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© SCM Brockhaus / ERF

24.07.2012 / Lebensbild / Lesezeit: ~ 8 min

Autor/-in: Chantal Enners

Watchman Nee: Wächter für den Glauben

Watchman Nee befand sich zwanzig Jahre wegen seines Glaubens im Gefängnis. Trotzdem verlor er weder seinen Mut noch seine Begeisterung für Jesus Christus.

Watchman Nee wurde als Ni Schu-tsu am 4. November 1903 in China geboren. Er wuchs in einem behüteten Elternhaus auf, erfuhr den Glauben an Jesus dort aber nur als Tradition. Als er siebzehn Jahre alt war, kam die Evangelistin Dora Jü in seine Heimatstadt Futschou. Seine Mutter besuchte deren Versammlungen und entschied sich für ein Leben mit Gott. Daraufhin gestand sie ihrer Familie, dass sie Glücksspiele betrieben hatte und entschuldigte sich bei ihrem Sohn Watchman dafür, dass sie ihn zuvor gewaltsam bestraft hatte. Watchman war zutiefst berührt von der Veränderung seiner Mutter, sodass er selbst Dora Jüs Evangelisation besuchte. Ihre Predigt trug dazu bei, dass Watchman Nee sich bewusst Jesus zuwandte. Diese Entscheidung hatte gravierende Folgen für seine weitere Biographie.

Ein Leben in Hingabe

Nachdem sich der junge Nee 1920 für Gott entschied, beschloss er, ein Leben in völliger Hingabe für Christus zu führen. Er wollte ganzheitlich seinem Gott dienen und aktiv für ihn werden.  Im nachfolgenden Zitat beschreibt er, wie er dies erlebt hat:

„Gott verlangte von mir, dass ich von da an all meine Fähigkeiten als einem anderen gehörig betrachtete. Ich wagte nicht, auch nur ein wenig von meinem Geld oder eine Stunde meiner Zeit oder geistige oder körperliche Kraft zu verschwenden, denn sie gehörten nicht mir, sondern ihm. Es war etwas Großes, als ich diese Entdeckung machte. An diesem Abend begann für mich das christliche Leben.“1

Um seinem Dienst für Gott besser Ausdruck zu verleihen, gab er sich einen neuen Namen. Ni Schu-tsu, der Name, den ihm seine Eltern gegeben hatten, bedeutet „Der die Dienste seiner Ahnen verkündet“. Der junge Christ änderte seinen Namen zu Watchman Nee. „Watchman“ (engl.) bedeutet „Wächter“ und sollte seine Bereitschaft ausdrücken, den anderen Christen als Wächter zu dienen. Denn Watchman besaß die Gabe, frühzeitig die Folgen aus der politischen Entwicklung Chinas für den christlichen Glauben zu erkennen, sodass er die christlichen Gemeinden darauf vorbereiten konnte. Das war vor allem während des chinesischen Bürgerkrieges2, einem Konflikt zwischen der chinesischen Nationalpartei und der Kommunistischen Partei Chinas um die politische Führung in China,  von 1927 bis 1949 der Fall.

Nees Hingabe an Gott wurde schon in seinem Alltag als Student an seinem Verhalten gegenüber seinen Mitmenschen deutlich. Ständig hat er über das Evangelium gepredigt und die frohe Botschaft betont, die dahinter steckt. Er versuchte seinen Mitstudenten das nahe zu bringen, was er selbst erst kürzlich erlebt hatte und verwandte dazu Beispiele, die auch das einfache Volk verstehen konnte. Dabei gab es durchaus Erfolge: Eine Vielzahl der Menschen in seiner Umgebung haben seine Predigten ernst genommen und sich für Jesus entschieden.

Als Watchman Nee beispielsweise beim Teetrinken einem Mann zu erklären versuchte, dass man als gläubiger Christ in Jesus verwurzelt ist, gebrauchte er ein einfaches Beispiel: Er nahm den Tee und tat ein Stück Zucker hinein. Der Zuckerwürfel löste sich darin auf, sodass man den Zucker nicht mehr von dem Tee trennen konnte. Zucker und Tee waren eins, sowie ein Christ eins mit Jesus wird. Dieses lebensnahe Beispiel half dem Mann, seine eigene Verbindung mit Gott zu verstehen.

Doch Watchmans Einsatz forderte von ihm auch, dass er gesundheitliche Probleme in Kauf nehmen musste. So erkrankte er 1924 an Lungentuberkulose, einer bakteriellen Infektionskrankheit. Die Tatsache, dass er fast gestorben wäre hat ihn aber nicht von seiner Hingabe für Jesus abgebracht. Viel mehr stärkte es ihn noch zusätzlich, dass er erlebte, wie Gott ihn durch diese schwere Zeit getragen hat und ihm seine Gnade offenbarte, indem er ihn heilte.

