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15.07.2016 / Serviceartikel / Lesezeit: ~ 7 min

Autor/-in: Rebecca Schneebeli

Kinderzimmer 2.0

Wie bringe ich meinem Kind einen verantwortungsvollen Umgang mit modernen Medien bei? Tipps für Eltern.

„Mama, ich wünsche mir ein Smartphone!“ Diese Aussage fürchten viele Eltern. Denn sie sind sich zum Einen bewusst, dass zu viel Technik durchaus negative Auswirkungen auf die Kinder haben kann. Zum Anderen scheuen sie sich, den Kindern diesen Wunsch zu verwehren aus Angst, dass ihre Kinder den Umgang mit elektronischen Geräten nicht rechtzeitig lernen. Doch gehören Smartphones, Tablets und Co tatsächlich ins Kinderzimmer? Wie können Kinder den Umgang mit den neuen Medien und sozialen Netzwerken erlernen, ohne Schaden daran zu nehmen?

Über diese Fragen haben sich die Autoren Gary Chapman und Arlene Pellicane intensiv in ihrem Ratgeber „Kinderzimmer 2.0 – Erziehung im digitalen Zeitalter“ Gedanken gemacht. Eine ihrer wichtigsten Erkenntnisse dabei ist: Den Umgang mit moderner Technik lernen Kinder spielend – auch wenn sie nicht schon mit 8 Jahren ihr erstes Smartphone oder den ersten eigenen Computer haben. Das heißt: Ein später Einstieg in die Mediennutzung ist kein Nachteil, sondern eher ein Vorteil für Kinder. Denn es kann in anderen Lernbereichen zu massiven Defiziten kommen, wenn Kinder ihre freie Zeit hauptsächlich vor Bildschirmen verbringen.

Bildschirmkonsum verändert das Gehirn und die Konzentrationsfähigkeit

Das liegt einerseits daran, dass wichtige Fähigkeiten im menschlichen Zusammenleben wie Wertschätzung und Zuneigung ausdrücken, Anteilnahme zeigen und sich entschuldigen nicht über Bildschirme gelernt werden können. Für diese essentiellen zwischenmenschlichen Fähigkeiten ist es nämlich notwendig, dass Kinder regelmäßige persönliche Begegnungen mit anderen Kindern und Erwachsenen haben und täglich einüben, wie ein wertschätzendes Miteinander aussieht.

Andererseits sind Defizite im zwischenmenschlichen Miteinander nicht die einzigen Nachteile, die übermäßiger Medienkonsum bei Kindern haben kann, denn es kommt auch zu Veränderungen im Gehirn. So stimulieren etwa Computerspiele das Lustzentrum im Gehirn so stark, dass das Kind einen immer höheren Dopaminspiegel braucht, um die gleiche Freude zu empfinden. Das kann im schlimmsten Fall dazu führen, dass das Kind am normalen Spielen mit anderen keinen Spaß mehr hat oder sich eine Bildschirmsucht entwickelt. Zudem lässt übermäßiger Bildschirmkonsum den Stresshormonspiegel ansteigen, wodurch es zu Schlafstörungen kommen kann. Daher ist es ratsam, dass Kinder nicht direkt vor der Schlafenszeit fernsehen oder auf dem Smartphone herumspielen.

Aber auch kognitive Fähigkeiten können unter zu viel Bildschirmkonsum leiden. So kann etwa das Lesen am Bildschirm zu einer Änderung der Lesegewohnheiten führen. Wer schon in frühen Jahren Texte hauptsächlich am Bildschirm liest, gewöhnt sich an, diese nur noch zu „scannen“ und nicht aufmerksam durchzulesen. Auch insgesamt leidet die Konzentrationsfähigkeit von Kindern durch zu viel Bildschirmkonsum.

Klare Regeln zum Medienkonsum schaffen

Heißt das nun, dass man seinen Kindern bis zu einem gewissen Alter den Umgang mit moderner Technik komplett verbieten sollte? Nicht unbedingt, denn dies ist in unserer durchtechnisierten Gesellschaft eher utopisch. Doch Chapman und Pellicane raten dazu, dass Eltern sich schon im Vorfeld überlegen, wann ihr Kind welche Geräte nutzen darf und unter welchen Voraussetzungen. Grob teilen sie dies so ein: Babys und Kleinkinder sollten noch gar nicht mit technischen Geräten wie Smartphones oder Tablets beschäftigt werden. Bei älteren Kindern liegt es an den Eltern, feste und klare Rahmenbedingungen für den Medienkonsum zu schaffen. Diese sollten am besten mit den Kindern vereinbart werden, bevor das Handy oder Smartphone gekauft wird.

