21.09.2022 / Bericht

Von der Hochkultur zur humanitären Katastrophe

Jemen: Ein Land im Dauerkrieg.

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Ganz im Süden der Arabischen Halbinsel befindet sich der Jemen. Im Norden grenzt er an Saudi-Arabien, im Osten an den Oman.

Aufgrund des seit Jahren andauernden Bürgerkrieges ist der Jemen heute als zusammengehöriger, souveräner Staat nicht mehr existent. Dabei war er in der Vergangenheit eine Hochkultur.

Glückliches Arabien

Ab dem 2. Jahrtausend v. Chr. entwickelte sich das Gebiet des heutigen Jemen zum politischen und kulturellen Zentrum Arabiens. Es war Drehscheibe des Fernhandels zwischen Ostafrika, Indien und dem Mittelmeerraum. Gehandelt wurde mit Edelsteinen, Gewürzen, Weihrauch und Myrrhe. So entstand eine hochentwickelte Kultur, in der ein ausgeklügeltes Bewässerungssystem entstand. Die bedeutendste Anlage war der Staudamm von Marib aus dem 8. Jahrhundert v. Chr. Er galt als größtes technisches Bauwerk der Antike und als Wunder Arabiens.

Die Römer nannten den Jemen wegen seiner Reichtümer Arabia Felix (glückliches Arabien). Nach dem Ersten Jüdischen Krieg um 70 n. Chr. brachten Flüchtlinge das Judentum in den Jemen. Unter äthiopischem Einfluss verbreitete sich dann in Teilen Südarabiens das Christentum.

Noch zu Lebzeiten des Propheten Muhammad kam der Jemen mit dem Islam in Berührung. Der letzte persische Statthalter, Badham, wurde 628 Muslim. Ab dieser Zeit fiel der Jemen in den Herrschaftsbereich des Islams.

Die Moscheen von Dschanad und die Große Moschee von Sanaa wurden erbaut. Doch der Übertritt des Jemen zum Islam war ein uneinheitlicher Prozess.

Durch religiös-politische Machtkämpfe zerfiel das Reich Ende des 9. Jahrhunderts in Teilstaaten.

Machtkämpfe um die Vorherrschaft in der arabischen Welt gibt es auch heute.

Wiedervereinigung 1990

Im Jahr 1990 kam es zu einer Vereinigung des damaligen Nord- und Südjemen. Die Jemenitische Arabische Republik im Norden und die Demokratische Volksrepublik Jemen im Südosten bildeten einen Staat. Der Präsident des Nordens, Ali Abdullah Salih, wurde Präsident des gesamten Reiches.

Proteste im Arabischen Frühling

Armut, Unterdrückung und interne Machtkämpfe führten während des sogenannten „Arabischen Frühlings“ 2011/2012 auch im Jemen zu Protesten. In dessen Folge trat Präsident Salih zurück. Sein Nachfolger, Mansur Hadi, hatte nur kurz die Kontrolle über das Land. Er schaffte es nicht, den Jemen zu einen und für einen wirtschaftlichen Aufschwung zu sorgen. Das nutzten die sogenannten Huthis unter ihrem Führer Hussein Badreddi al-Huthi aus. In einer militärischen Offensive nahmen sie große Teile des Landes ein. Auch andere Gruppierungen schlossen sich den Huthis an. Präsident Hadi floh schließlich ins Exil nach Saudi-Arabien.

Zurzeit kontrollieren die Huthis die Hauptstadt Sanaa und große Teile drum herum. Andere große Bereiche sowie die Stadt Aden, sind weiterhin in der Hand der Exilregierung um Präsident Hadi. Zudem gibt es Gebiete, die von einem Ableger von Al-Quaida und anderen islamistischen Gruppen besetzt werden.

Ein Stellvertreterkrieg um die Vormacht in der arabischen Welt

Dieser Konflikt ist jedoch nicht nur ein Konflikt zwischen aufständischen Gruppierungen und der Regierung. Im Grunde ist es ein Stellvertreterkrieg um die Vorherrschaft in der gesamten Arabischen Welt. Die Hauptakteure dabei sind Saudi-Arabien auf der einen Seite und der Iran auf der anderen. Saudi-Arabien unterstützt die Regierung und der Iran die Huthis.

Die Saudis befürchten, dass sich im Jemen feindliche Mächte etablieren und von dort aus angreifen könnten. Zudem ist Saudi-Arabien an einer Vormachtstellung in der Region interessiert - vor allem aus wirtschaftlichen Gründen.

Gleichzeitig spielen aber auch religiöse Aspekte eine Rolle. Saudi-Arabien ist sunnitisch geprägt, der Iran schiitisch. Die Anhänger beider islamischer Strömungen kämpfen schon lange um die Dominanz in der islamischen Welt.

Beide Länder pflegen außerdem Beziehungen zu anderen Staaten, die ebenfalls Interesse an diesen Gebieten haben. So gibt es Annäherungen zwischen Saudi-Arabien, Israel, den USA und weiteren Staaten. Dazu kommen auch Waffenlieferungen: Eine Entwicklung, die dem Iran missfällt. Er bekommt Unterstützung von der Hisbollah aus dem Libanon.

Eine humanitäre Katastrophe

Die Leidtragende dieses nicht enden wollenden Konflikts ist die Zivilbevölkerung. Vor allem die Kinder sind betroffen. Im Jemen herrscht eine der größten humanitären Krisen der Welt. Es fehlt an Nahrung, sauberem Wasser und Medikamenten. Davon ist weit mehr als die Hälfte der Bevölkerung betroffen.

Zudem droht eine Ölpest im Roten Meer. Seit Jahren treibt ein rostender Öltanker vor der Küste des Jemen. Jeder Zeit könnte er explodieren und eine Umweltkatastrophe auslösen.

Doch einen kleinen Hoffnungsschimmer scheint es zu geben: Im April ist Präsident Hadi zurückgetreten und hat seine Macht an einen Präsidialrat übergeben. Außerdem gibt es seit April eine Waffenruhe. Die wurde Anfang August verlängert und gilt noch bis zum 2. Oktober. Die UN vermittelt zwischen den Konfliktparteien. Beide Seiten sind sogar bereit, auf eine noch weiterreichende Einigung hinzuarbeiten.

Autor/-in: Katja Völkl