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© Adina Voicu / pixabay.com

29.06.2020 / Hilfe und Schutz / Lesezeit: ~ 2 min

Autor/-in: Oliver Jeske

Ein Schutzraum für Kinder mit Gewalterfahrung

Wie eine Pflegefamilie innere Heilungsprozesse anstoßen kann.

 

 

„Dieses Wissen, dass ein kleiner Mensch der Schutz braucht. Und wir können ihm das geben.“ Genau das motiviert Horst und seine Frau Marina immer wieder, Kinder in ihre Familie aufzunehmen. Die beiden leben in Niedersachsen. Neben vier leiblichen Kindern hat das Ehepaar zwei Pflegekinder. Inzwischen sind die meisten längst flügge. Seit drei Jahren stehen Horst und Marina mit dem Jugendamt in regelmäßigem Kontakt. Sie sind seitdem Bereitschafts-Pflegeeltern, falls es einen Notfall gibt.

Horst: „Bereitschafts-Pflege bedeutet ja: Ein Kind kommt akut aus einem Umfeld raus, weil es da eine Notsituation gibt. Es bleibt bis zu zwei Jahre erst einmal auf einer Bereitschafts-Pflegestelle, bis geklärt ist: Wie kann die Geschichte weitergehen mit dem Kind.“

Wenn Berührung Gewalt bedeutet

Auf diese Weise hat Horst viel Erfahrungen gesammelt mit Kindern, die Schlimmes erlebt haben. Er weiß, wovon er spricht und kann Verhaltensmuster einordnen. Der Diakon ist ausgebildeter Pädagoge. Gewalt – egal ob körperlich oder sexuell – kann tiefe seelische Wunden hinterlassen, so Horst.

„Wir machen da sehr unterschiedliche und zum Teil eben auch erschreckende Erfahrungen. Ich kann mich gut erinnern: Ich wollte einen Jungen, der zu uns kam – er war schon schulpflichtig – abends noch einmal segnen und die Hand auf den Kopf legen. Er sah meine Hand, erschrak und ging sofort in Abwehrhaltung. Ich habe ihm dann erklärt, was ich vorhabe. Ich habe versucht, ihm auf eine gute Art und Weise zu zeigen, dass Berührungen eben nicht gleichzeitig auch Gewalt bedeutet.“

Die Zeit heilt keine Wunden – aber Gott

Ob Gewalt rein körperlich oder auch sexuell vorgefallen ist, lässt sich in manchen Fällen im Nachhinein nicht eindeutig feststellen, so Horst. Beides hinterlässt seelische Narben, sogenannte Traumata. „Ich glaube, dass Menschen, die traumatische Erfahrungen gemacht haben, damit immer zu tun haben. Ich glaube aber auch, dass das Erlebte gut integriert werden kann ins Leben. Das braucht ein gutes Gegenüber, um das gut bearbeiten zu können.“ Horst hält nichts von der Weisheit, die da lautet: Die Zeit heilt alle Wunden. „Das glaube ich nicht. Ich glaube, dass Gott alle Wunden heilen kann. Aber das steht in seiner Autorität und nicht in unserer.“ Bis es so weit ist, sei es oft ein langer Prozess. Aber einer mit Aussicht auf Erfolg. Berührungen, Umarmung und auch ein Segen sind auf einmal wieder möglich.

„Du hast mich noch nicht gesegnet!“

Wie bei dem Jungen, der natürlich anonym bleiben muss. „Irgendwann hat er beim Gute-Nacht-Sagen gesagt: Du kannst jetzt noch nicht rausgehen! Du hast mich noch nicht gesegnet oder du hast noch nicht für mich gebetet. Das ist letztendlich etwas, wo wir merken: Die Kinder bringen ihr Paket mit. Wir wissen nicht, was das ist im Einzelnen. Aber wir wollen ihnen einen Raum geben, in dem Sie wirklich sicher und geschützt sind.“ Das große Ziel für das Hurst und Marina: Liebe schenken arbeiten und beten. Eines Tages sollen die Kinder zu starken selbstbestimmten Persönlichkeiten heranreifen, erklärt Horst. „Die jungen Menschen müssen trotz der Erfahrungen lernen, dass ein qualitativ hochwertiges Leben möglich ist, dass das Leben nicht nur daraus besteht Opfer zu sein. Das ist unser Wunsch und das ist auch unser Glaube, dass Gott heilt. Aber wie bei vielen Verletzungen bleiben Narben, auch wenn die Wunde selber geheilt ist.“

 Oliver Jeske

Oliver Jeske

  |  Redakteur

Sprachlich Hannoveraner, seit einem Vierteljahrhundert in Berlin zu Hause, liebt er Jesus, Tanzen mit seiner Frau, Nordsee-Spaziergänge mit seinen Söhnen und leckeren Fisch. Von Gott ist er fasziniert, weil der ihn immer wieder überrascht und im wahrsten Sinne des Wortes beGEISTert.

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