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09.11.2023 / Zum Schwerpunktthema / Lesezeit: ~ 3 min

Autor/-in: Joachim Bär

Drei Schrauben und eine gute Nachbarschaft

Was Bretter, Rahmenhölzer und ein wenig Wohlwollen ausmachen. Von Joachim Bär.

Auf der Gartenmauer liegen drei Edelstahlschrauben, 8er Gewinde, 12 Zentimeter lang.

Dass etwas auf der Mauer liegt, ist bei uns nicht ungewöhnlich. Mein Nachbar Erhard (85) und ich nutzen die Gartenmauer zwischen den Häusern als Tauschplatz. Mal stellen Erhard und seine Frau Salatreste für unsere Hühner bereit, mal geben wir Erhard, der auch Imker ist, ein leeres Honigglas zurück. Aber Schrauben?

Da lugt Erhard aus seiner Gartenhütte, wahrscheinlich hat er schon auf ein Lebenszeichen in unsrem Garten gewartet, und ruft rüber: „Joachim, ich habe ein paar Schrauben übrig. Damit kannst du einen Sägebock bauen.“ Habe ich da ein Zwinkern in seinen Augen gesehen?

Ich zähle eins und eins zusammen: Vor wenigen Wochen hat Erhard einige Thujas in seinem Garten gekürzt und mir die Stämme für unseren Kaminofen angeboten. Ich habe natürlich zugesagt und immer wieder ein, zwei kleine Stämme auf den Griffen meiner Schubkarre per Hand kleingesägt. Sicher hat Erhard meine improvisierten Säge-Aktionen mitbekommen. Die Schubkarre war nicht die beste Lösung. Kurzfristig hatte ich aber keine bessere Option. Wie heißen diese Holzgestelle, auf denen man so gut sägen kann? Sägebock, wie ich jetzt weiß.

Nichts weniger als ein wohlwollendes Angebot

Erhard kommt zur Gartenmauer und erklärt mir, dass es nicht viel braucht. Die Schrauben sind ja schon da. „Edelstahl, da rostet nichts“, erklärt er und zählt die weiteren Komponenten auf: sechs Rahmenhölzer von je einem Meter und vier Bretter, gut 80 Zentimeter lang. „Die Kreissäge ist schnell aufgebaut, ich habe alles da“, meint Erhard noch und innerhalb weniger Augenblicke steht das Angebot im Raum: Wir bauen den Sägebock gemeinsam.

Eigentlich habe ich für diesen Samstag schon andere Pläne und brauche einen Moment, um zu verstehen, dass Erhard mir hier nichts weniger als eine gute Gelegenheit eröffnet: Ich würde einen eigenen Sägebock bekommen, mit geringsten Kosten und der Unterstützung von jemandem, der so etwas schon mal gebaut hat.

Heimwerken geht halt nie „mal schnell“

„Gut, wir machen das jetzt. Ich suche das Holz“, willige ich schließlich ein und sammele in Windeseile alle weiteren Materialen zusammen. Wenig später legen wir zwei Heimwerker los. Ich wuchte die Kreissäge aus der Gartenhütte heraus. Die sechs Rahmenhölzer bringen wir rasch auf eine Länge, am oberen Ende sägen wir lange Keile ab, damit die Auflagefläche auch für dickere Hölzer groß genug ist.

Hätte ich an sowas gedacht? Nein, mein Nachbar hat den Plan – und ich die Kraft, die Säge wieder zu verstauen und Erhards Standbohrmaschine aufzubauen. Die Löcher für die Gewindeschrauben sind schnell gebohrt. Mit den Schrauben verbinden wir die Rahmenhölzer und beginnen, die drei umgekehrten V-artigen Konstruktionen mit den Brettern zu verbinden.

Da bemerken wir: Wir haben einen Fehler gemacht. Ich habe die Rahmenhölzer aus Resten zusammengesammelt, und die sind unterschiedlich dick. Das lässt sich mit den geraden Brettern natürlich nicht verbinden, zusammenklappen können wir den Bock auch nicht. Dann fängt es auch noch an zu regnen. Erhard und ich schauen uns in die Augen und ich beschließe: „Lass uns Pause machen. Ich hole ein passendes Rahmenholz aus dem Baumarkt, wir machen das an einem anderen Tag fertig.“

Erfolgreich mit 40 Jahren Altersunterschied

Am folgenden Montag geht alles ganz rasch, nach weniger als einer Stunde klappen wir voller Stolz den Sägebock auf und zu. Schön ist er nicht, dafür aber stabil und fast komplett aus Resten gebaut.

Fakt ist: Ich hätte bis heute keinen Sägebock, hätte mein Nachbar Erhard nicht die Initiative ergriffen und die drei Schrauben auf die Mauer gelegt – und nebenbei das Angebot gemacht, dieses kleine Projekt gemeinsam anzupacken. Ohne meinen Akkuschrauber und die Muskelkraft, um die schweren Werkzeuge aufzubauen und wieder zu verstauen, wären wir aber auch nicht weit gekommen. Mit unseren verschiedenen Stärken haben wir ein äußerst zufriedenstellendes Hilfsmittel erschaffen. Trotz 40 Jahre Altersunterschied. Oder gerade deshalb?

Neben dem Holzbock haben wir derweil noch etwas anderes gebaut: gute Nachbarschaft. Die hat mit Erhard schon vor diesem Projekt angefangen. Der Sägebock ist aber Ausdruck dessen, was entstehen kann, wenn unterschiedliche Generationen an einem Strang ziehen. Es sind wohlwollende Beziehungen, die alle weiterbringen.

Ich denke: Diesen Respekt füreinander und dieses Wohlwollen miteinander segnet Gott. Daran werde ich künftig bei jedem kleinen Baumstamm erinnert, den ich auf dem Sägebock in Brennholz verwandele. Und ich denke schon jetzt darüber nach, welchem jüngeren Nachwuchs-Handwerker ich vielleicht irgendwann helfen kann, seinen eigenen Sägebock zu bauen.

 Joachim Bär

Joachim Bär

Joachim Bär war Unit Lead von erf.de und hat die übergreifenden Themen der redaktionellen Angebote des ERF koordiniert. Er ist Theologe und Redakteur, verheiratet und hat zwei Kinder.

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