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27.10.2011 / Interview / Lesezeit: ~ 6 min

Autor/-in: Markus Dörr

"Es tut gut, dass du die Hoffnung für uns hast!"

Missbrauch - das "Haus der Hoffnung" hilft, neue Lebensfreude zu finden. Ein Interview mit Geschäftsführerin Sandra Gampper.

Missbrauchserfahrungen hinterlassen im Leben der Betroffenen tiefe Spuren. Spuren, die nicht so einfach verheilen. Rehabilitationsmaßnahmen enden dabei meist zu früh, weil ein „Weiter so“ noch nicht möglich ist. Das „Haus der Hoffnung“ in Bad Gandersheim bietet in dieser Situation Hilfe an. Frauen, die Opfer von sexuellem oder anderem Missbrauch geworden sind, können hier eine Auszeit nehmen und werden fürs Leben wieder fit gemacht. ERF Online hat mit der Geschäftsführerin, Sandra Gampper, gesprochen.

ERF Online:  Frau Gampper, deutschlandweit gibt es über 350 Frauenhäuser, laut deutscher wikipedia ist die Zahl und der Bedarf dafür sogar rückläufig. Warum haben Sie dann 2010 gegen diesen Trend das „Haus der Hoffnung“ gegründet?

Sandra Gampper: Wir heißen zwar "Haus für Frauen", aber wir sind kein Frauenhaus im typischen Sinn. Denn Frauenhäuser sind erstens anonym und zweitens kommen Frauen beispielsweise auch nachts in einer  Notfallsituation dorthin. Oft haben Frauenhäuser einen Schwerpunkt auf Kindern, was wir gar nicht haben. Für uns stehen auch nicht nur häusliche Gewalt und sexueller Missbrauch im Vordergrund, denn wir legen den Missbrauchsbegriff in einem größeren Sinn aus. Ganz besonders wichtig ist für uns außerdem der Glaube an Jesus Christus, der immer mitspielt.

ERF Online: Welche Rolle spielt der im Haus der Hoffnung ?

Sandra Gampper: Wir haben jeden Morgen entweder eine Andacht oder Lobpreis. Außerdem fangen wir unsere Beratungsgespräche immer mit einem Gebet an und beziehen Jesus auch ganz bewusst in die einzelnen Schicksale mit hinein.

ERF Online: Auf Ihrer Internetseite habe ich gelesen, dass die

Bild: haus-der-hoffnung.com

Im "Haus der Hoffnung" in Bad Gandersheim ist Jesus immer dabei

Frauen bei Ihnen basteln, in der Küche oder im Garten arbeiten und sie therapeutisch begleitet werden. Nun sind das keine revolutionären, neuen Ideen. Was ist denn das Besondere am „Haus der Hoffnung“?

Sandra Gampper: Das Besondere ist bei uns einmal, dass Jesus mit dabei ist - aber auch, dass wir nicht vor dem Thema Missbrauch zurückschrecken. Gerade bei der Mitarbeitersuche habe ich festgestellt, dass das nicht selbstverständlich ist. Denn es ist schon ein besonderes Thema.

Die Hemmschwelle ist vor allem dann groß, wenn die die Situationen in den Frauen schwierige Krankheitsbilder heraufbeschworen haben, wie etwa eine komplette dissoziative Persönlichkeitsstörung, wo also mehrere Persönlichkeitsanteile vorhanden sind. Auch darauf können wir eingehen und damit umgehen, wir sind da breit aufgestellt. Außerdem leben wir alle ganz bewusst in einer liebevollen Gemeinschaft, in der jede Frau geborgen ist.

ERF Online: Im Dezember 2011 gibt es das „Haus der Hoffnung“ ein Jahr. Wann war der Moment, als sie wussten: Jetzt ist es soweit, jetzt gründen wir den Verein, jetzt machen wir das Haus auf?

Sandra Gampper: Die Vision habe ich schon länger gehabt, kürzlich hat mir jemand gesagt, dass ich schon 2003 davon erzählt hatte. Mir selbst war es aber erst 2006 wirklich bewusst, als Gott mir ganz konkret auch das Konzept für das Haus gezeigt hat. Dann habe ich immer wieder gebetet, wann ich anfangen soll. Aber ich habe auch Stoppsignale erhalten und gemerkt, dass es noch nicht dran ist. Vor einem Jahr haben wir den Verein gegründet, der das Haus trägt. Plötzlich öffneten sich viele Türen. Da habe ich gemerkt, dass jetzt die Zeit ist, das Haus Realität werden zu lassen.

Bild: haus-der-hoffnung.com

Ein geregelter Tagesablauf und sinnvolle Tätigkeiten helfen bei der Bewältigung von Missbrauchserfahrungen - Küche wischen gehört auch dazu.

ERF Online: Zum Leben im „Haus der Hoffnung“ gehört ganz konkret die Hilfe für die missbrauchten Frauen. Nun stelle ich mir vor, die Frauen haben Missbrauch erlebt, kommen aus der Rehabilitationsmaßnahme, sind verschreckt, verzweifelt und wollen vielleicht eher in Ruhe gelassen werden. Ist es da nicht ein wenig zynisch, wenn sie in ein "Haus der Hoffnung" einziehen sollen?

