ – „Das kann ich besser!“ – Etwas erstmals oder besser machen, mit anderen wetteifern, sich vergleichen: Das liegt uns Menschen in den Genen, das geht schon ganz früh los in unserem Erdendasein. Und das bleibt in mancher Hinsicht ein Leben lang so. Alle normal entwickelten und gesunden Menschen können es zu erstaunlichen Leistungen bringen – körperlich und geistig. In unterschiedlichsten Disziplinen.

Auch Menschen mit Handicap, mit einer körperlichen Einschränkung oder mit beschränkten geistigen Fähigkeiten können über sich hinauswachsen. Können Erfolge feiern und Bewunderung und Anerkennung ernten. In der Gemeinschaft, in der Familie, im Freundeskreis oder unter Kolleginnen und Kollegen – es ist gut, wenn wir aneinander wahrnehmen: Niemand ist gänzlich unbegabt, jede und jeder hat ein besonderes Talent, kann mit anderen mithalten oder sie gar übertreffen. Und manche sind nicht nur gut, sind in ihrem Feld sogar spitze, erringen Rekorde. Machen im besten Fall die ganze Gemeinschaft stolz.

Vergleichen und sich selbst einschätzen will gelernt sein – verlieren können auch

Höher, schneller, weiter. Besser, am besten, unschlagbar! Solange der Vergleich und das Kräftemessen spielerisch und sportlich ausgetragen werden, ist alles in Butter. Freilich kann Ehrgeiz und Konkurrenzdenken auch leicht eine verbissene Note bekommen. Und längst nicht alle, die mal hoffnungsvoll in einen Wettbewerb eingestiegen sind, können auch gut verlieren.

Dabei ist es doch nur logisch: Ganz oben auf dem Siegertreppchen ist nicht beliebig viel Platz. Den meisten muss „Ganz schön hoch,“ „ordentlich schnell“ oder „richtig weit“ reichen. Und in vielen Dingen des Lebens kommt es auch gar nicht darauf an, dass ich der Beste bin – ich muss nur überhaupt etwas davon verstehen. Beim Autofahren zum Beispiel geht es nicht ums Gewinnen, sondern darum, dass man sicher ans Ziel kommt.

Was der kleine Sprinter am Nordseestrand noch nicht wissen konnte: Die Jagd nach Rekorden erstreckt sich so ziemlich auf alle Bereiche des menschlichen Daseins. Der Homo Sapiens ist offenbar nur selten zufrieden mit dem, was er bereits erreicht hat.

Im Sport stößt er dabei inzwischen an die Grenzen dessen, was der menschliche Körper im besten Fall zu leisten vermag. In der Wirtschaft folgt auf Umsatzrekorde oft wieder ein Abschwung. Und ein begrenzter Planet mit inzwischen acht Milliarden Bewohnern verträgt kein unbegrenztes Wachstum.

Auch in Wissenschaft und Forschung kommt die Menschheit mittlerweile an Grenzen. Viele der jetzt noch ungelösten Rätsel sind nur mit immensem Aufwand und ungewissen Erfolgsaussichten zu bearbeiten. Einmal abgesehen davon gilt: Viele Rekorde sind ihrer Natur nach flüchtig. Sie haben nicht ewig Bestand, sondern werden irgendwann bedeutungslos.

Ohne Einsatz kein Gewinn

Zumindest in der Welt des Glaubens geht es nicht ums Kräftemessen oder Vergleichen, aber einen Preis zu gewinnen gibt es dennoch. Der Apostel Paulus hat vor knapp 2.000 Jahren in einem Brief an die christliche Gemeinde im griechischen Korinth den Glauben mit einem Wettlauf verglichen: „Viele nehmen daran teil, aber nur einer bekommt den Siegespreis. Macht es wie der siegreiche Athlet: Lauft so, dass ihr den Preis bekommt!“ (1. Korinther 9,24).

Und was für ein Preis winkt denjenigen, die diesen Lauf bestreiten? Davon hat Paulus in einem anderen Brief geschrieben: Es geht um „die Teilhabe an der himmlischen Welt, zu der uns Gott durch Jesus Christus berufen hat“ (Philipper 3,14). Das ist wertvoller und vor allem dauerhafter als jeder Orden, jede Medaille oder jeder Pokal.

Was den christlichen Glauben deutlich unterscheidet von den zum Teil erbitterten Konkurrenzkämpfen im Sport, im Wirtschafts- und Berufsleben: In der Welt des Glaubens wird der Zieleinlauf und die Wertung der Ergebnisse oft auf den Kopf gestellt. Derselbe Apostel Paulus, der die Christen in Korinth eben noch zum entschlossenen Sprint um den Sieg aufgerufen hat, gesteht schon im nächsten Brief ein: Aus eigener Kraft schafft er es gar nicht bis zur Ziellinie; er ist gehandicapt. Aber: „Der Herr hat zu mir gesagt: ‚Meine Gnade ist alles, was du brauchst, denn meine Kraft kommt gerade in der Schwachheit zur vollen Auswirkung‘“ (2. Korinther 12,9).

Paulus ist ja überhaupt erst von Jesus Christus ins Rennen geschickt worden, und Jesus hat seinen ehrgeizigen Anhängern einmal gesagt: „Viele, die jetzt die Ersten sind, werden die Letzten sein, und die Letzten werden die Ersten sein“ (Markus 10,31).

Das heißt im Klartext: Im christlichen Glauben ist auf dem Siegerpodest Platz für Viele. Auch für vorher nicht so hoch gehandelte Kandidatinnen und Kandidaten. Selbst für nach menschlichen Maßstäben gescheiterte Naturen. Und für Menschen, die gelegentlich (vielleicht mit gutem Grund) an sich, an ihren Fähigkeiten und Talenten zweifeln. Aber Gott zweifelt nicht an ihnen und an ihrer großartigen Berufung. Denn die hat er ja selbst ausgesprochen.
 

 Markus Baum

Markus Baum

  |  Redakteur

Exilschwabe, seit 1982 in Diensten des ERF. Leidenschaftlicher Radiomacher, Liebhaber der deutschen Sprache und Kenner der christlichen Musiklandschaft. Übersetzt Bücher ins Deutsche und schreibt gelegentlich selber welche. Singt gern mit Menschen. Verheiratet, drei erwachsene Kinder.

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