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© Nicholas Green / unsplash.com

24.11.2022 / Interview / Lesezeit: ~ 3 min

Autor/-in: Andreas Odrich

„Ein Boykott hilft wenig“

Uwe Heimowski, DEA: WM als Chance für Debatte um Religionsfreiheit.

 

Noch nie war eine Fußball-Weltmeisterschaft so umstritten wie die WM 2022 in Katar. Trotzdem rollt seit Sonntag der Ball. Am Mittwoch hat die deutsche Nationalelf mit ihrer 1:2 Niederlage ihr enttäuschendes Debut gegeben. Dabei ging es im Vorfeld des Spiels weniger um sportliche Erfolgschancen. Im Fokus stand vielmehr das Fifa-Verbot der One-Love-Kapitänsbinde, die für Vielfalt, Offenheit und Toleranz steht; Werte, die in Katar wie Fremdwörter klingen.

Doch auch um die Religionsfreiheit steht es nicht gut in dem kleinen Emirat. Die Deutsche Evangelische Allianz fordert daher: gerade über die Religionsfreiheit müsste jetzt während der WM eine Debatte geführt werden. Wir haben darüber mit dem Politikbeauftragten der Allianz, Uwe Heimowski, gesprochen.

 

ERF: Nicht wenige Deutsche haben sich entschieden, wegen der umstrittenen Menschenrechtslage in Katar ganz auf die WM zu verzichten. Haben Sie sich am Mittwoch das Spiel Deutschland – Japan angesehen?

Uwe Heimowski: Ja, ich habe es mir angesehen, weil ich da ein bisschen anders ticke. Die Chance, dass die WM in Katar ist, und dass wir jetzt über die Menschenrechtslage sprechen, wie wir damals in Südafrika über die Menschenrechtslage und über die Hungersituation gesprochen haben, ist riesengroß. Ein Boykott der WM hilft deshalb wenig. Allerdings, nach dem Auftakt-Spiel der deutschen Mannschaft habe ich gedacht, das hättest du dir besser geschenkt.

Arbeitsmigranten gefährdet

ERF: Nun wird ja in Katar auch die Religionsfreiheit drastisch eingeschränkt. Darunter leiden insbesondere Arbeitsmigranten, die Christen sind. Können Sie das ein bisschen ausführen?

Uwe Heimowski: Katar hat 2,9 Millionen Einwohner, also, es ist ein ganz kleines Land. Aber davon sind nur 300.000 Menschen Kataris, alle anderen, fast 90%, sind Arbeitsmigranten. Da gibt es z.B. die Gruppe der Philippina, Frauen, die von den Philippinen kommen. Häufig sind das gläubige Frauen, die in den Häusern oft wie Sklaven gehalten. Sie werden missbraucht, sie dürfen nicht raus, sie dürfen ihren Glauben nicht leben, das ist ziemlich brutal. Und das ist etwas, was meiner Meinung nach total untergeht.

13 % der Einwohner in Katar sind Christen, das sind rund 350.000 Menschen, und wir reden in der öffentlichen Debatte gerade nur über One-Love, das ist eine ganz kleine Minderheit, die LGBTQ-Community, und wir reden kaum über Christen, und das ist dann schon sehr schade, auch wenn ich die eine Gruppe nicht gegen die andere ausspielen möchte.


ERF: Aber es wurden doch auch neue Kirchen in Katar gebaut vor der WM.

Uwe Heimowski: Ja, die gibt es tatsächlich. Außerhalb von Doha gibt es einen großen Religionskomplex, und dort gibt es eine katholische Kirche und auch protestantische Kirchen. Jetzt kommt aber dazu Folgendes dazu: zum einen, wer dort hingeht, wird kontrolliert, das heißt, es wird ganz genau geschaut, wer dahin geht, und wenn das zum Beispiel ein ehemaliger Muslim ist, etwa ein Katari, dann hat das für ihn verheerende Konsequenzen, wenn er in einem Gottesdienst von Christen geht.

Und das zweite ist, dass insbesondere die Arbeitsmigrantinnen, die Frauen in den Haushalten, überhaupt nicht dahin dürfen, weil sie gar nicht rausgelassen werden. Es ist also auch diesbezüglich, wie an vielen Stellen dieser WM, eine ganz große Show. Trotzdem ist es ein Zeichen in die richtige Richtung, es wird aber sehr missbräuchlich gehandhabt.

Politik nur teilinteressiert

ERF: Sie fordern ja nun auch, dass mit der WM in Katar eine Debatte über Religionsfreiheit einhergehen muss. Treffen Sie da im Berliner Politikbetrieb auf offene Ohren?

Uwe Heimowski: Es kommt darauf an, mit wem man redet. Nancy Faeser, die deutsche Innenministerin, war mit der One-Love-Binde da, was ja ein sehr mutiges Zeichen ist, sich damit neben Gianni Infantino zu setzen. Man merkt, alle reden über Menschenrechte, und das Symbol ist die One-Love-Binde. Und wir versuchen hier tatsächlich in verschiedenen Kontexten, Religionsfreiheit mit zum Thema zu machen.

Wir reden darüber mit dem Beauftragten der Bundesregierung für weltweite Religionsfreiheit (Frank Schwabe, Anm. d. Redaktion) und bei ihm finden wir natürlich schon offene Ohren. Aber mehrheitlich hat man das Gefühl, dass die Brille relativ eng ist. Es wird nicht über Religion gesprochen.

Finger in die Wunde

ERF: Kann diese WM also eine Chance sein, für Menschenrechte in Katar?

Uwe Heimowski: Ich glaube, dass sie das kann, denn Katar hört ja mit der WM nicht auf. Denn Katar wird bei uns Deutschen beim Thema Gaslieferungen eine große Rolle spielen, Katar ist in ganz viele Werbekampagnen als großer Sponsor involviert, d.h., dass die Gespräche mit Katar weitergehen werden, wenn wir jetzt massiv auf die Menschenrechte und die Religionsfreiheit hinweisen, dann kann das nach der WM nicht abbrechen und wir werden auch weiterhin den Finger auf diese Themen legen.

ERF: Vielen Dank für das Gespräch.

 Andreas Odrich

Andreas Odrich

  |  Redakteur

Er verantwortet die ERF Plus-Sendereihe „Das Gespräch“. Er ist verheiratet, hat drei Kinder und ist begeisterter Opa von drei Enkeln. Der Glaube ist für ihn festes Fundament und weiter Horizont zugleich.

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