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© Simeon Jacobson / unsplash.com

17.11.2021 / Kommentar / Lesezeit: ~ 3 min

Autor/-in: Andreas Odrich

Tag der Schubumkehr

Plädoyer zur Wiedereinführung des Buß- und Bettages als gesetzlichem Feiertag.

 

Der Mittwoch mitten im November steht im Kalender traditionell mit dem sperrigen Namen Buß- und Bettag. Doch seit er vor 26 Jahren bis auf den Freistaat Sachsen als gesetzlicher Feiertag abgeschafft wurde, ist er noch weniger im Bewusstsein der Menschen als früher.

Dabei könnten wir so einen gemeinsamen Tag zum Innehalten dringend gebrauchen, meint Andreas Odrich von der ERF Aktuell-Redaktion in seinem Kommentar.
 

Die Sachsen tun mir richtig leid. Denn sie werden schlecht gepflegt. Zumindest, wenn man dieser Logik folgt:  In Sachsen ist der Buß- und Bettag noch immer gesetzlicher Feiertag, und der wurde vor nunmehr 26 Jahren bundesweit abgeschafft, um die Pflegeversicherung mitzufinanzieren. Ergo müssten die Sachsen schlechter gepflegt werden als der Rest der Deutschen.

Natürlich werden sie das nicht. Sie sind im Pflegefall genauso gesund oder krank wie alle anderen. Aber schlauer sind sie schon. Denn Sie haben damals standhaft an etwas festgehalten, das wir doch bitte wenigstens einmal im Jahr brauchen:

Einen gemeinsamen Feiertag zum Innehalten und zum Bilanz ziehen. Einen Tag zum Durchatmen. Ja, und auch einen Tag, um Selbstkritik zu üben. Auch wenn wir in einer sogenannten Spaßgesellschaft leben: wäre das wirklich zu viel verlangt, wenn wir einen Tag von 365 dem Nachdenken widmen?

Herausforderungen besser bewältigen

Ich glaube, die Wiedereinführung eines solchen Feiertages wäre äußerst hilfreich. Denn die Herausforderungen, unter denen wir derzeit stehen, zerreißen uns fast; jeden einzelnen aber auch unsere Gesellschaft: Corona, Klimakrise, Polarisierung, internationale Konflikte, digitale Revolution. Und auch im persönlichen Umfeld ist es nicht anders: Menschen entzweien sich, sind wegen der schlingernden Coronamaßnahmen verunsichert oder wütend, haben wegen der wirtschaftlichen Unsicherheiten Angst, finden sich nicht mehr zurecht in der sich immer schneller wandelnden Welt. Die Folge: wir werden aggressiver, unleidlicher, ängstlicher und unduldsamer.

Kreativ selbstbesinnen

Da kann Selbstbesinnung und Besinnung auf die anderen nur helfen. Und für Menschen mit einem religiösen Hintergrund: Besinnung auf Gott. Ich erinnere mich noch an Zeiten, zu denen der „Buß- und Bettag“ gesetzlicher Feiertag war. Ehrlich gesagt hat der November fast immer das entsprechend graue, nasskaltes Wetter dazu geliefert. Aber es war dennoch ein Tag der Ruhe, eingebettet zwischen Volkstrauertag und Ewigkeitssonntag, bevor es losging mit der ach so trubeligen, „besinnlichen“ Adventzeit. Ich erinnere mich noch an die Zeit, als ich bei der Berliner Stadtmission als Pressesprecher tätig war, als wir mit interessanten Künstlerinnen und Künstlern besondere Gottesdienste gestaltet haben, stadtweit plakatiert – als kleines Ausrufezeichen, dass man mit diesem Buß- und Bettag durchaus etwas Kreatives anfangen kann. Aber ich muss gar nicht in Nostalgie baden. Derzeit gibt es in den Sozialen Netzwerken eine Kleinserie: Totenschein. Hier werden anhand der Geschichte von der Auferweckung des Lazarus Themen wie Leben, Tod, Umkehr und Hoffnung thematisiert. Das kann ich mir überall und jederzeit in Ruhe anschauen. Zwei Beispiele, die zeigen, dass ein Buß- und Bettag eben nicht nach Asche schmecken muss. Von Jesus selbst wird berichtet, dass er sich immer wieder zum Beten und Fasten zurückgezogen hat, und die Evangelien rufen wiederholt zur Buße und Besinnung auf, weil das Neuordnen des eigenen Lebens und das Neubesinnen auf Gott einfach lebensnotwendig sind.

Altes abstreifen

Also, her mit dem neuen, guten alten Buß- und Bettag. Ja! Man kann und man muss ihn sicherlich auch anders nennen, damit er einladender wird. Mein Kollege Oliver Jeske hat dazu einen schönen Vorschlag gemacht. Er würde diesen Tag „Tag der Schubumkehr“ nennen. Denn das Wort Buße heißt im Tanach, der hebräischen Bibel, „Schub“. Für uns übertragen hieße dies:

Gottes Gnade als Programm

Ich gehe nicht auf dem bisherigen Weg weiter, sondern kehre um, lasse ab von meinen Verhärtungen, meinen Ängsten, meinen Vorurteilen, meinem Hang, mich abzuschotten. Wie beim Flugzeug leite ich eine Schubumkehr ein, damit ich nicht mit einem Totalschaden hinter der Landebahn ende. Ich gebe neuen Raum für Liebe, für Großzügigkeit, für Barmherzigkeit. Ich gebe Raum für Gottes Gnade, für mich, für andere.

Natürlich. Damit sind noch nicht alle Probleme gelöst. Aber die Haltung, mit der ich zukünftig an die Dinge und an das Leben herangehe, ist eine komplett andere. Schubumkehr mit Gottes Barmherzigkeit als Programm. So ein Feiertag wäre doch wirklich eine feine Sache und ließe uns alle gepflegt in die nächsten Wochen und Monate mit ihren riesigen Herausforderungen gehen.

 Andreas Odrich

Andreas Odrich

  |  Redakteur

Er verantwortet die ERF Plus-Sendereihe „Das Gespräch“. Er ist verheiratet, hat drei Kinder und ist begeisterter Opa von drei Enkeln. Der Glaube ist für ihn festes Fundament und weiter Horizont zugleich.

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Kommentare (1)

Anita /

Super klasse Kommentar zu diesem Tag - vielen Dank - unters Volk damit :-)

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