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© Alexander Klaus/ pixelio.de

31.01.2013 / Interview / Lesezeit: ~ 7 min

Autor/-in: Rebecca Schneebeli

Facebook nutzen statt verteufeln

Wie präsentiere ich meine Gemeinde in Facebook und was ist dabei zu beachten? Sanjay Sauldie, Experte für Social Media Marketing, gibt Antwort auf diese Fragen.

Soziale Netzwerke wie Facebook und Twitter werden immer wichtiger. Wie können Gemeinden dieses Potenzial ausschöpfen? ERF Online hat mit Sanjay Sauldie, Direktor des Europäischen Internet Marketing Institutes und der Akademie in Mannheim, gesprochen. Sauldie ist der Ansicht, dass gerade Jugendliche nur darauf warten, dass man mit ihnen auf diesem Weg in Kontakt tritt.

ERF Online: Es gibt immer mehr Gemeindegruppen, die Facebook für sich nutzen. Was müssen Betreuer für gemeindliche Facebook-Seiten beachten, wenn sie Hinweise oder Bilder zu Veranstaltungen posten?

Sanjay Sauldie: Eigentlich müsste man bereits bei Gottesdienstfotos alle Gemeindeglieder um ihre Erlaubnis fragen, bevor man das Bild auf Facebook stellt. Eine andere Möglichkeit wäre am Eingang zu schreiben: „Hier wird fotografiert. Wenn Sie nicht damit einverstanden sind, sagen Sie uns Bescheid.“ Dann kann man die Bilder entsprechend schwärzen und der Besucher weiß sofort: „Vorsicht, du wirst fotografiert. Mach nichts, von dem du nicht willst, dass die Menschheit es sieht.“

ERF Online: Müssen die Betreuer einer Gemeinde-Facebookseite auch dafür sorgen, dass andere Gruppenteilnehmer keine Bilder einstellen, die gegen das Persönlichkeitsrecht verstoßen?

Sanjay Sauldie: Bei Facebook ist immer derjenige für das Bild verantwortlich, der es hochlädt. Es gilt also das Verursacher-Prinzip. Sonst könnten Einzelnutzer ja Unternehmen oder anderen Organisationen wie Gemeinden schaden, indem sie Bilder hochladen, die copyright-geschützt sind. Dennoch sollte eine Gemeinde, wenn sie eine Facebookseite hat, in ihrem Impressum erwähnen, dass sie die Rechte der Bilder besitzt und dass man andere Bilder von Nutzern auf Wunsch löschen wird. Denn Bildrechte sind für soziale Netzwerke ein wichtiges Thema, denn bei vielen gemeindlichen Veranstaltungen wie Hochzeiten oder auch Taufen werden Fotos gemacht. Da muss man im Vorfeld abklären, ob man Bilder machen darf. Und dafür müssen alle Gäste ihre Zustimmung geben.

„Ich muss meine Kommunikation auf die Zielgruppe ausrichten!“

ERF Online: Die Sprache bei Facebook oder Twitter ist eine andere als im direkten Kontakt. Was sollte eine Gemeinde, die auf Facebook aktiv werden will, in Bezug auf die Kommunikation über soziale Netzwerke beachten?

Sanjay Sauldie: Es wäre unter Umständen sinnvoll mehrere Fanpages auf Facebook anzubieten: Eine für die Generation 40-/50plus, eine für Jugendliche unter Zwanzig und eine für die Generation dazwischen. Denn die Sprache der Altersgruppen unterscheidet sich stark.

Wenn ich versuche, alles auf einer Seite unterzubringen, kann es sein, dass auf meiner Seite ein 18-Jähriger und ein 60-Jähriger in völlig unterschiedlichen Sprachen miteinander kommunizieren. Das Ergebnis ist: Beide sind geschockt. Im schlimmsten Fall vergraule ich beide Zielgruppen. Wenn ich Jugendliche ansprechen will, brauche ich eine andere Seite als für die Generation 50plus. Ich muss meine Kommunikation auf die Zielgruppe ausrichten.

ERF Online: Eine Gemeinde, die auf Facebook aktiv werden möchte, muss also eine Fanpage für die Jugendgruppe und eine für die allgemeine Gemeinde haben, weil die Jugendlichen sich nicht von der Gemeindeseite angesprochen fühlen werden?

