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/ Bibel heute

Tiefe gewinnen

Andreas Friedrich über Titus 1, 10-16

Denn es gibt viele Freche, unnütze Schwätzer und Verführer, besonders die aus den Juden, denen man das Maul stopfen muss, weil sie ganze Häuser verwirren und lehren, was nicht sein darf, um schändlichen Gewinns willen.

Titus 1,10-16

Liebe Hörerinnen, liebe Hörer,
vermutlich heißen Sie nicht „Titus“. Und Sie leiten auch kein größeres Gemeindeaufbauprojekt auf der Insel Kreta. Das nämlich ist der aktuelle Anlass des Briefes, den der Apostel Paulus an seinen Mitarbeiter Titus schreibt. Nachdem durch die gemeinsame Verkündigung des Evangeliums von Jesus an mehreren Orten der Insel Hausgemeinden entstanden waren, musste Paulus weiterziehen. Doch Titus blieb da. Er sollte und wollte dafür sorgen, dass die frisch gegründeten Christengemeinden wachsen. Dass sie Tiefe gewinnen. Und ganz praktisch: Dass sie gute Gemeindeleiter bekommen. Würde das nicht gelingen, wäre die ganze missionarische Aktion nur ein Strohfeuer kurz aufflammender Begeisterung gewesen. Das aber wäre zu wenig!

Noch mehr erfahren wir: Die jungen Christen auf Kreta werden sehr schnell in üble Zerreißproben gestellt. Darum ist gute Begleitung umso wichtiger. Religiöse – Paulus urteilt nicht zimperlich – „Schwätzer und Schwindler“ mischen sich ein. Sie führen die Predigt des Paulus fort und verschieben dabei unmerklich die Inhalte der Verkündigung. Viele von ihnen stammen offenbar aus dem Judentum und haben jüdische Speisevorschriften und Regeln tief verinnerlicht. Nun geht es plötzlich immer häufiger darum, was ein Christ essen darf oder auch auf keinen Fall, welche jüdischen Feiertage man mitfeiern muss, was ein Christ überhaupt zu tun und zu lassen hat. Vielleicht geht es auch um hochfliegende, theologische Deutungen des Alten Testaments, die die Christen sich angeblich unbedingt aneignen müssen, wenn es nach diesen Predigern geht. Was bei Paulus in die Mitte gehört, das Vertrauen auf Jesus Christus, gerät als Folge nun mehr und mehr an den Rand. Mit ihren seltsamen Lehren verunsichern diese Prediger die Christen und bringen ganze Hausgemeinschaften vom rechten Glauben ab. Denn der Herr eines Hauses zieht seine Familie und die Bediensteten mit. Dass die selbsternannten Verkündiger sich offenbar auch noch gut für ihre Dienste entlohnen ließen, macht die Sache nicht besser.

Verschärft wird das Ganze noch durch eine gewisse Gemütsart der Menschen in Kreta, die damals geradezu sprichwörtlich gewesen zu sein scheint: Sie fallen leicht auf Unwahres und Sinnliches herein. Ein wenig schmeichelhaftes Zitat eines kretischen Philosophen sagt den Menschen Verlogenheit, Streitsucht und Genusssucht nach. Paulus zitiert hier ein Sprichwort, das Epimenides zugeschrieben wurde, verfasst etwa 600 vor Christus. Und Paulus macht keinen Hehl daraus: Da scheint was dran zu sein! Die Menschen auf Kreta haben sich, so seine Erfahrung, wirklich als anfällig erwiesen für solche von Menschen erdachten Lehren und Verdrehungen. Also aufgepasst!

Paulus schreibt an Titus, warnt vor faulen Kompromissen, ermutigt zur Klarheit, ruft zur Umkehr. Titus braucht solchen Beistand und solche Ermutigung, um in diesen Herausforderungen klar Kurs halten zu können!

Was wir noch konkret greifen können, ist die Frage, die jüdische Christen auch andernorts stark beschäftigt hat: Was ist rein und darf getan bzw. gegessen werden? Und was ist unrein und ein Christ kann da nur Abstand halten? Damit einher geht die Angst, etwas Falsches zu machen. Unreines Fleisch zu essen, oder sonst wie mit „Unreinem“ in Kontakt zu kommen. Paulus kontert knapp und klar: „Wer rein ist, für den ist alles rein“. Er kann sich dabei auf Jesus berufen, der nach Markus 7 klar zwischen „Magen“ und „Herz“ unterscheidet. Was über Mund und Speiseröhre aufgenommen wird, kommt in den Magen, so Jesus, und kann den Menschen nicht unrein machen. Damit, so heißt es ausdrücklich, „erklärte Jesus alle Speisen für rein“. Das jedoch, was aus dem Herzen des Menschen herauskommt, das macht ihn unrein:

Böse Gedanken,
Diebstahl,
Habgier,
Neid,
Lästerung,
Überheblichkeit
und anderes mehr.

