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© Georgia de Lotz / unsplash.com

30.11.2023 / Serviceartikel / Lesezeit: ~ 5 min

Autor/-in: Sarah-Melissa Loewen

Warten auf Weihnachten

Adventsbräuche erklärt: Esther Dürrstein erzählt, wie Kerzen und Adventskalender das Warten verkürzen.

Weihnachten wird in vielen Teilen der Welt gefeiert. Und für kaum ein anderes Fest geben wir uns so viel Mühe und treffen so viele Vorbereitungen. Der Adventskranz, Kerzen, Plätzchen, Geschenke und ein geschmückter Weihnachtsbaum gehören für viele Menschen einfach dazu und sind feste traditionelle Bestandteile von Weihnachten. Doch wo haben all diese Bräuche und Traditionen ihren Ursprung? Und was ist ihre eigentliche Bedeutung? Diese Fragen hat sich auch Esther Dürrstein gestellt – und nach Antworten gesucht.

Damit uns Weihnachten nicht verloren geht

Der Anstoß für ihre Recherchen waren Statistiken. Deren Zahlen haben sie ins Nachdenken gebracht: „Für viele Menschen in unserem Land gehört das Weihnachtsfest einfach dazu. Im letzten Jahr haben 80 Prozent der Deutschen Weihnachten gefeiert. Während Corona waren es ungefähr 70 Prozent. Aber 2017, also vor sechs Jahren, waren es noch 90 Prozent. Das ist mir in den Statistiken aufgefallen und ich habe mich gefragt, warum immer weniger Menschen Weihnachten feiern. Geht uns Weihnachten verloren?“

Foto von Esther Dürrstein
Esther Dürrstein (Foto: privat)

Esther Dürrstein hat sich auch mit der Frage beschäftigt, warum die Menschen eigentlich Weihnachten feiern. „Laut Statistik ist der häufigste Grund freie Zeit bzw. Zeit mit der Familie. Weihnachten ist für viele Menschen bedeutend, einfach um einen schönen Jahresabschluss zu haben, eine schöne Familienfeier zu feiern, aber nicht mehr wegen der eigentlichen Bedeutung von Weihnachten.“

Dementsprechend ist auch ein Kirchenbesuch laut Statistik für immer weniger Menschen wichtig. „Letztes Jahr waren es wieder 15 Prozent aller Deutschen, die einen Gottesdienst besucht haben, und vor Corona waren es sogar 25 Prozent. Aber wenn man daran denkt, dass knapp 50 Prozent aller Menschen einer Kirche angehören, dann ist das wenig.“

Für Esther Dürrstein sind weihnachtliche Traditionen und Bräuche wichtig. Denn sie erfüllen einen Zweck und es lohnt sich, alte Traditionen lebendig zu halten. „Traditionen stiften Zusammenhalt und vermitteln Sicherheit mit ihrer immer gleichen Wiederkehr. Das spüren wir gerade in unruhigen Zeiten, wie wir sie auch jetzt gerade erleben. Sie geben uns ein Gefühl von Geborgenheit. Durch Traditionen leben Beziehungen auf und wir schaffen tolle Erinnerungen.“

Erinnerung ist das entscheidende Stichwort. Die Bräuche und Traditionen sollen uns an den wahren Grund von Weihnachten erinnern: Die Geburt von Jesus Christus. Das ist auch die Bedeutung von „Advent“. Das Wort kommt aus dem Lateinischen „adventus“ und heißt „Ankunft“.

All das Feierliche, die schöne Stimmung, die Dekorationen verleihen eigentlich der Vorfreude auf die Ankunft Jesu Ausdruck. Er ist der Mittelpunkt der weihnachtlichen Feierlichkeiten. Genau das können wir in den Traditionen und Bräuchen auch entdecken, wenn wir anschauen, wo sie ihren Ursprung haben, sagt Esther Dürrstein.

Warten auf Weihnachten

Morgen können wir das erste Türchen öffnen und in drei Tagen die erste Kerze anzünden – der Weihnachtscountdown läuft. Mancher Erwachsene ist angesichts der zu erledigenden Vorbereitungen gestresst, manches Kinderherz kann es jetzt schon kaum erwarten, bis endlich Weihnachten ist. Adventskalender und Adventskranz malen uns die verbleibenden Tage vor Augen und verkürzen das Warten auf Weihnachten. Beides gehört für viele zur Adventszeit einfach dazu.

Advent, Advent, ein Lichtlein brennt

Im Advent zählen wir die Tage bis Weihnachten. Das Zählen lernen spielte auch eine Rolle bei der Erfindung des Adventskranzes, erläutert Esther Dürrstein. Johann Heinrich Wichern war evangelischer Theologe, Sozialpädagoge und Gefängnisreformer. Ihm lag es auf dem Herzen, den Menschen seiner Zeit in ihrer Not zu helfen und neue Hoffnung zu schenken. Unter anderem gründete er das „Rauhe Haus“ in Hamburg, in dem er verwahrloste, verwaiste und verhaltensauffällige Kinder aufnahm und für sie sorgte.

