Navigation überspringen

/ Wort zum Tag

Ein Mittel gegen die „German Angst“

Uwe Bertelmann über Psalm 4,8.

Du erfreust mein Herz mehr als zur Zeit, da es Korn und Wein gibt in Fülle.

Psalm 4,8

Es gibt nicht so viele Wörter, die von der deutschen Sprache ins Englische eingewandert sind. „Kindergarten“. „Kaffeeklatsch“. Und „German Angst“. In der Corona-Zeit hatte ja jedes Land seine eigenen Artikel, die gehamstert wurden. In Italien und Spanien waren die Weinregale leer – und wir Deutschen haben halt Klopapier gehamstert. Das ist „German Angst“.

Eine große Versicherungsgesellschaft macht jedes Jahr eine Umfrage, wovor die Deutschen Angst haben. Aktuell Platz 1: steigende Lebenshaltungskosten. Es folgen bezahlbarer Wohnraum, Wirtschaftslage und Steuererhöhungen. Erst auf Platz 6: Naturkatastrophen. Und weit abgeschlagen auf 13: Pflegefall im Alter. Ich wusste ja, dass wir Materialisten sind. Aber die Reihenfolge hat mich schon erstaunt.

Und ja – wir erleben gerade die berühmte „Zeitwende“. Unsere westliche Kultur war von der Hoffnung beflügelt gewesen, dass die Weltgeschichte eine stetige Fortentwicklung sei und die Menschheit sich selber eine Welt schaffen würde, in der es immer größere Sicherheit, mehr Freiheit und wachsenden Wohlstand geben würde. Und nun dämmert uns, dass das ein Irrglaube war.

Vielleicht hilft’s zur Entspannung, mal in die Bibel zu schauen. Da heißt es in Psalm 4,8 von Gott: Du erfreust mein Herz mehr als zur Zeit, da es Korn und Wein gibt in Fülle.“

Die Neue Genfer Übersetzung gibt das wie folgt wieder: Tiefe Freude hast du mir gegeben. Sie ist viel größer als die Freude derer, die Korn und Wein im Überfluss geerntet haben!

Worum geht es? Der Psalm besingt die Zeit, als der große König David vor seinem missratenen Sohn Absalom fliehen musste. Und David hatte nun ein logistisches Problem: Die Ernte war vermutlich sogar gut gewesen – aber auf den Vorräten hockte jetzt in Jerusalem der Sohn, der gerade den Aufstand probte. Wer hätte gedacht, dass es uns mal relativ leichtfallen würde, hier Parallelen in unsere Zeit zu ziehen. Getreideausfuhr aus den russisch besetzten Teilen der Ukraine und so … David musste schauen, wie er seine Leute durch den Winter bringt. Absalom konnte die vollen Kornspeicher und Weinkeller seinerseits als propagandistische Waffe nutzen – wenn man die Leute materiell gut versorgen kann, bleiben sie loyal.

Und David sagt: Soll er doch! Soll er doch auf den Kornvorräten sitzen, und auf seinen Fässern mit 1975er-Châteauneuf und damit seine Soldaten und seine korrupten Beamten bei Laune halten. Ich habe etwas Besseres. Ich habe eine Freude im Herzen, die mir auch Elend und Vertreibung nicht nehmen können.

David hat ein sehr wirkungsvolles Mittel gegen die Angst: Wenn es für mich etwas Wichtigeres gibt als das, was gerade bedroht ist – dann verliert die Bedrohung massiv an Kraft.

Vielleicht macht uns gerade deswegen die „German Angst“ so zu schaffen: Weil wir in einer Kultur leben und Kinder einer Zeit sind, für die es eben nur noch das Glück dieser Welt gibt. Das Jenseits ist gestrichen. Und mit ihm alle Werte, die über diese Welt und das persönliche Wohlergehen hinausgehen. Wir leben jeder für uns selbst und für unser eigenes irdisches Glück.  Und wenn dieses Glück bedroht ist, ist alles bedroht, was wir haben.

Das war in früheren Generationen noch grundlegend anders. Martin Luther konnte noch Liedzeilen schreiben wie: „Nehmen sie den Leib, Gut, Ehr, Kind und Weib: lass fahren dahin, sie haben’s kein’ Gewinn, das Reich muss uns doch bleiben.“

Er hatte einen Wert, der höher war als alles Irdische – und das hat ihm (und unzähligen anderen Liederdichtern der Christenheit) den Verlust der irdischen Werte weniger bedrohlich erscheinen lassen.

Mein Motto für heute: Wenn die „German Angst“ mich heute wieder befallen will: Stopp-Taste drücken. Innehalten. Überlegen: Was ist der höhere Wert, der nicht betroffen wäre – auch wenn eintrifft, was ich gerade befürchte.

Ihr Kommentar

Die E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.
Alle Kommentare werden redaktionell geprüft. Wir behalten uns das Kürzen von Kommentaren vor. Ein Recht auf Veröffentlichung besteht nicht.

Kommentare (4)

Beate B. /

Danke für diese starken Worte! Es ist die Wahrheit: an Gott zu glauben, schenkt Freude, die der Angst keinen Raum gibt! Und dass unsere Nation ihre Rettung in Klopapier gesucht hat, ist absurd und traurig zugleich.

Karin B. /

Lieber Herr Bertelmnn, Ihren Ausführungen kann ich nur zustimmen. Dies erlebe ich in der letzten Zeit im Freundes- und Bekanntenkreis. Bin dankbar, dass ich durch meinen Glauben nicht dazu gehöre.
Ihnen einen gesegneten Tag.

Günther B. /

Der "höhere Wert" ist meine Gotteskindschaft, die nichts und niemand mir rauben kann, halleluJAH-LOVE
Der Glaube kann schwinden, Religion ist seit Jesu Tod und Auferstehung obsolet, Philosophie ist mehr

Clemens M. /

Vielen Dank für die inspirierenden Worte - vor allem ihr grossartiger Alltagsbezug hat mich heute Morgen sehr angesprochen!