05.08.2019 / Soziale Gerechtigkeit

"Paritätischer" will 600 Euro Kindergeld

Die Forderung: Das Bildungs- und Teilhabepaket muss abgeschafft und neu aufgestellt werden.

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„Nach wie vor zählen etwas mehr als 20 % der Minderjährigen zu den Armen in Deutschland!“ Jedes fünfte Kind in Deutschland gilt nach Aussage von Ulrich Schneider vom Paritätischen Gesamtverband also als arm. Doch was heißt arm in diesem Zusammenhang? Es gehe nicht darum, dass Eltern oder alleinerziehende Mütter Flaschenpfand sammeln würden. „Armut heißt für uns in diesem reichen Deutschland, dass Kinder abgehängt sind, dass sie einfach nicht mehr mitmachen können, sei es im Turnverein oder beim Erlernen eines Musikinstruments. Oder dass sie sich beim Ausflug in den Zoo auch mal eine Kugel Eis leisten können.“

Kinder, die das nicht könnten, würden ausgegrenzt, ziehen sich zurück und hätten auch ein höheres Risiko, krank zu werden.

Arme Eltern sparen bei sich selber

Gleichzeitig zeige eine aktuelle Studie: Familien mit wenig Einkommen würden nicht automatisch ihre Kinder vernachlässigen. Für die Mehrheit gelte das Gegenteil, so Schneider: „Die armen Eltern sparen in erster Linie bei sich selber und versuchen das, was an Einsparungen zu tätigen ist, weil kein Geld vorhanden ist, nicht bei den Kindern umzusetzen.“

Bei den 10% der ärmsten Familien bedeute das aber auch: Sie hätten im Schnitt 135 Euro im Monat weniger an Einkommen und Hilfsleistungen, als sie brauchen. Und sie geben deshalb mehr aus, als sie eigentlich zur Verfügung haben. „Entweder, man hat noch Erspartes oder man muss Schulden machen.“ Für Ulrich Schneider ist das mit ein Grund, warum es in Deutschland inzwischen mehr als sechs Millionen überschuldete Erwachsene in Deutschland gibt.

Starkes-Familien-Gesetz sei eine „peinliche Veranstaltung“

Wo nicht genügend Geld fürs tägliche Leben da ist, nützten auch die aktuellen Gesetze der Bundesregierung zur Teilhabe nichts. Denn egal ob Sportverein oder Musikschule: Die monatlichen Zuschüsse von 15 Euro deckten nur einen Teil der Kosten ab. Schneider betrachtet daher das Starke-Familien-Gesetz der Bundesregierung als „peinliche Veranstaltung“.

Die Forderung des Paritätischen Gesamtverbands, der über 10.000 Wohlfahrtsorganisationen in Deutschland vertritt, ist daher ein existenzsicherndes Kindergeld von 600 Euro im Monat. Darüber hinaus fordert Ulrich Schneider eine Umstrukturierung des staatlichen Hilfssystems für Familien, die auf Hilfe zum Lebensunterhalt angewiesen sind. Um der Kinder willen. Diese hätten „im Jobcenter nichts verloren“. Sie seien keine „kleinen Arbeitslosen“, sondern Individuen, denen Freizeit- und Hilfsangebote im Rahmen der auf sie zugehenden Jugendarbeit gemacht werden müssten, gerade dann, wenn die eigenen Eltern sich nicht um die Förderung ihrer Kinder bemühten.

All das könne ein Jobcenter, das nur für die Geldleistungen der Kinder zuständig ist, nicht leisten. Folglich fällt die Beurteilung des Paritätischen Gesamtverbands über das staatliche Hilfssystem für arme Familien in Deutschland vernichtend aus: „Das ganze Bildungs- und Teihabepaket ist so falsch aufgestellt, das wir sagen: Komplett abschaffen und neu aufstellen!“

Autor/-in: Oliver Jeske