Als Wächter unterwegs

Watchman Nee begann, sich selbstständig ein enormes Bibelwissen anzueignen, um es dann weiterzugeben. Dies tat er mündlich durch Predigten aber auch schriftlich durch Bücher. Er legte stets einen großen Wert darauf, dass die Bibel beim Wort genommen wurde. Eine durch ihn gegründete Gemeindebewegung ist die „kleine Herde“. Als die christliche Kirche Chinas von 1940 bis 1960 zunehmend verfolgt wurde, verließen viele Christen aus Angst die offiziellen Kirchen. Dabei fing Watchman Nee mit dieser Bewegung vermutlich über 70.000 Christen in schätzungsweise 700 sogenannten „Hausgemeinden“ auf3. Watchman war der Meinung, dass die Christen einer Region eine einheitliche Gemeinde bilden sollten, so wie es die Bibel lehrt. Der Wächter erkannte die Gefahr, dass die Kirchengemeinden an der Verfolgung zerbrechen könnten. So warnte er die Gläubigen vor dieser Gefahr und ging aktiv durch die Gründung der „kleinen Herde“ dagegen vor.

Nee reiste durch China, hielt Evangelisationen ab und unterstützte die kleinen Gemeinden mit seinem Rat. Über die Grenzen Chinas hinaus besuchte er aber auch andere Länder und Europa, wo er sein Wissen und seine Erfahrungen weitergab: Ende Juli 1933 kam der Chinese nach England und von dort aus ging es für ihn weiter nach New York. 1937 zog es ihn auf die Philippinen nach Manila, wo er über die Grundlagen des christlichen Lebens sprach. Eine Europareise, die Wachtman über Norwegen, Deutschland, die Schweiz und Frankreich führte, trat er ca. 1938-1939 an. Dabei beeinflusste er den Westen durch seine gelebte und bibeltreue Konsequenz im Glauben an Christus.

1949 war der Bürgerkrieg in China vorbei und die Kommunistische Partei Chinas ging als Sieger daraus hervor. Das blieb nicht ohne Folgen, denn die Partei begann, ihre kommunistischen Ziele aktiv durchzusetzen. Die Gesellschaft sollte umgeformt werden, sodass die kommunistische Ideologie durchgesetzt wurde. Das chinesische Volk musste sich der Partei unterordnen. War dies nicht der Fall, galt man als „Feind des Volkes“, wurde inhaftiert und während der Haft gewaltsam zum Gehorsam gezwungen4.

Die christlichen Gemeinden entsprachen nicht dem kommunistischen Ideal, denn sie waren allein abhängig von der biblischen Lehre und dem Glauben an Jesus Christus. Auch hier wirkte Nee wieder als Wächter, indem er die kommenden Konflikte zwischen den Gläubigen und der Kommunistischen Partei Chinas schon im Voraus ahnte. Er hatte Kontakte zu Parteimitgliedern und vermutete, dass die Evangelisation innerhalb Chinas bei der Regierung auf Widerstand stoßen würde. Deshalb forderte er die Christen Chinas zunächst dazu auf, eine Zusammenarbeit mit der Regierung anzustreben. Sie sollten sich dabei den politischen Reformen anpassen, soweit es mit der Bibel vereinbar war. Die Zusammenarbeit mit der Partei garantierte ihnen zwar eine eingeschränkte Religionsfreiheit, jedoch konnte eine Anklage  Watchman Nees nicht verhindert werden. Die Regierung misstraute ihm, da er einen großen Einfluss auf die chinesischen Christen hatte.

Weitere Lebensbilder finden Sie auf unserer Seite Jesus-Spur.

Wegen des Glaubens im Gefängnis

Auch wenn er wusste, dass seine weitere Tätigkeit als Prediger und Evangelist unter den Kommunisten für ihn gefährlich war, gab er sie doch nicht auf. Er blieb in Shanghai und setzte seine Bibelstunden dort fort.

Daraufhin wurde Watchman Nee im Jahr 1952 zu 15 Jahren Haft verurteilt, da man ihm imperialistische Umtriebe, Spionage, konterrevolutionäre Tätigkeit gegen die Regierung, finanzielle Unregelmäßigkeiten und ausschweifendes Leben vorwarf. Während der Haft in Shanghai versuchte man, Watchman von seinem christlichen Glauben abzubringen und ihn dem Kommunismus zu unterwerfen. Man bot ihm Gelegenheit, sich für den kommunistischen Staat auszusprechen und somit die Freiheit zu erlangen. Doch Nee ging nicht auf dieses Angebot ein.

