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In Schmach, Schande und Scham (1)

Der Bibeltext Psalm 69,1-16 – ausgelegt von Frank Fandrich.

Von David, vorzusingen, nach der Weise »Lilien«. Gott, hilf mir! Denn das Wasser geht mir bis an die Kehle. Ich versinke in tiefem Schlamm, wo kein Grund ist; ich bin in tiefe Wasser geraten, und die Flut will mich ersäufen.[...]

Psalm 69,1–16

O – was ist denn hier los? Sind die Psalmen im Alten Testament der Bibel nicht voller Loblieder, voller Zuversicht und Freude, sind es nicht Texte, die Trost und Hoffnung spenden? Ja, das ist in vielen Fällen richtig, aber es gibt auch Psalmen, in denen ihre Autoren mit einer großen Ehrlichkeit und ohne Beschönigung beschreiben, wie schwer das Erlebte war oder welche Unruhe und Traurigkeit sie erlebt haben. Hier, im Psalm 69, redet jemand, der in sehr schweres Fahrwasser geraten ist. Hier redet jemand, der der Verzweiflung nahe ist. Hier redet jemand, der in heftige Bedrängnis geraten ist und Gott dies alles vorträgt. Im Leben des Verfassers dieses Psalms, des Königs David, ist eine harte Zeit angebrochen. Und ich frage mich unwillkürlich: Wie konnte es dazu kommen? Kenne ich David nicht als einen König, der in Gottesfurcht, Weisheit und Glauben sein Volk geführt hat? Jemand, dem Gott Siege geschenkt hat? Jemand, der in seinem Leben auch versagt hat und dieses Versagen Gott eingestanden und Gnade und Neuanfang erfahren hat?

Davids Name wird sogar an vielen Stellen in der Bibel bis ins Neue Testament als eine positive Referenz genannt. David als “Mann nach dem Herzen Gottes” im 1. Buch Samuel Kapitel 13 und Apostelgeschichte, Kapitel 13.  David als Vorbild für spätere Könige. David als Dichter vieler Psalmen, die bis heute Trost spenden: Denken Sie nur an Psalm 23: „Der Herr ist mein Hirte, mir wird nichts mangeln.“ David wird im Matthäus- und Lukas- Evangelium sogar als Vorfahre Jesu Christi genannt und Jesus wird mit der Ergänzung, “du Sohn Davids” angesprochen. Und hier nun in Psalm 69 höre ich von David Worte der Verzweiflung und Klage? Wie passt das zusammen?

Es ist nicht sicher, wann David diesen Psalm geschrieben hat. Wahrscheinlich ist, dass David diesen Psalm während des Aufstands von Absalom geschrieben hat. Was ist damals geschehen? David erlebt, wie sich sein Sohn Absalom durch eine List gegen ihn wendet und sich selbst zum König ausrufen lässt. David flieht schließlich aus Jerusalem, und sein Sohn Absalom zieht mit seinen Kriegsleuten gegen seinen eigenen Vater David mit dessen Leuten. David und seine Leute gewinnen und Absalom wird getötet, was David sehr sehr betrübt. Vielleicht hat David die Verse dieses Psalms gebetet, als er allein ist und ihm das ganze Ausmaß der Tragik bewusst wird. David sagt in den Versen 2 und 3: „Gott, hilf mir! Denn das Wasser geht mir bis an die Kehle. Ich versinke in tiefem Schlamm, wo kein Grund ist; ich bin in tiefe Wasser geraten, und die Flut will mich ersäufen.“

Was kann mir das für mein heutiges Leben sagen?

1. Jeder Mensch, selbst einer, der so bekannt und in vielen Dingen so vorbildlich ist wie König David, erlebt auch dunkle Stunden in seinem Leben. Auch ein Mensch, der wie David voll Gottesfurcht und Gottvertrauen ist, kann in eine tiefe Not kommen. Die Ursache dieser Not kann von außen kommen, ohne dass ich dazu einen Anlass gegeben habe. David sagt in Vers 5 „Die mir ohne Ursache feind sind / und mich verderben wollen, sind mächtig.“ Es kann aber auch sein, dass mir eigene Schuld und eigenes Versagen bewusstwerden, wie in Vers 6 „Gott, du kennst meine Torheit, und meine Schuld ist dir nicht verborgen.“ Schwere Stunden, Angst, vielleicht Krankheit, Verluste, eigenes Versagen sind Teil des Lebens auch derer, die Gott zutiefst vertrauen.