Im Herzen, nicht im Magen liegt die Wurzel der Unreinheit. Titus wird aufgerufen, das immer neu zu unterscheiden, damit – im Griechischen steht hier das Wort, das verwendet wird, wenn man einem Hund einen Maulkorb anlegt – damit den falschen Verkündigern „das Maul gestopft wird“ und die verunsicherten Christen zum Glauben zurückfinden.

„Wer rein ist …“ – dorthin führt für Paulus nur ein Weg: Nicht meine Anstrengungen, irgendwie rein zu leben, sondern, dass Jesus Christus mich rein macht. Sein Tod am Kreuz hat reinigende Kraft. Indem ich mich zu ihm stelle, bin ich rein, wie er rein ist. Er steckt mich sozusagen an mit seiner Reinheit. Mit seiner Freiheit. Mit seiner Ewigkeit. Es wäre ein Rückschritt, ja sogar ein Verrat, das Heil jetzt wieder an irgendwelche Bedingungen zu knüpfen. Es gibt nur eine logische Konsequenz dessen, was Jesus mir aus purer Liebe schenkt: Ihm nachfolgen! Ohne Angst, aber mit Ernst. So, dass Reden und Handeln zueinander passen, nicht wie bei den eigenmächtigen Predigern, die zwar fromm daherreden, aber letztlich alles verdrehen und nur Unfrieden und Spaltung produzieren.

Wie gesagt: Wir heißen nicht Titus und waren seinerzeit nicht verantwortlich für ein Gemeindeaufbauprojekt auf Kreta. Der erste Adressat des Briefes, den Paulus geschrieben hat, sind wir nicht. Wir können nur hoffen, dass die deutlichen Worte damals ihre Wirkung nicht verfehlt haben. Und dass Titus die richtigen Leute für die Leitung der Gemeinden finden konnte, dass es gelungen ist, Jesus zu folgen und andere weiter dazu einzuladen.

Doch auch als spätere Leser und Hörer spüren wir den Ernst der angesprochenen Themen. Keineswegs passen sie nur auf die damalige Situation, und natürlich auch nicht bloß nach Kreta!

Da ist die zentrale Erkenntnis: Jesus Christus ist der Weg zum Heil, für alle, Juden und Nichtjuden, Frauen und Männer, alle. Das ist die Mitte! Und das muss die Mitte bleiben, sonst führen wir durch die Hintertür doch wieder Glaubenswege ein, die von Christus wegführen.

Da ist Grund zur Freude und Dankbarkeit: Rein darf ich sein, weil Christus mich reinwäscht. Dazu ist er gekommen. Dafür ist er gestorben. Das ist seine Mission. Er will mir ein neues Herz schenken. Ein Herz, dem wichtig wird, was ihm wichtig ist. Wunderbar, wenn mir das gilt!

Und da ist eine Ermahnung: Reden und Leben gehören zusammen und sollen auch in meinem Leben einen guten Zusammenhang bilden. Nicht wie bei den Irrlehrern auf Kreta, die vorgeben, Gott zu kennen und zu lieben, ihn aber durch ihr Handeln verleugnen. Die Bibel spricht oft von den Früchten, die dort wachsen, wo das Evangelium geglaubt wird. Wo Menschen Jesus nachfolgen. Auch wenn nicht immer alles gelingen wird, auch wenn Christen Fehler machen werden und Fehler machen dürfen – die Orientierungspunkte sind klar:

Frieden.
Liebe.
Sanftmut.
Freude.
Geduld.
Freundlichkeit.
Selbstbeherrschung.
Güte.

Christen zeichnen sich dadurch aus, dass sie leben, was sie glauben, und tun, wovon sie reden. Dadurch haben sie eine gute Ausstrahlung. So gesehen, sind Sie auch ein wichtiger Part in Gottes großem Gemeindebauprojekt – an dem Ort, wo Sie leben! 

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