/ Anstoß - Gedanken zum Tag
Eine wichtige Frage
Wolf-Dieter Kretschmer über 1. Korinther 4,7.
Was hast du, das du nicht empfangen hast?
Manchmal kommt es in christlichen Gemeinden zu unschönen Situationen. Verschiedene Erkenntnisse prallen aufeinander. Gestritten wird um das richtige Verständnis der Heiligen Schrift, um den passenden Musikstil im Gottesdienst oder – früher war das oft der Fall – wie man sich angemessen kleidet.
Während die einen treu an dem festhalten, was scheinbar immer schon gegolten hat, wollen die anderen sich für Neues öffnen.
Was dann entsteht ist weniger ein Streit um Wahrheit als eine Auseinandersetzung darüber, wessen Sicht die „richtige“ ist oder wer mehr Einfluss auf die künftige Ausrichtung der Gemeinde nehmen kann.
Ähnlich ging es den Christen in Korinth. Es gab mehrere Strömungen in der Gemeinde und teils handfesten Streit darüber, wer Recht hatte. Der Apostel Paulus sah sich herausgefordert, die Gemeinde an ein paar grundsätzliche Wahrheiten zu erinnern. Eine versteckt sich hinter der Frage:
Was hast du, das du nicht empfangen hast? (1. Korinther 4,7)
Paulus erinnert mich daran, dass meine Erlösung nicht auf meine Leistung zurückzuführen ist. Ich habe sie empfangen. Und deshalb nehme ich dankbar und demütig an, was mir geschenkt wurde. Aber nicht nur das. Weil mir klar wird, dass auch mein Gegenüber empfangen hat, wertschätze ich das, was sie oder er von Gott erhalten haben.
In dem wir unsere Prägungen und Sichtweisen zusammenbringen und einander in unserer Unterschiedlichkeit wertschätzen, kann für alle etwas Gutes entstehen.
Ihr Kommentar
Kommentare (1)
Lieber Herr Kretschmer,
falls es Ihnen bisher entgangen sein sollte: wir leben im Zeitalter der Individualisierung. „Individualisierung ist der Prozeß, den Freiheitsraum und die Möglichkeiten für … mehrden Einzelnen auszuweiten. Normgebende Institutionen wie die Politik oder die Kirche verlieren an Autorität und legen die Antwort auf die Frage, welche Lebensweise die richtige ist, in die Verantwortung des Einzelnen.“ Wenn wir heute die christliche Welt wahrnehmen, so nehmen wir auch hier eine fortschreitende Individualisierung insbesondere auf dem Gebiet christlicher Musik wahr. Dazu mag man stehen, wie man will. Meiner Überzeugung nach ist diese Entwicklung nicht im Geist von Jesus Christus. Denn die neue christliche Musik unterscheidet sich nicht mehr vom Musikstil der Welt. Ausgerechnet hier verwischt heute die Unterscheidungsfähigkeit von christlichem Glauben und weltlichem Leben – warum ist das so? Ich frage mich, wie weit wir auch als Christen gefallen sind, daß wir es gutheißen, wenn Interpreten in hoher emotionaler Aufmachung recht banale Texte präsentieren und dabei anscheinend auf große Resonanz der Leute stoßen. Wir leben in der Endzeit: gesellschaftspolitisch, vom Zustand der Erde her – Stichwort: Umweltbelastung und Raubbau an der Natur –, aber auch in der christlichen Welt, der es heute an einem evangeliumsgemäßen Kompaß mangelt. Dies jedenfalls ist mein Eindruck im Jahr 2022. Paulus aber fordert uns dazu auf, die Geister zu prüfen und das Gute zu erkennen. Herzl.Gruß