„1839 überlegte er sich, wie er den Kindern in der dunklen Jahreszeit Freude und Hoffnung vermitteln könne, denn das war ihm immer wieder wichtig“, sagt Esther Dürrstein. So kam er auf die Idee, Kerzen auf einem großen Wagenrad zu befestigen: 4 große weiße Kerzen und dazwischen 20 kleine rote Kerzen. Dieses Wagenrad hängte er an die Decke des Betsaales. Jeden Tag zur Adventsandacht durften die Kinder eine Kerze anzünden. An jedem Werktag eine rote und an den Sonntagen eine weiße Kerze.

„Mit jedem Tag, an dem eine weitere Kerze angezündet wurde, wurde es ein bisschen heller im Saal. Damit vermittelte er den Kindern die Botschaft: Weihnachten – die Geburt Jesu – ist ein Lichtblick auch in dunklen Zeiten. Denn Jesus ist das Licht der Welt“, erläutert Esther Dürrstein. Der praktische Nebeneffekt: Die Kinder lernten am sogenannten „Wichernkranz“ Zählen und Rechnen.

Erst über 20 Jahre später wurde das Wagenrad mit Tannengrün geschmückt, das für Hoffnung steht. Nach und nach entwickelte sich der heute übliche Adventskranz aus Tannenzweigen mit vier Kerzen. Diese Tradition verfestigte sich zunächst in evangelischen Kirchen und Haushalten und verbreitete sich erst rund 100 Jahre nach der Erfindung des „Wichernkranzes“ auch in katholischen Gegenden.

Jeden Tag ein Türchen

Wie sich der Adventskalender in der Form, wie wir ihn heute kennen, entwickelte, hat auch eine längere Geschichte, erklärt Esther Dürrstein.

In der katholischen Kirche war es damals üblich, dass die Menschen in der Vorweihnachtszeit fasteten. Begleitend dazu wurde in den Kirchen jeden Tag eine Andacht gehalten. In diesen Andachten wurden Geschichten aus der Bibel nacherzählt, angefangen mit der Schöpfungsgeschichte und dem Sündenfall, über die Vertreibung aus dem Paradies und so weiter, bis hin zur Geburt Jesu.

So hörten die Menschen Tag für Tag ein Kapitel mehr von der göttlichen Heilsgeschichte. Damals konnten viele Menschen nicht schreiben und lesen und so wurden die Geschichten anschaulich dargestellt, indem man im Altarraum Bilder aufbaute, die den Inhalt symbolisierten.

Da vor allem die Kinder ungeduldig auf Weihnachten warteten, überlegten sich die Eltern, wie sie ihnen das Warten verkürzen könnten und entwickelten erste Formen von Adventskalendern. In den katholischen Familien durften die Kinder jeden Tag einen Strohhalm in die leere Krippe legen, bis am 24. Dezember das Jesuskind hineingelegt wurde. In evangelischen Familien wurden beispielsweise nach und nach 24 Bilder mit religiös-weihnachtlichen Motiven an die Wand gehängt.

Um 1900 wurden nach und nach immer mehr Adventskalender hergestellt, die die Menschen in den Geschäften kaufen konnten. Der erste gedruckte Weihnachtskalender „Im Lande des Christkinds“ enthielt einen Papierbogen mit 24 farbenprächtigen Zeichnungen zum Ausschneiden und einen Bogen mit 24 Feldern, in die die Kinder die ausgeschnittenen Bildchen einkleben konnten. Ab ca. 1920 kamen die ersten Adventskalender mit Türchen zum Öffnen auf den Markt und der Adventskalender erlangte auch außerhalb von Deutschland immer mehr Bekanntheit.

Als Erfinder des gedruckten Adventskalenders gilt der Münchner Verleger Gerhard Lang. Der schwäbische Pfarrerssohn aus Maulbronn verdankte die Idee dazu seiner Mutter. Sie zeichnete ihm als Kind 24 Kästchen auf einen Pappkarton und nähte auf jedes Kästchen ein „Wibele“, ein kleines Süßgebäck aus Biskuitmasse. So hatten die Kinder jeden Tag zur Adventsandacht eine Süßigkeit.

Von dieser Kindheitserfahrung inspiriert entwickelte Gerhard Lang den Adventskalender weiter und erfreute die Welt 1958 mit dem ersten Schokoladenkalender.
 

 Sarah-Melissa Loewen

Sarah-Melissa Loewen

  |  Redakteurin

Sie hat Literatur- und Kulturwissenschaften studiert und war schon immer von guten Geschichten in Buch und Film begeistert. Doch sie findet, die besten Geschichten schreibt Gott im Leben von Menschen. Als Redakteurin erzählt sie diese inspirierenden Lebens- und Glaubensgeschichten. Sie lebt mit ihrem Mann in der schönsten Stadt am Rhein.

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