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/ Wort zum Tag

Ohne Worte beten

Hartmut Völkner über Matthäus 6,8.

Euer Vater weiß, was ihr bedürft, bevor ihr ihn bittet.

Matthäus 6,8

Ich habe gehört, dass Musiker, die gut improvisieren können, in Bruchteilen von Sekunden aufeinander reagieren. Sie greifen kreativ das zugespielte Thema auf und beantworten es in atemberaubender Geschwindigkeit, als wüssten sie schon, was der andere ihnen gleich mitteilen würde. Was bei Musikern durch Üben, Einfühlung und Genialität geschieht, gehört bei Gott zum Standard-Repertoire.

Gott, der uns geschaffen hat, weiß doch was wir brauchen.  Er weiß, was das Kleinkind braucht, der Heranwachsende, der Erwachsene und der sterbende Greis. Da könnte man fragen, warum denn noch beten, wenn „Euer Vater weiß, was ihr bedürft, bevor ihr ihn bittet.“ So sagt es Jesus in der Bergpredigt in Matthäus sechs Vers acht. Im Anschluss schenkt Jesus seinen Jüngern das Vaterunser zum täglichen Gebrauch. Es ist eine gute Gewohnheit, das Vaterunser täglich zu beten. Aber es geht auch noch kürzer. In der Ostkirche ist bei vielen Menschen das Herzensgebet oder Jesusgebet bekannt. Es hat den ganz kurzen Text: Herr Jesus Christus, erbarme dich meiner. Dieses Gebet wird 20-, 30-, 100- oder 1000-mal gebetet und hat einen großen Vorteil. Der Beter formuliert nicht andauernd neue Bitten, schöne Worte, druckreifen Lobpreis, sondern er begibt sich einfach in die Nähe Jesu. Er sucht Nähe und Verbundenheit, auch wenn ihm keine Worte einfallen, weil er das Unsagbare nicht aussprechen kann, in Not oder Angst ist, oder zu schwach ist, konzentriert zu beten. Der blinde Bettler Bartimäus vor den Stadttoren von Jericho, hat diesen Stoßseufzer laut gerufen. Herr Jesus Christus, erbarme dich meiner. Ich selbst habe das Herzensgebet vor vielen Jahren kennengelernt und bete es seitdem immer wieder, beim Einschlafen, oder wenn ich nicht einschlafen kann, bei schweren Gesprächen, in Angst, bei unvorhersehbaren Ereignissen, im Wartezimmer, vor roten Ampeln, überall und immer wieder. Herr Jesus Christus, erbarme dich meiner. Ganz leicht lässt sich daraus eine Fürbitte formulieren. Erbarme dich über meine Freunde, die Not der Flüchtlinge, den Klima-Wandel oder alles, was mein Herz bewegt.

Dabei atme ich langsam und begebe mich in die Hände Jesu. Vater, in deine Hände befehle ich meinen Geist. So hat Jesus selber am Kreuz gebetet. Ein einfaches, kurzes Gebet. Ein Gebet des Vertrauens und der Gewissheit, dass der Vater weiß, was wir brauchen, bevor wir ihn bitten. Es muss aber noch nicht einmal ein Gebet mit Worten sein. Wir können uns still in die Hände Gottes begeben, wie sich ein Kind in die Arme der Mutter schmiegt. Dann braucht es keine Worte, denn die Nähe zu Gott kann unaussprechbar erfüllend sein. Gerhard Tersteegen dichtet: „Gott ist gegenwärtig, alles in uns schweige und sich innig vor ihm beuge.“ So ist es möglich, dass wir uns innerlich mit Gott abstimmen, wie zwei Musiker es miteinander tun. Sie spüren einander, antworten, reagieren und improvisieren so in atemberaubender Geschwindigkeit eine faszinierende neue Melodie.

Weil der Vater im Himmel die Melodie unseres Lebens täglich neu mit uns improvisiert, ist es gut zu wissen, dass unser Vater weiß, was wir brauchen, bevor wir ihn darum bitten. Auch heute.

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Kommentare (5)

Herbert M. /

Lieber Bruder Völkner,
für viele ist das Aussprechen dieser Bitte sichern zum Segen geworden. Für mich ist es wichtiger geworden, mich täglich im Danken zu üben. Auch, dass ich mit meinem Herrn mehr

Gerlinde F. /

Danke Herr Völkner für diesen Impuls. Gott weiß was wir brauchen, und heute brauchte ich genau diese Worte. Danke!

Ernst G. /

Das war sehr gut! Vielen Dank!

Sabine /

Guten Morgen Herr Völkner, danke für Ihre Worte. Ich habe große Schwierigkeiten mit diesem Vers….. ich frage mich:“wenn ich bitte: Herr, erbarme dich meiner“, ist es dann nicht einfach eine Gewohnheit? Ich hätte Angst, dass es nicht mehr von Herzen kommt……
Aber ich möchte es mal ausprobieren!

Constanze G. /

Herr Jesus Christus, erbarme dich meiner