Sanjay Sauldie: Genau, man sollte auch andere Bilder auswählen und eine Bilderwelt nutzen, die zu der Zielgruppe passt. Gut wäre es, die Jugendleiter dafür auszubilden, dass sie auf der Jugendfanpage als Ansprechpartner und Administratoren zur Verfügung stehen. Dann hätte man die Aufgabe auf mehrere Schultern verteilt.

Der gebürtige Inder Sanjay Sauldie,Direktor des Europäischen Internet Marketing Institutes und der Akademie, hat Informatik und Mathematik studiert und wurde bereits mit dem „Golden Web Award“  ausgezeichnet. (Bild: Rebecca Theis)

„Wichtig ist, in den offenen Dialog zu treten.“

ERF Online: Jugendliche kommunizieren viel über soziale Netzwerke. Bietet eine solche Seite nicht auch eine zusätzliche Chance für die Jugendleiter, mit den Jugendlichen ins Gespräch zu kommen?

Sanjay Sauldie: Natürlich, denn dadurch dass der Leiter auf dem gleichen Kanal kommuniziert, den ich als Jugendlicher nutze, erscheint er kompetent. Er signalisiert dem Jugendlichen: „Hey, ich bin für dich da. Wenn du nachts um drei Lust hast, mit mir in Kontakt zu treten, komm auf die Fanpage und schreib mich an.“ Ich bin mir sicher, dass die nächste Generation nur darauf wartet, mit den Menschen, denen sie vertrauen, auf diese Weise zu kommunizieren. Und sei es nur, dass der Jugendliche eine kurze Frage stellt und der Leiter, wenn es um Details geht, anbietet: „Schick mir doch eine Mail.“

ERF Online: Aber es wäre wichtig, dass der Jugendleiter persönlichere Gespräche wieder aus dem Social Web auf einen anderen Kanal umlenkt?

Sanjay Sauldie: Absolut, der Jugendleiter muss beurteilen können, wann er ein Gespräch vom Social Web auf ein persönliches Gespräch oder eine Mail umlenken sollte, weil es zu intim wird. Aber er hat bei Facebook den Grundstein der Kommunikation gelegt und dadurch eine Verbindung geschaffen, die es vorher nicht gab. Niemand würde blind jemandem eine Email schreiben, aber über Facebook fällt das leichter.

ERF Online: Sie deuteten es bereits an: Nicht alle Gespräche gehören ins Social Web. Aber gerade Jugendliche teilen auf Facebook oft sehr private Details. Wie können Eltern, aber auch Jugendleiter Heranwachsende für dieses Thema sensibilisieren?

Sanjay Sauldie: Wichtig ist, in den offenen Dialog zu treten. Jugendleiter müssen sich selbst fortbilden, damit sie auf die Fragen der Jugendlichen reagieren können. Es gibt nichts Schlimmeres als wenn ein Jugendlicher merkt, dass der Leiter keine Ahnung von dem Thema hat, über das er spricht.

Wichtig sind auch Beispiele. Man kann den Jugendlichen Yasni zeigen, wo sie sich selbst googeln können. Denn es gibt Jugendliche, die keine Jobs bekommen, weil bei Yasni Schlüsselworte wie Komasaufen mit ihnen verbunden werden. Und da reicht ein Kommentar in irgendeinem sozialen Netzwerk ala „Mein Freund geht zum Komasaufen und ich mache mir Sorgen.“ Schon dann wird das Wort Komasaufen mit diesem jungen Menschen verbunden und bei Yasni angezeigt. Wenn nun ein Personalchef sieht, dass solche Schlüsselworte mit einem Bewerber verbunden werden, dann entscheidet er sich logischerweise gegen den Bewerber.

Wir müssen den Jugendlichen zeigen, dass wir das Medium selbst nicht verteufeln, ihnen aber helfen wollen, sich besser zu schützen, wenn sie diese Netzwerke benutzen.

„Die Kommunikation wird kürzer, schneller und kompakter“

ERF Online: Wir sprachen bereits über das Thema der unterschiedlichen Kommunikation im Social Web. Die Chatsprache hat bereits die direkte Kommunikation verändert. Gibt es diese Tendenz auch bei Facebook und Twitter?

