Navigation überspringen
© BruceEmmerling / pixabay.com

03.05.2017 / Interview / Lesezeit: ~ 3 min

Autor/-in: Michael Klein

Freie Medien sichern die Freiheit

Freie Berichterstattung zunehmend bedroht.

 

Was ist Wahrheit? Pilatus sagt diesen Satz, als er sich den „alternativen Fakten“ der Volksmenge beugt und ein ungerechtes Todesurteil fällt. Ein klassischer Fall von gelenkter, manipulierter Meinung. Dass es in immer mehr Ländern keine freie Berichterstattung mehr gibt, daran wird heute, am Welttag der Pressefreiheit erinnert.

ERF: Michael Klein – eigentlich müsste es in einer so vielgestaltigen Medienlandschaft doch unmöglich sein, die Wahrheit unter den Teppich zu kehren. Warum nimmt das erschreckend zu?

Michael Klein: Das ist ein sehr vielschichtiges Terrain. Nur die wesentlichsten Aspekte:

Die Zahl der Informationsquellen nimmt rasant zu. Und der Empfänger einer Information kann kaum noch beurteilen, wie zuverlässig seine Quelle ist. Oder er nimmt nicht gar nicht mehr wahr, ob eine Meldung von der Tagesschau oder „Russia Today“ kommt, ob sie in der FAZ oder in einem privaten Internet-Blog steht.

Ein zweites Phänomen: Die journalistische Qualität ist im Sinkflug. Immer mehr Journalisten sind prekär beschäftigt. Sie müssen „Knaller“ liefern, um ihre Texte zu verkaufen. Da wird dann die Wirklichkeit gern verbogen. Hinzu kommen noch die ganzen Möchtegern-Journalisten, die ihre schlecht recherchierten oder bewusst falschen Meldungen über die so genannten „sozialen Medien“ verbreiten.

Als Drittes: Es muss alles schnell gehen. Einer schreibt vom anderen ab.

Die vielen Freiberufler haben gar nicht die Zeit, den Wahrheitsgehalt einer Information zu überprüfen. Das heißt für den Empfänger: Er selber muss prüfen, wie vertrauenswürdig die Quelle ist, aus der eine Nachricht stammt. Und damit ist er oft überfordert. Genau das macht ihn anfällig für Falschmeldungen und Manipulation.

Medien: Mittel zur Machtsicherung

ERF: Warum sind es vor allem Regierungen, die versuchen, eine freie Presse zu steuern? Und – gibt es das auch in Deutschland?

Michael Klein: Medien sind nicht nur ein Mittel, um die Macht zu erhalten. Positive mediale Präsenz ist vor allem ein Mittel, um überhaupt an die Macht zu kommen. Wer Macht haben will, muss zuerst Medienmacht gewinnen. Das wusste bereits Adolf Hitler. Er hat die Monopolstellung des Hugenberg-Konzernes in den frühen 30er Jahren ausgenutzt, um seine Thesen so populär zu machen, dass er die Reichstagswahlen gewonnen hat. Menschen in einer Demokratie stimmen für die absurdesten Sachen, wenn ihnen die Medien einhämmern, das seien gute, staatstragende Dingen, die ihnen Frieden und Wohlstand bescheren. In der Türkei haben wir das gerade erlebt. Aber wir müssen nicht so weit gehen: In Ungarn und Polen versuchen die Regierungen gerade massiv, den Journalisten Maulkörbe umzuhängen oder sie zu Sprachrohren der Regierungspolitik zu machen.

Und auch bei uns versuchen ja Regierung und Opposition, besonders in Wahlkampfzeiten, die Menschen mit Scheindebatten zu beschäftigen, um von den wirklich relevanten Fragen abzulenken. Aktuelles Beispiel dafür ist die unsägliche Diskussion um die Maut. Da geht es um das, was ein CSU-Politiker mal treffend „Lufthoheit über den Stammtischen“ nannte. Und viele – zum Glück nicht alle – Medien fahren darauf ab, statt das als beschäftigungstherapeutische Maßnahme für das Wählervolk zu entlarven.

Nur Qualitätsmedien bieten Qualität

ERF: Was kann denn jeder Bürger tun, um sich über das zu informieren, was wirklich wahr ist?

Michael Klein: Sich aus Qualitätsmedien unterschiedlicher Orientierung informieren. Wer z.B. die eher konservative FAZ liest und dann parallel dazu die eher liberale SZ, ist m.E. gut informiert. Das ist natürlich zeitraubend. Und da greift man gern zu leicht verdaulichen Info-Häppchen. Dabei ist die aktive Teilnahme am öffentlichen Diskurs schwere Kost. Zum Glück haben Qualitätsplattformen im Radiobereich wie der Deutschlandfunk, HR Info oder BR 5 aktuell den Anspruch auf journalistische Sorgfalt und Vielfalt nicht aufgegeben. Und es gibt erfreulicher Weise Nachfrage für solche Programme.

Auf keinen Fall dürfen wir jedem Tweet auf irgendeiner Netzplattform hinterherlaufen. Diesen Herdentrieb nutzt der US-Präsident gerade aus, indem er seine „alternativen Fakten“ unter die Leute bringt. Zum Glück ist er ein schlechter Lügner. Aber er findet offenbar Anhänger genug.

Freiheit ist immer Pressefreiheit. Und wenn die Freiheit stirbt, dann ist die Pressefreiheit bereits tot. Das müssen auch wir Journalisten immer wieder laut und deutlich und mutig sagen. Nicht nur an diesem Tag.

ERF: Danke, für diese Hintergrundinformationen, Michael Klein.

 

Ausführliche Infos zum Thema Presse-/Informationsfreiheit finden Sie auch auf der Seite der Reporter Ohne Grenzen.

Ihr Kommentar

Die E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.
Alle Kommentare werden redaktionell geprüft. Wir behalten uns das Kürzen von Kommentaren vor. Ein Recht auf Veröffentlichung besteht nicht.

Kommentare (1)

Hesekiel /

Es wäre schön, mal jemand anderes zu hören als diesen Agitpropper Michael Klein. Warum nicht mal Bettina Röhl, Henryk Broder oder Roland Tichy. Das sind erfahrene, gestandene Journalisten, die mehr

Das könnte Sie auch interessieren