
07.04.2011 / Buchbesprechung / Lesezeit: ~ 4 min
Autor/-in: Hanna WillhelmEinfach überirdisch
S. Diekmann will dem Leser in "Einfach überirdisch" biblische Bilder für die Gemeinde neu nahe bringen. Ob es ihm gelingt, lesen Sie hier.
Samuel Diekmanns Herz schlägt nicht nur für Menschen, die zu wenig zu essen haben. Der Initiator der Aktion „Eine-Schale-Reis.de“ hat auch eine Leidenschaft für christliche Gemeinden. Aus diesem Grund ist der Pastor zusammen mit seiner eigenen Gemeinde ein Jahr lang der Frage nachgegangen, was Kirche ist und wie sie funktioniert. Herausgekommen ist sein neues Buch: „Einfach überirdisch. Entdecke, was in deiner Gemeinde steckt.“
Grundlage für die Ausarbeitungen sind dabei nicht erfolgreiche Gemeindebaumodelle in Deutschland, England oder den USA, wie es sonst bei solchen Büchern oft üblich ist. Stattdessen erklärt Diekmann in jedem Kapitel ein Bild, mit dem die Bibel das Wesen der Gemeinde beschreibt: Die Braut, den Tempel, die Weinrebe usw. Der junge Pastor zeigt jeweils, wo der bildhafte Vergleich im Alten oder Neuen Testament vorkommt, was er bedeutet und was Christen davon lernen und wie sie es umsetzen können. Diese enge Orientierung am biblischen Vorbild hat für Diekmann einen besonderen Grund. Er schreibt: „Wir haben damals viele gute Bücher über Visionsfindung und Prozesse, Strategien und Modelle gelesen. Aber nichts von all dem war für uns so ergiebig wie unsere eigene Arbeit am Wort Gottes.“
Stärken des Buches
Das große Plus des Buches besteht zweifellos darin, dass Diekmann die biblischen Bilder in den Mittelpunkt stellt. Denn zum einen stehen diese mit ihrer Weisheit und Ganzheitlichkeit in einem wohltuenden Gegensatz zu dem heute oft auch in Gemeinden vorherrschenden Leistungsdenken und Streben nach Perfektionismus. Zum anderen können die bildhaften Vergleiche gerade für einen postmodernen Menschen, der sehr stark gefühls- und gemeinschaftsbezogen ist, einen neuen Zugang zur Kirche öffnen: Wer begreift, dass es bei der Gemeinde nicht um eine Institution oder einen Verein geht, sondern um etwas Lebendiges, Dynamisches, bekommt vielleicht eher Lust, mitzumachen und dabei zu sein. Man spürt Diekmann ab, dass es ihm ein Anliegen ist, diese Sicht zu vermitteln. Er möchte dem Leser zeigen, wie wertvoll und wichtig die Gemeinde ist und welche Bedeutung ihr Gott gibt.
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Einfach überirdisch. Entdecke, was in Deiner Gemeinde steckt |
Schwächen des Buches
Der praktische Teil von „Einfach überirdisch“ ist sehr appellativ. Statt den Leser dazu einzuladen, das Gelesene in seinem Leben umzusetzen, enden die Kapitel mit einem Fragenkatalog, der ein schlechtes Gewissen macht. Im Zusammenhang mit dem Bild der Ekklesia als den Herausgerufenen schreibt Diekmann zum Beispiel: „Wie sieht das bei dir ganz persönlich aus? Wie regelmäßig bist du in den Versammlungen deiner Kirchengemeinde? Wie sehr kümmerst du dich um diejenigen, die schon lange nicht mehr da waren? Und wie oft nimmst du deine Berufung als Herold Gottes ernst und lädst fremde Menschen dazu ein, Teil er Ekklesia zu werden? Lass dich sammeln und nimm regelmäßig an Versammlungen teil.“ Auch wenn ich durch die vorhergehenden Erklärungen verstanden habe, welches Vorrecht es ist, zur Kirche zu gehören, vergeht mir hier beim Lesen die Lust, zum Gottesdienst zu gehen - oder es wird zur Pflicht.
Manche Aussagen sind auch zu absolut gesetzt. Wenn Diekmann zum Beispiel schreibt, dass sich jeder Christ als Freund der Juden verstehen muss, kann ich die Absicht hinter dieser Aussage im Zusammenhang mit Römer 11 nachvollziehen, finde die Formulierung aber nicht angebracht.
Eine weitere Schwäche ist die fromme Sprache. Das Buch ist insgesamt leicht lesbar, aber Begriffe wie „Segnungen“, „Seelengewinnung“ oder „Anfechtungen“ gehen dem Leser bestenfalls als Floskel zum einen Ohr rein und zum anderen wieder raus. Im schlechtesten Fall kann er damit nichts anfangen oder fühlt sich abgestoßen.
Zielgruppe
Das Buch richtet sich an alle, die sich für das Thema Gemeinde interessieren. Schwerpunktmäßig würde ich es Jugendgruppen, jungen Erwachsenen oder Hauskreisen empfehlen. Gemeindeleiter, Pastoren und Leser, die ein fundiertes Bibelwissen haben, erhalten durch die Erklärungen ebenfalls einige Gedankenanstöße und interessante Hintergrundinformationen. Insgesamt geht „Einfach überirdisch“ für sie aber vermutlich nicht genügend in die Tiefe, da die Beschreibungen aus dem Alten Testament eher kurz gehalten sind und die Bilder aus dem Neuen Testament oft nur anhand einiger zentraler Stellen erklärt werden. Für den Einstieg in das Thema ist das ausreichend, mehr sollte man aber nicht erwarten. Für Menschen, die bislang wenig mit dem christlichen Glauben zu tun hatten oder sich gerade von einer gesetzlichen Einstellung lösen möchten, halte ich das Buch aus oben genannten Gründen nicht für geeignet.
Fazit
Das Thema des Buches ist absolut wichtig und auf dem christlichen Buchmarkt längst überfällig. Leider ist die Umsetzung in „Einfach überirdisch“ nur mäßig geglückt. Teilweise konnte ich mich beim Lesen nicht des Eindrucks erwehren, dass Predigten und Ausarbeitungen aus der Gemeindearbeit eins zu eins in das Buch übernommen wurden. Hier wäre eine stärkere redaktionelle Überarbeitung angebracht gewesen. Dann hätte sich auch mancher der Kritikpunkte vermutlich erledigt. Schade! Es bleibt, dem Buch eine zweite, revidierte Auflage zu wünschen, in der diese Schwächen behoben sind.
Ihr Kommentar
Kommentare (1)
Es ist eigentlich wie immer: Literatur über Gemeindebau endet im Irrealis. Wenn das so und so wäre...
Und dann kommt regelmäßig das, wovor Paulus gewarnt hat, die Gesetzlichkeit in Form von Suggestiv-Fragen.