Sandra Gampper: Jein. Ich weiß aus meiner früheren Beratungstätigkeit, in der ich auch mit missbrauchten Frauen gearbeitet habe, dass viele sagen: "Es tut so gut, dass du die Hoffnung für uns hast!" Die Frauen müssen also nicht selbst die Hoffnung mitbringen. Ihnen tut es aber gut zu sehen: Da hat jemand Hoffnung für mich. Deshalb auch der Name "Haus der Hoffnung", weil wir Mitarbeiter gerne diese Hoffnung weitergeben möchten. Und wir merken, dass sich die Frauen an dieser Hoffnung wirklich festhalten. Trotzdem dürfen die Frauen auch Zeiten haben, in denen sie in Ruhe gelassen werden, wenn sie das brauchen.

Allerdings sind die meisten schon beim Einzug ins Haus so weit, dass sie sagen: "Eigentlich möchte ich leben, ich möchte aus diesem Strudel heraus, der mich nach unten zieht." Das ist die Motivation, an der wir ansetzen und ihnen dann helfen wollen, soweit es geht.

ERF Online: Wie schaffen Sie es denn, diese Hoffnung selber immer wieder zu haben. Stoßen Sie auch mal an ihre Grenzen?

Sandra Gampper: Natürlich stoße ich an meine Grenzen. Ich bin schließlich auch nur ein Mensch und habe meine Stärken und Schwächen. Aber ich lasse mich tagtäglich von Gott beschenken. Ich stehe manchmal morgens auf und sage: "Herr, eigentlich kann ich im Moment gar nicht." Dann gebe ich die Situation aus meinen Händen in die Hand Gottes und merke, dass er Kraft schenkt. Oft sind auch besonders Krisen Momente, die mir Kraft geben - auch, wenn sich das vielleicht verrückt anhört. Aber ich spüre, dass da etwas passiert, ohne, dass ich etwas dazu tun kann.

Etwa, wenn jemand sagt: "Boah, das habe ich jetzt verstanden!" oder ich merke, dass Jesus bei früheren Verletzungen der Frauen gewirkt hat und erlebt wurde. Er hat Dinge verändert und ein Ende ermöglicht, so dass die Frauen sagen: "Das ist jetzt abgeschlossen."

ERF Online: Wenn die Frauen ins Haus kommen, was sind dann typische Verhaltensweisen?

Sandra Gampper:  Das Verhalten ist ganz unterschiedlich. Die eine zieht sich zurück, die andere wird aggressiv. Im Prinzip verhalten sich die Frauen aber gar nicht so anders als alle anderen Menschen, nur übersteigt ihr Verhalten eben das normale Maß, ist verstärkt.

Oft erlebe ich Unsicherheit, Angst und Worte, die ihnen eingetrichtert wurden: "Das kannst du nicht!", "Das darfst du nicht!" "Du musst schweigen!". Wenn das in der frühen Kindheit gesagt worden ist, hat das meistens die Frauen auch zum Schweigen gebracht, beziehungsweise sehr verletzt.

Das „Haus der Hoffnung“ in Bad Gandersheim hilft Frauen nach Missbrauchserfahrungen, wieder neue Lebensfreude zu gewinnen und macht sie fit für den Alltag. Seit der Eröffnung im Dezember 2010 können bis zu acht Frauen betreut werden. Hinter dem Haus steht der gemeinnützige Verein "Haus der Hoffnung e.V.". Weitere Infos: http://www.haus-der-hoffnung.com

ERF Online: Wie helfen Sie den Frauen?

Sandra Gampper: Wir sind für sie da - besonders, wenn etwas hochkommt. Außerdem gebe ich die Liebe, die ich von Gott geschenkt bekomme, an die Frauen weiter. Die Gemeinschaft, die wir leben, hilft auch. Dabei ist die Hilfe jedoch so unterschiedlich wie jede Geschichte der Frauen.

ERF Online: Im „Haus der Hoffnung“ sollen Missbrauchsopfer wieder Lebensfreude gewinnen statt den Überlebenskampf zu führen. Wenn die Frauen das Haus verlassen, haben sie dann wirklich mehr Lebensfreude?

Sandra Gampper: Das müssten Sie die Frauen selber fragen. Es ist eine Empfindungsfrage. Es also konkret festzumachen ist oft schwierig. Denn die Frauen laufen nicht jubelnd raus und schreien vor Glück. Es ist selten, dass sich die ganze Ausstrahlung ändert.

Aber sie nehmen Erkenntnisse mit, anders mit dem Leben umzugehen. Manche verletzende Geschichte können sie auch abschließen. Oder sie merken, dass sie wieder alleine leben können. Oft sind es die kleinen Sachen im Denken und Handeln, die vorher schwierig waren, jetzt aber besser funktionieren.

Gerade im Moment passieren unheimlich viele dieser Veränderungen. Obwohl das anstrengend ist, tut mir das auch persönlich sehr gut, weil ich merke, dass sich etwas tut. Und das ist das, was meine Arbeit trägt und mir Kraft gibt. Daraus beziehe ich immer wieder neue Motivation.

ERF Online: Vielen Dank für das Gespräch!

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Kommentare (2)

Christine /

Ich finde es auch toll, dass es so ein Haus wie dieses gibt. Diese Arbeit ist so wichtig. Es gibt so viele verletzte Frauen. Gott segne Ihre Arbeit!
Herzliche Grüße
Christine

Karin V. /

Es ist toll, dass es so ein Haus gibt. Ich wünsche Ihnen weiterhin Gottes reichen Segen für Ihre Arbeit und für die Frauen in Ihrem Haus. Sie sind ein Segen für die Frauen.
Liebe Grüsse aus Mittelfranken
Karin Völler

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