Einige hilfreiche Regeln hierfür können sein:

1. Die tägliche Bildschirmzeit wird auf einen festen Zeitrahmen begrenzt und das Handy / Smartphone darf vor dem Schlafengehen nicht mit ins Kinderzimmer genommen werden.

2. Während der gemeinsamen Mahlzeiten wird das Smartphone weggelegt.

3. Es wird vorher mit dem Kind vereinbart, wofür es das Handy benutzen darf; zum Beispiel, welche Apps es installieren darf und wieviel Geld es im Monat auf seinem Handy zur Verfügung hat.

4. Die Eltern haben das Recht, diese drei Punkte regelmäßig zu kontrollieren und das Smartphone bei Nichteinhaltung der Regeln zu konfiszieren.
 

Natürlich können solch strikte Regeln auf den Protest der Kinder stoßen, doch die Autoren raten dazu, sich als Eltern auf keinen Fall von den Kindern unter Druck setzen zu lassen, nur weil andere Familien es vielleicht anders handhaben. Denn die Eltern sind für ihr Kind verantwortlich und haben das Recht und die Pflicht, Regeln für das familiäre Miteinander aufzustellen – und dazu gehört auch der Medienkonsum der Kinder.

Seien Sie Vorbild!

Diese medienfreie Zeit lässt sich übrigens wunderbar nutzen, um gemeinsam mit den Kindern etwas zu unternehmen. Überlegen Sie sich, wie Sie diese Zeit so füllen können, dass sie sich als Familien näher kommen. Veranstalten Sie zum Beispiel einen gemeinsamen Spieleabend oder machen Sie einen Schwimmbadbesuch. Wenn Ihre Kinder merken, dass man auch ohne Smartphone und Whatsapp eine gute Zeit haben kann, werden Sie Ihre Regeln bereitwilliger akzeptieren.

Ganz wichtig ist bei allen Regeln aber auch das eigene Vorbild. Wenn Sie während des Abendessens mit Ihren Freunden chatten oder den Feierabend noch für berufliche Mails nutzen, wird Ihr Kind das als ungerecht empfinden. Daher bemühen Sie sich als Eltern darum, selbst ein Vorbild in Sachen Medienkonsum zu sein. Denn: „Das, was wir in digitaler Hinsicht vorleben, ist wichtiger als das, was wir über Bildschirmzeit sagen.“

Entscheidend ist dabei auch, dass beide Elternteile sich darauf verständigen, was das Kind darf und was nicht, und diese Regeln von beiden Elternteilen gleich gehandhabt werden. Denn Kinder scheuen sich selten, ihre Eltern zu ihrem eigenen Vorteil gegeneinander auszuspielen. Geben Sie ihnen daher erst gar keine Chance dazu, sondern seien Sie klar in Ihren Vorgaben! Dann wird Ihr Kind Sie respektieren, auch wenn es sich über die eine oder andere Regel ärgern mag.

Aufklärung über Gefahren darf nicht zu kurz kommen

Neben klaren Regeln ist es für Kinder entscheidend, dass sie über Gefahren der Mediennutzung aufgeklärt werden und einen verantwortlichen Umgang damit erlernen. Das bedeutet, dass Sie Ihren Kindern nicht nur Vorgaben zur Mediennutzung machen, sondern sie auch über mögliche Gefahren aufklären.

Dies umfasst mehrere Punkte:

1. Klären Sie Ihre Kinder über die Notwendigkeit des Datenschutzes auf! Es ist wichtig, dass Kinder verstehen, dass das, was sie in sozialen Netzwerken wie Facebook oder Whatsapp weitergeben, häufig für jedermann sichtbar ist und sie selbst keinen Einfluss mehr darauf haben, wer es liest oder sieht. Gerade bei älteren Kindern sollte man hier auch auf die Gefahren des Sextings hinweisen und deutlich machen, welche Folgen es haben kann, anzügliche Bilder zu verschicken. Zudem sollte man Kindern klar sagen, welche Daten sie nicht an Fremde weitergeben dürfen.

