14.11.2018 / Andacht

Warum, Gott?

Wie man über dem Leid der Welt nicht den Glauben verliert.

Haben Sie Gott schon mal einen Brief geschrieben? Was würden Sie in einen solchen Brief schreiben? Würden Sie Gott danken, würden Sie ihm Fragen stellen oder ihn vielleicht sogar anklagen? Mich hat vor kurzem ein solcher Brief an Gott in Liedform fasziniert. Nicht weil die Sängerin so begeistert von Gott ist, sondern wegen ihrer Ehrlichkeit.

Sie beginnt ihren Brief übersetzt mit: „Lieber Gott, ich hoffe, du bekommst diesen Brief und ich bete, du kannst es hier unten besser machen…“ Und dann zählt die Sängerin alles auf, was sie an Gott stört; alles, was sie an ihm zweifeln lässt: Den weltweiten Hunger, die vielen Tränen und die Kriege zwischen verschiedenen Religionen. Schließlich kommt die Sängerin zu dem Fazit: „Lieber Gott, ich kann nicht an dich glauben!“

Während ich diese Worte hörte, kamen mir drei Gedanken in den Kopf: Erstens: Ich kann diese Argumentation gut verstehen. Wer mit wachsamen Augen durch die Welt geht, muss geradezu an einem liebenden Gott verzweifeln. Zweitens: Wieso schreibt man ein Lied an einen Gott, an den man nicht glauben kann oder will? Drittens: Ich wünschte, ich könnte diese Argumentation gegen Gott mit wenigen Sätzen entkräften, aber ich kann es nicht.

Die persönliche Gotteserfahrung ist der Schlüssel

Doch wieso glaube ich trotz allem Elend und Leid glauben, wenn ich doch die Sängerin so gut verstehen kann? Warum kann ich glauben und die Sängerin nicht? Das hängt wahrscheinlich damit zusammen, dass ich Gott in meinem Leben schon persönlich erlebt habe. Daran, die Leidfrage zu beantworten, haben sich schon viele Theologen die Zähne ausgebissen und auch ich habe keine wirkliche Antwort darauf.

Auch die Bibel gibt nur Hinweise auf den Ursprung von Leid, Krieg und Tod, aber keine abschließende Antwort dazu. Und schon dort lesen wir ähnlich anklagende Sätze an Gott wie in dem zitierten Lied. So dichtete etwa David in Psalm 22,1-3: „Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen? Ich schreie, aber meine Hilfe ist ferne. Mein Gott, des Tages rufe ich, doch antwortest du nicht, und des Nachts, doch ich finde keine Ruhe.“

Genau wie die Liedschreiberin hat David existenzielle Zweifel. Er betet zu Gott, aber bekommt keine Antwort. Doch statt wie die Sängerin das Fazit zu ziehen: „Dich gibt es nicht, Gott“, fährt David fort: „Du aber bist heilig.“ Woher nahm David diese Überzeugung in einer Situation, in der er sich von Gott völlig im Stich gelassen fühlte? Ganz einfach: Aus seiner Erfahrung. David hatte Gottes Eingreifen und seine Nähe schon oft erlebt und er wusste, wie Gott das Volk Israel immer wieder geführt und beschützt hatte. Deswegen war er überzeugt: Gott gibt es und er meint es gut mit mir. Diese Überzeugung konnte ihm niemand nehmen.

Ein Gott, der mitleidet

Auch ich kann nur deshalb glauben, weil ich in allem Leid, was ich selbst erleben musste oder bei anderen beobachte, immer wieder Gottes Gegenwart, sein Eingreifen und sein Mitleiden erlebt habe. Jesus Christus, den Christen als Gottes Sohn anbeten, ist dafür das beste Beispiel. Er lebte und starb wie ein Mensch. In allem wurde er uns gleich und fühlte Leid, Folter und gewaltsamen Tod am eigenen Körper. Als er am Kreuz von allen seinen Freunden und Unterstützern verlassen war, betete er diesen Psalm Davids: „Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?“

Auch ich kann nur deshalb glauben, weil ich in allem Leid, was ich selbst erleben musste oder bei anderen beobachte, immer wieder Gottes Gegenwart, sein Eingreifen und sein Mitleiden erlebt habe. Jesus Christus, den Christen als Gottes Sohn anbeten, ist dafür das beste Beispiel.

Wenn ich für mich die Frage nach dem Leid beantworten will, komme ich um Jesus nicht herum. Den Jesus, der zu seinen Jüngern einmal sagte: „In der Welt habt ihr Angst, aber seid getrost, ich habe die Welt überwunden.“ (Johannes 16,33). Das Leid lässt sich nicht wegdiskutieren − genauso wenig wie manche Glaubenskrise. Aber Gott verspricht uns: Leid, Kummer, Not und Tränen werden ein Ende haben. Und noch besser: Gott ist nur ein Gebet weit entfernt und hat ein offenes Ohr für unsere Fragen und Zweifel. Probieren Sie es doch einfach aus und reden Sie mal mit ihm.

Autor/-in: Rebecca Schneebeli

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