Während seiner Haft war er von der Außenwelt isoliert. Er durfte monatlich unter strenger Kontrolle nur einen Brief versenden und empfangen. Selbst seine Frau durfte ihn nach fünf Jahren nur kurz besuchen. Watchman Nee durchlief eine Reihe von Prozessen. Dabei versuchte die Regierung die Mitglieder der „Kleinen Herde“ zu einer Aussage gegen ihn zu drängen. Sie manipulierten die Christen und stellten Nee als einen Kapitalist und Konterrevolutionär dar, der dem kommunistischen Staat schaden wollte und dieses Vorhaben durch die christliche Arbeit nur getarnt hatte. Einige Christen haben daraufhin gegen ihn ausgesagt. Diejenigen, die ihn vor den Kommunisten verteidigten, gerieten selbst in Haft.

Neu erschienen bei SCM Brockhaus: Tisch in der Wüste, ein Andachtsbuch mit Texten von Watchman Nee.

Eine Plattform zur Evangelisation

Im Gefängnis von Shanghai bestand Watchmans Tag aus zwei Teilen: Zum einen hatte er Arbeitsdienste zu leisten, bei denen er staatliche Lektüren vom Englischen ins Chinesische übersetzte. Weiterhin musste er an staatlichen Schulungen teilnehmen, in denen der Kommunismus gelehrt wurde. Schließlich hatte er eine kurze Nachtruhe. Im Januar 1970 brachte man ihn vom Gefängnis in ein Arbeitslager auf dem Land.

Watchman Nee sah seine Zeit im Gefängnis nicht als Strafe für die Verkündigung des Evangeliums, sondern als eine Plattform dafür an. Ein ehemaliger Gefängnisaufseher aus Shanghai, der 1968 als Asylbewerber in den Westen kam, berichtete zum Beispiel, dass er durch Watchman Nees Zeugnis zum Glauben an Jesus Christus gekommen sei. Da Watchman während seiner Haft keine Bibel besitzen durfte, musste er sich bei Gesprächen über den Glauben mit Mitgefangenen auf sein Gedächtnis und die Hilfe Gottes verlassen.

Erst nach 20 Jahren, also am 12. April 1972, wurde Watchman Nee dann tatsächlich aus der Haft entlassen. Nur kurze Zeit später starb er am 1. Juni 1972 im Alter von 69 Jahren. Die Todesursache ist unklar. Es wird jedoch vermutet, dass er durch die Haftzeit und seine Herzbeschwerden stark geschwächt war und darüber hinaus im Gefängnis medizinisch schlecht behandelt worden war.

Trotz all dieser Schwierigkeiten ließ sich der Mann mit dem Wächteramt nicht von seinem Glauben an Jesus abbringen und hielt seine Haftzeit tapfer um des Glaubens willen aus. Durch seine enge Beziehung mit Gott war es ihm trotz alldem am Ende seines Lebens noch möglich, folgende Zeilen zu hinterlassen:

„Christus ist der Sohn Gottes, der für die Erlösung der Sünder starb und nach drei Tagen auferstand. Dies ist die größte Wahrheit im Universum. Ich sterbe wegen meines Glaubens an Christus.“5

Watchman Nee war ein Mann, der sich trotz des Widerstandes durch den Kommunismus nicht von seiner Hingabe für Jesus Christus abbringen ließ und der in seiner Beständigkeit ein Vorbild nicht nur für die chinesischen Christen darstellt. Oder wie es David Bentley-Taylor, ein Mitglied der China Inland Mission, bereits im Dezember 1963 feststellte: „Seine [Watchmans] Worte hafteten wie Kletten. Seine Bücher und Traktate tauchten überall auf. Und wenn jemand ein paar der einflußreichsten chinesischen christlichen Autoren nennen sollte, gab es kaum eine Möglichkeit, ihn auszulassen.“ 6


1 http://www.christliche-autoren.de/nee.html

2 http://de.wikipedia.org/wiki/Chinesischer_B%C3%BCrgerkrieg

3 http://de.wikipedia.org/wiki/Watchman_Nee

4 http://www.helles-koepfchen.de/artikel/2676.html

5 http://lebensstrom.com/ueber-uns/watchman-nee.html?no_cache=1&sword_list%5B0%5D=watchman&sword_list%5B1%5D=nee

6 Agnus Kinnear „Watchman Nee, Ein Leben gegen den Strom“ S.179

[Stand der Internetquellen: 27.06.2012]

 

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Kommentare (1)

Brigitte /

Ein sehr beeindruckender Artikel. Bitte mehr dieser Art. Dankeschön

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