2. Klären Sie Ihre Kinder darüber auf, dass es Menschen gibt, die ihnen online Schaden zufügen wollen, und halten Sie sie dazu an, Ihnen jeden Vorfall dieser Art zu melden! Diese Aufklärung sollte sowohl das Problem des Cyber-Mobbings als auch Abzockangebote oder Annäherungsversuche von Sexualstraftätern beinhalten. Machen Sie Ihren Kindern nicht unnötig Angst, aber machen Sie sie wachsam für diese Gefahren.

3. Auch Pornografie kann – je nach Alter – zu einem Thema für Ihr Kind werden. Davor werden Sie Ihr Kind nicht ganz schützen können, denn gerade Teenager sind ab einem gewissen Alter sehr neugierig. Doch auch hier können klare Richtlinien helfen. Unterstützend kann eine Kindersicherungssoftware auf PC oder Smartphone dazu beitragen, dass Ihre Kinder sich nicht unangemessene Inhalte anschauen. Entscheidender als solche technischen Hilfsmittel oder Verbote ist aber die Bereitschaft, Ihrem Kind offen und ehrlich Rede und Antwort dazu zu stehen, wieso Sie pornografische Inhalte nicht für angemessen halten. Daher scheuen Sie nicht das Gespräch, sondern seien Sie für die Fragen Ihres Kindes in diesem Bereich offen!

Ein Umfeld der Geborgenheit schaffen

Es gibt viel zu beachten, damit Kinder eine angemessene Mediennutzung erlernen. Doch wichtiger noch als die Frage: „Wie gehen wir in unserer Familie mit Medien um?“ ist die Frage „Wie gehen wir in unserer Familie miteinander um?“ Ein Kind, dem Zuneigung und Aufmerksamkeit entgegengebracht werden, wird weniger versucht sein, sich vor einen Bildschirm zu flüchten als ein Kind, das in seinem Elternhaus Ablehnung oder ständige Konflikte erlebt. Das heißt: Je positiver und wertschätzender Sie das Umfeld Ihres Kindes gestalten, desto geringer ist die Gefahr, dass es sich vor einen Bildschirm flüchtet. Geben Sie daher Ihrem Kind die Zuneigung, der es bedarf, selbst wenn es nach einem harten Arbeitstag anstrengend für Sie ist.

Das muss die Nutzung von Medien nicht unbedingt ausschließen. Es kann auch die Zusammengehörigkeit als Familie stärken, wenn Sie gemeinsam auf dem Sofa bei Popcorn und Chips einen lustigen Animationsfilm schauen. Doch wo Mediennutzung den Rückzug von anderen Familienmitgliedern zur Folge hat, versuchen Sie als Ausgleich Arten der gemeinsamen Unterhaltung zu suchen, die eine Verbindung zwischen Ihnen und Ihrem Kind schaffen.

Dabei ist ganz entscheidend, dass Sie mitbekommen, wie es Ihrem Kind in seinem sonstigen Umfeld geht. Hat es Freunde in seiner Klasse oder fühlt es sich eher ausgeschlossen? Ist es regelmäßig bei anderen Kindern zu Besuch oder lädt es Kinder zu sich nach Hause ein? All dies sollten Sie als Eltern wissen und versuchen, positive Impulse zu geben, damit Ihr Kind Gleichaltrige hat, mit denen es spielen kann. Denn auch soziale Einsamkeit kann zu einem erhöhten Medienkonsum führen. 

 Rebecca Schneebeli

Rebecca Schneebeli

  |  Redakteurin

Rebecca Schneebeli ist Literaturwissenschaftlerin und arbeitet nebenberuflich als freie Lektorin und Autorin. Die Arbeit mit Büchern ist auch im ERF ihr Steckenpferd. Ihr Interesse gilt hier vor allem dem Bereich Lebenshilfe, Persönlichkeitsentwicklung und Beziehungspflege. Mit Artikeln zu relevanten Lebensthemen möchte sie Menschen ermutigen.

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