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© Michael Reichel / TSK

11.05.2017 / Interview / Lesezeit: ~ 3 min

Autor/-in: Regina König-Wittrin

Die LINKE, der Reformator und der Ministerpräsident

Bodo Ramelow über Luther, Gebet und das Kreuz im Klassenzimmer

Als Linker und Christ sitzt er zwischen den Stühlen: Bodo Ramelow, Ministerpräsident des Freistaates Thüringen. Jetzt feiert sein Bundesland 500 Jahre Reformation. Was der LINKEN-Politiker von Luther hält, wie er sich Gott vorstellt und wie er dem kirchenfeindlichen Erbe seiner Partei gegenüber tritt - Regina König hat mit Bodo Ramelow gesprochen in der Staatskanzlei in Erfurt.

 

ERF: „Ich bin eine Provokation!“ – sagen Sie über sich selbst. Sie sind der erste und bisher einzige Ministerpräsident, den die Partei „Die Linke“ in einem Bundesland stellt und gleichzeitig sind Sie bekennender Protestant. Provozieren als Protestant – klingt nach Martin Luther. Ist er Ihr Vorbild?
 

Bodo Ramelow: Natürlich habe ich einen inneren Bezug zu Martin Luther. Er war für die damalige Amtskirche eine Provokation. Und ich bin Mitglied einer Partei, die Verant­wortung dafür trägt, dass meine Glaubensgeschwister in der DDR schwere Diskriminierung erleben mussten. Deswegen bin ich eine Provokation in meiner Partei.

 

ERF: Auch wenn die Mitgliederzahlen der Kirchen schwinden, noch sind in Deutschland knapp 50 Millionen Menschen konfessionsgebunden. Klar ist: die Kirchen vermitteln nicht nur bindende Werte innerhalb unserer Gesellschaft, sie sind auch Träger zahlloser sozialer Einrichtungen. Trotzdem: weite Teile Ihrer Partei „Die Linke“ wollen die Kirchensteuer abschaffen.

 

Bodo Ramelow: Als 2013 im Bundestagswahlprogramm diese Forderung in sehr verkürzter Form auftauchte, bin ich aufgestanden in Luther’schem Sinne und sagte: „Hier steh ich und kann nicht anders.“ Ich habe demonstrativ gegen das eigene Programm gestimmt, weil ich nicht gegen mein Gewissen arbeite. Ich bin aber gewillt, über Kirchensteuer zu reden. Italien kennt z.B. Alternativen. Dort entscheidet der Steuerbürger, was mit dem Geld geschieht und wie es angelegt wird.  Und ich hätte Lust, und es wäre mir ein Vergnügen, zuallererst innerhalb der Kirche solche Themen offensiver anzupacken.

Kein Kreuz im Klassenzimmer

 

ERF: Grundsätzlich hat sich „Die Linke“ eine Entflechtung von Staat und Kirche auf die Fahnen geschrieben. Wo stecken denn Ihrer Meinung nach die beiden noch zu sehr die Köpfe zusammen?

 

Bodo Ramelow:  Zum Beispiel stelle ich in Frage, ob man staatliche Institutionen mit religiösen Zeichen ausstatten darf. Ich bin bekennender Christ und trotzdem sage ich: in einen staatlichen Raum, ob Gerichtssaal oder Klassenzimmer, gehört kein religiöses Zeichen an die Wand. Ich möchte aber nicht die religiösen Zeichen der Person verbieten. Deswegen muss man abwägen: an welchen Stellen zieht man die Grenze? Das Grundgesetz garantiert auf jeden Fall die Religionsfreiheit.

Mit den Herrnhuter Losungen in Verhandlungen

 

ERF: Im März hatten Sie zusätzlich zu Ihrem Amt als Ministerpräsident noch einen Job: Sie waren Schlichter bei den Tarifverhandlungen zwischen der Deutschen Bahn und der Lokführergewerkschaft GDL. Anders als vor zwei Jahren, als die kleine Gewerkschaft mit ihrem Streik unser halbes Land lahmgelegt hat, hat diesmal die Öffentlichkeit wenig von den Verhandlungen mitbekommen, denn: die Schlichtung ist erfolgreich verlaufen. Und Sie sagen: daran hatten auch die Herrnhuter Losungen ihren Anteil. Wie kann ich das verstehen?

 

Bodo Ramelow: Genauso wie ich das gesagt habe. Ein Teilnehmer der Schlichtungsrunde hatte die Herrnhuter Losungen als App auf seinem Handy. Ich habe sie mir voller Begeisterung auch gleich ´runtergeladen. Jeden Tag haben wir mit den Losungen begonnen. Dass es gelungen ist, die Tarifverhandlungen zu schlichten, na, drücken wir es mal so aus: die Herrnhuter Losungen waren immer dabei und haben die Atmosphäre geprägt.

 

ERF:  Beten Sie vor solchen Verhandlungen?

 

Bodo Ramelow: Es kann sein, dass ich mich wie in dieser Schlichtung kurz zurückziehe und ein paar Minuten für mich selber brauche - ohne dass jemand bemerkt, dass ich einen stillen Dialog führe.  Beten ist für mich eine sehr persönliche Art, mit Gott in Kontakt zu treten. Und die Beziehung zu ihm gibt mir Kraft in solch scheinbar ausweglosen Situationen.

ERF: Vielen Dank für das Gespräch.


Den zweiten Teil des Interviews können Sie hier nachlesen.

 Regina König-Wittrin

Regina König-Wittrin

  |  Redakteurin

Für ERF Plus in Mitteldeutschland unterwegs. Sie ist verheiratet und hat vier Kinder.

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