2. Das Großartige an diesem Psalm ist, dass David dies alles ehrlich Gott sagt. Er nimmt kein Blatt vor den Mund. Er zieht sich nicht zurück. Er verschweigt es nicht. Er redet es nicht schön. Ich darf Gott alles sagen. Ihm mein Herz ausschütten. Ich kann ihm sagen, was ich nicht verstehe. Ich sage Gott, wenn mir mein eigenes Versagen bewusst wird. Was zeigt besser, wie wahr es ist, dass Gott mein Vater ist. Und zunehmend wird in diesem Psalm aus der Klage über den erlebten Zustand eine Bitte an Gott: „Lass nicht zuschanden werden“ in Vers 7 und später in Vers 14 „Ich aber bete, HERR, zu dir zur Zeit der Gnade; Gott, nach deiner großen Güte erhöre mich mit deiner treuen Hilfe.“

Ich brauche das Schwere, die unverstandenen Nöte, die eigene Schuld nicht in mich hineinfressen. Ich rufe meinem Gott, der hört, der mich versteht, der gnädig ist, meine Not, meinen Zweifel entgegen und glaube, dass er eingreifen und helfen wird. Vielleicht ist das Eingreifen Gottes anders als ich es mir wünsche oder erwarte, aber mein Rufen bleibt nicht unerhört und die Not ist nicht sinnlos.

3. Die Deutung dieser Verse kann aber noch viel weiter reichen. Sie kann als ein Hinweis auf das verstanden werden, was im Neuen Testament beschrieben wird. An vielen Stellen im Neuen Testament gibt es Bezüge auf die Verse in Psalm 69. Insbesondere als der Sohn Gottes, Jesus Christus, unschuldig zu einer Todesstrafe am Kreuz verurteilt wird.  David beschreibt im Psalm 69, dass er unschuldig leidet, ein Hinweis auf Jesus, der ohne Schuld verurteilt und die unbeschreiblich grausame Form der Todesstrafe durch Kreuzigung erleidet. Kurz vorher ist Jesus noch im Garten Gethsemane. Und in Anlehnung an Psalm 69 erlebt Jesus dort tiefe Angst und Traurigkeit und ringt mit dem bevorstehenden Leiden. Er bittet: „Mein Vater, ist’s möglich, so gehe dieser Kelch an mir vorüber“. Jesus erlebt dort auch Verlassenheit, denn seine Jünger schlafen ein, obwohl er sie bittet, mit ihm zu wachen. Und er gibt sich völlig hin und betet zu Gott seinem Vater: „Doch nicht wie ich will, sondern wie du willst.“

Der Psalm 69 ist mit Vers 16 nicht zu Ende und die Geschichte Jesu ist mit dem Leid und der Kreuzigung auch nicht zu Ende. Nach einer Periode der Not und des Leides wendet sich das Blatt. Wenn ich Psalm 69 weiterlese, sehe ich wie David sich mit neuer Zuversicht Gott zuwendet.

Und wenn ich weiter im Neuen Testament lese, merke ich:  Der Kreuzestod Jesu ist nicht ohne Sinn, sondern er ist gänzlich im Plan Gottes. Hier leidet Gottes Sohn als ein Stellvertreter für uns Menschen: Er ist unschuldig und trägt meine Schuld an meiner Stelle, damit ich vor Gott bestehen kann. Nach der Kreuzigung, dem Leid und dem Tod folgt die Auferstehung und neues Leben. Was auf den ersten Blick unverständlich und sinnlos erscheint, stellt sich als Gottes Plan mit einem wunderbaren Ziel heraus. In dieser Zuversicht können auch Sie in Zeiten der Not zu Gott rufen und wissen, dass er Sie hört, eingreift und ans Ziel führt.

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