Sanjay Sauldie: Auf jeden Fall, die Kommunikation wird kürzer, schneller und kompakter. Und gerade Jugendleiter sollten sich aktuelle Abkürzungen aus dem Social Web aneignen, weil sie sonst nicht als authentisch wahrgenommen werden. Der Jugendleiter muss mit den Abkürzungen kommunizieren können, die die Jugendlichen seiner Jugendgruppe nutzen. Auch wenn ständig neue Begriffe dazukommen, sollte er bei den wichtigsten Abkürzungen wissen, was sie bedeuten. Denn solche Kürzel verändern die Kommunikation, auch in der SMS-Welt. Wir haben nicht mehr die Zeit alles auszuschreiben, deshalb tippen wir einfach diese Kurzbefehle ein.

ERF Online: Gibt es die Tendenz, dass man sich auch in der direkten Kommunikation weniger Zeit nimmt, mit Leuten zu reden und stattdessen Abkürzungen gebraucht?

Sanjay Sauldie: Nein, ich glaube nicht. Ich denke eher, dass die Entwicklung dahin geht, dass man intensiver miteinander spricht und darauf achtet, dass die Sprachqualität erhalten bleibt. Es ist mehr das elektronische Medium, über das man mit solchen Kurznachrichten kommunizieren, weil ich da ja jedes Wort eintippen muss. Doch wenn ich mit Menschen rede, auch mit Jugendlichen, erlebe ich eher, dass auf eine gewisse Sprachqualität geachtet wird.

„Das Bewerten von Quellen aus dem Netz wird immer wichtiger“

ERF Online: Kommen wir auf das Thema der Nachrichten- und Informationsverbreitung im Social Web zu sprechen. Auf Facebook verbreiten sich Neuigkeiten oft rasend schnell. Jemand sagte letztens mal im Scherz: „Wenn man nicht seinen Status bei Facebook ändert, ist man auch nicht wirklich verheiratet.“ Geht die Tendenz dahin, Facebook als erste und wichtigste Informationsquelle zu sehen?

Sanjay Sauldie: Seinen Status nach einer Hochzeit zu ändern, ist eines der ersten Dinge, die man heutzutage macht. Es gab einen Priester, der hat mal nach der Trauung sagte: „Ihr dürft euch jetzt küssen und euren Status bei Facebook ändern.“ Und das Paar hat das dann mobil auch gleich gemacht. Das ist total verrückt, aber ein Zeichen der Zeit.

Die Hauptfrage ist aber: Können wir diesen Informationen überhaupt trauen? Wir müssen lernen, dass nicht alle Informationen der Wahrheit entsprechen, sondern eine Interpretation der Wahrheit sind. Es wird unsere Aufgabe sein, der nächsten Generation zu vermitteln, dass man bei Informationen auf die Quelle achten muss und versuchen sollte, Informationen aus einer sicheren Quelle zu beziehen. Wenn im Fernsehen Bilder aus Krisenländern gezeigt werden, steht oft oben im Bild „unbestätigtes Video“. Das heißt, dass dieses Video nicht von einem Journalisten gefilmt wurde. Man weiß also nicht, ob die Quelle vertrauenswürdig ist. Ich könnte auch in einem Hollywood-Studio Kriegsszenen nachstellen und damit Kriege anzetteln. Deswegen haben Nachrichtenprogramme wie Tagesschau oder heute eigene Journalisten vor Ort, die bestätigen können, was wirklich in einem Krisengebiet passiert. Das wird in der Zukunft immer wertvoller werden.

ERF Online: Aber viele wichtige Nachrichten stehen früher bei Twitter als auf heute.de. Was bedeutet das für die herkömmlichen Medien?

Sanjay: Sauldie: Das ist eine Riesenherausforderung für Journalisten, die sich natürlich dieser Quellen bedienen, sich aber immer auch absichern müssen. Sie können dann darüber berichten, müssen aber sagen: „Wir haben diese Informationen aus dem Internet und können sie im Moment noch nicht definitiv bestätigen.“ Auch der journalistische Beruf verändert sich, denn das Bewerten von Quellen aus dem Netz wird immer wichtiger.

ERF Online: Vielen Dank für das Gespräch!

 

 

 Rebecca Schneebeli

Rebecca Schneebeli

  |  Redakteurin

Sie schätzt an ihrem Job, mit verschiedenen Menschen und Themen in Kontakt zu kommen. Sie ist verheiratet und mag Krimis und englische Serien.

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Kommentare (1)

fschuetz /

Eine sehr interessantes Interview! Passt auch super zur aktuellen Debatte um Facebook und den Klarnamenzwang mehr

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