23.09.2024 / Andacht

Wenn das Herzklopfen ausbleibt

Ist es schlimm, wenn die Leidenschaft für Jesus Glaubensroutine Platz macht? Eine Andacht.

Ich erinnere mich noch, als ich das erste Mal verliebt war. Vielleicht kannst auch du dich noch daran erinnern. Ich konnte kaum an etwas anderes denken als an die (damalige) Dame meines Herzens. Der Himmel hing voller Geigen und ich schien wie auf Wolken zu gehen. Ein wunderschönes Gefühl, aber ehrlich gesagt irgendwie auch anstrengend und überfordernd.

Liebe verändert sich

Es hat schon seinen Sinn, dass die Verliebtheit irgendwann etwas Tieferem Platz macht. Studien haben gezeigt, dass die leidenschaftliche Liebe das Gehirn auf eine Weise befeuert, die einer Sucht gleicht. Auch deshalb hält die Verliebtheitsphase maximal 30 Monate an. Man kann nur hoffen, dass sie dann in das tiefere, aber weniger „intensive“ Gefühl der Liebe übergeht.

Kurzum: Liebe verändert sich. Das ist überhaupt nicht schlimm und jedem klar, der länger als ein paar Jahre verheiratet ist.

Mit dem Glauben an Jesus verhält es sich ganz ähnlich. Kein Wunder, denn auf gewisse Weise ähnelt die Beziehung zu Gott einer Liebesbeziehung zwischen zwei Menschen.

Wenn der Glaube im Alltag angekommen ist

Und hier beginnt ein Problem, mit dem ich jahrelang gekämpft habe. Als ich zum Glauben an Jesus gekommen bin und erste intensive Erfahrungen mit Jesus und dem Heiligen Geist gemacht habe, war ich Feuer und Flamme. Ich war leidenschaftlich und engagiert. Die Bibel nennt das die erste Liebe (vgl. Offenbarung 2, 4-5).

So wie in der Ehe der Rauschzustand des Verliebtseins verfliegt, kann auch die erste Liebe zu Gott „erkalten“.

So wie man in der Ehe im Alltag ankommt, ist auch bei mir im Glauben eine Gewöhnung eingetreten.

Leidenschaft lässt sich nicht erzwingen

Lange Jahre habe ich mir Vorwürfe gemacht, dass die Beziehung zwischen mir und Jesus auf einmal mehr einem Beamtenverhältnis ähnelt als einer Liebesbeziehung: Ich tat treu meinen Dienst für meinen „Dienstherren“, wollte aber lieber zurück zum leidenschaftlichen Glauben des Anfangs.

Das Problem dabei: So etwas kann man nicht erzwingen. Ich zumindest nicht. In den letzten Jahren hat sich meine Perspektive verändert. Ich habe festgestellt, dass meine Verliebtheit in Jesus – so wie in der Ehe – einem tieferen Gefühl Platz gemacht hat: nämlich Liebe.

Die ist manchmal harte Arbeit. Aber sie ist verlässlicher, sichererer und tiefer als Verliebtsein.

Was bedeutet „mit ganzem Herzen“?

In Matthäus 22,37-38 steht ein Vers, den ich seither mit anderen Augen lese: „Jesus aber sprach zu ihm: Du sollst lieben Gott, deinen Herrn, von ganzem Herzen, von ganzer Seele und von ganzem Gemüt. Dies ist das höchste und größte Gebot“.

Ich dachte immer, dass mit „von ganzem Herzen“ mit aller Leidenschaft meint. Aber so wie ich in der Ehe nicht jeden Tag mit Schmetterlingen im Bauch aufwache, ist es auch mit Gott. Manchmal ist meine Gottesbeziehung einfach nur gewöhnlich. Das ist aber nicht schlimm. Denn ich weiß mich geborgen bei und in Gott.

Ich liebe Gott vielleicht nicht mehr so explosiv und leidenschaftlich wie früher, dafür aber auf andere, tiefere und für mich verlässlichere Art und Weise.

Mit ganzem Herzen – das schließt für mich heute die Phase der Verliebtheit ein, aber es soll und darf eben tiefer gehen.

Wenn ich heute mal wieder das Gefühl habe, nur dienstbeflissen meinen Dienst zu tun, ist das okay. Auch das bedeutet, Gott mit ganzem Herzen zu lieben. Denn ich habe erlebt, dass mein tiefes Vertrauen in Gott mich auch durch Zeiten trägt, die schwer sind oder in denen ich mich Gott eher fern fühle.
 

Autor/-in: Claas Kaeseler