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02.01.2008 / / Lesezeit: ~ 3 min

Autor/-in: Kerstin Rudolph

Der Traum von neuen Aufgaben

Statt Bier einfüllen, beim Blauen Kreuz auftanken. So denkt Michael Liebmann heute. Mit 15 fängt er aus Neugier an zu saufen: Zehn Flaschen Bier am Tag sind normal. Doch er spürt, dass der Alkohol ihn verändert - und das will er nicht. Jetzt ist er drei Jahre lang trocken und sieht zurück: "Drei Jahre ohne Alkohol waren viel wertvoller, als die zehn mit."

Neugier, fünf Flaschen Bier auf Ex, eine Riesenschweinerei auf der Toilette und einen Tag lang außer Gefecht: Michael Liebmann erinnert sich genau an seinen ersten Kontakt mit Alkohol. Er ist 15, seine Mutter schläft. 

„Ich schüttete eine Bierflasche nach der anderen in mich rein. Den Punkt zum Anhalten fand ich nicht“, erinnert sich der mittlerweile 28-Jährige. Er will gut drauf sein, träumt davon, erwachsen zu sein. Doch was folgt, ist ein Alptraum.

Die Wirkung des Alkohols testet Michael weiter: „Ein Bier am Abend erzeugte bei mir ein Unwohlsein. Ein Zweites machte mich lockerer, nach der dritten und vierten Flasche konnte ich in der Disco mehr aus mir herausgehen.“ Einige Male erlebt er einen Filmriss und bekommt ein schlechtes Gewissen.

Statt für das Abitur zu lernen, geht er in die Kneipe. Macht Versprechungen, die er nicht halten kann. Schnorrt bei seinen Eltern und Freunden Geld, um sich Bier zu kaufen. Fünf Liter Bier am Tag sind keine Seltenheit. Er redet sich ein, alles im Griff zu haben. In einer Verkehrskontrolle stellen die Polizisten 2,7 Promille fest und nehmen ihm den Führerschein ab.

Entzugserscheinungen: Angst und Depressionen

Dass ihm der Alkohol schadet, seine Persönlichkeit verändert, das gesteht sich Michael erst mit 25 Jahren ein. Aus eigener Kraft versucht er, den Alkohol stehen zu lassen. Doch durch den Entzug bekommt er Depressionen und Angstzustände. „Vier Monate war ich trocken, dann ging ich wieder in die Kneipe. Nach dem ersten Glas war meine Angst verschwunden und es ging mir besser.“

Weitere Anstöße sind nötig, ehe er sich Hilfe sucht: „Viele kleine Tropfen brachten das Fass schließlich zum Überlaufen.“ Sein Bankkonto ist leer. Die Hände sind zittrig, das Gitarrenspiel wird schlechter. „So habe ich sogar die Kasse meiner Musikband geplündert und die 30 Euro versoffen.“

Eine Bemerkung seines Onkels wirkt:
Ohne Alkohol zu leben, ist kein Kampf, sondern eine Entscheidung.
Der Onkel muss es wissen: Er lebt selbst abstinent und ist beim Blauen Kreuz engagiert.
Seine Oma macht Michael auf die Blaukreuz-Gruppe in Solingen aufmerksam. Es kostet ihn Überwindung, aber er nimmt sich den Rat seiner Oma zu Herzen und besucht die Selbsthilfegruppe. Dort findet er nicht nur Menschen, die ihm bei der Überwindung seiner Sucht helfen, sondern er findet auch zum Glauben an Jesus Christus zurück.

Rettungsanker: Gebet

„Meinen Glauben hatte ich versoffen“, sagt Michael heute. „Durch die Blaukreuz-Gruppe habe ich ihn wieder gefunden.“ Wie ein Rettungsanker sei das Gebet für ihn. „Wenn ich nicht mehr weiter wusste, habe ich gebetet. Und es wurde besser, die Angst verschwand, Sorgen um Geld, Arbeit und Wohnung lösten sich.“

Ein halbes Jahr habe es gedauert, bis sein Gehirn auch ohne Alkohol funktionierte und die Depressionen verschwanden. Für den Rest seines Lebens kann und will er keinen Alkohol mehr trinken. Dazu hat er sich verpflichtet und Michael Liebmann ist überzeugt, dass er sein Versprechen diesmal kann.

„Unheimlich zufrieden“

Und für den Rest seines Lebens will er mit Gott leben. „Ich könnte nicht mehr ohne Gott“, sagt er und ist „unheimlich zufrieden“. Die Blaukreuz-Gruppe ist sein geistlicher Punkt zum Auftanken. Er hat gelernt, für Alltägliches dankbar zu sein, Nein zu sagen und Verantwortung zu übernehmen.

Auch wenn er das „Küken“ ist und die meisten anderen Teilnehmer älter sind als er. „Ich profitiere von den Lebenserfahrungen der anderen und sie schätzen meine jugendliche Sichtweise. So hat jeder etwas vom Austausch zwischen den Generationen.“

Drei Jahre ohne Alkohol haben ihm viel mehr gebraucht, als die zehn Jahre mit, ist Michael überzeugt. „Ich bin froh, dass der Zusammenbruch so früh kann und ich nicht noch mehr Zeit meines Lebens vertan habe.“

Jetzt träumt er davon, Jugendlichen zu helfen: Dieses Leid auf Raten durch die Sucht will er anderen ersparen. Deswegen versteckt er seine Erfahrungen nicht, sondern spricht offen mit Freunden und Kommilitonen darüber.

Spätestens in vier Jahren – so träumt er – möchte er sein Englisch-Studium abschließen und Lehrer werden. Auf Schüler und Lehrerkollegen, die zur Alkoholsucht neigen, möchte er dann besonders achthaben.

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