14.02.2023 / Gottesbilder

Gott, die Spaßbremse

Dass Gott immer dann einschreitet, wenn der Spaß beginnt, gilt als ausgemacht. Ein frischer Blick auf eine bekannte Geschichte schafft Abhilfe.

Es war im letzten Sommer in der Basilica di Santa Maria Assunta, dem Dom von San Gimignano, Toskana. Ich hatte mich dazu durchgerungen, für das Gotteshaus Eintritt zu bezahlen und betrat erwartungsvoll das Seitenschiff. Sofort wurde mein Blick von den aus dem 14. Jh. stammenden Fresken gefesselt, die die Seitenwände der Kirche komplett ausfüllen. Mehrere Maler aus Siena haben sich hier ausgelassen und in prächtigen Bildern 50 Geschichten der Bibel hinterlassen. Faszinierend, der Eintritt hatte sich gelohnt!

Das wollte ich festhalten. Also schnell meine Kamera ausgepackt und draufgehalten. Meine Faszination verflog jedoch im Nu, als mich eine kleine, sichtlich genervte Frau des Wachpersonals aus knapp zehn Metern Entfernung in gebrochenen Englisch und für die ganz Kirche hörbar darauf aufmerksam machte, dass Fotografieren hier nicht erlaubt sei. Nein, auch ohne Blitz nicht. Meine Kamera verschwand wieder in meinem Rucksack – und mit ihr die Begeisterung für diese Kirche. Was bildete sich diese Frau ein? Offensichtlich hatte sie es darauf angelegt, mir den Tag zu verderben.

Noch mehr Spaß verderben geht nicht

Wachmann, Anstands-Wauwau, Über-Ich, für viele Menschen ist Gott vor allem das. Der große Aufpasser, der tagaus tagein scheinbar nichts anderes zu tun hat, als dafür zu sorgen, dass seine Geschöpfe die Regeln einhalten. Der ultimative Knigge, der penibel darauf achtet, dass wir uns ordentlich benehmen – und immer dann einschreitet, wenn es gerade anfängt, Spaß zu machen.

Wer sich nicht an die Regeln hält, hat gelitten. Jetzt und in Ewigkeit. Wie ein großer Buchhalter sammelt er meine Vergehen und wartet nur darauf, sie mir zu gegebener Zeit zurückzuzahlen. Lieber Gott, noch mehr Spaß verderben geht nicht!

So zumindest die landläufige Meinung, gerade von Menschen, die mit Gott nicht viel anfangen können. Schließlich scheint Gott gegen Besitz (Matthäus 6,19), mehr Geld (Hebräer 13,5), Sex und Alkohol (Epheser 5,18) zu sein – letztlich gegen Genüsse aller Art, die die Welt zu bieten hat:

„Habt nicht lieb die Welt noch was in der Welt ist. Wenn jemand die Welt lieb hat, in dem ist nicht die Liebe des Vaters. Denn alles, was in der Welt ist, des Fleisches Lust und der Augen Lust und hoffärtiges Leben, ist nicht vom Vater, sondern von der Welt“, so Johannes in seinem ersten Brief (1. Johannes 2,15-16).

Christen als Mittäter

Aber auch wenn ich es gut mit Gott meine, bin ich nicht vor dem Gedanken gefeit, dass er mich hier und da einschränkt. Mir das eine oder andere vorenthält. Und tatsächlich wird Christen in der Bibel kein Himmel auf Erden versprochen. Wer Jesus nachfolgen will, muss bereit sein, sich selbst zu verleugnen und sein Kreuz auf sich zu nehmen (Lukas 9,23).

Ein exorbitantes Einkommen, ein völlig freies, genussorientiertes Sexualleben oder besonderes Ansehen gehören demnach nicht zur Standardausprägung eines christlichen Lebens.

So werden manche Christen Mittäter des Spaßverderbers und definieren sich in Abgrenzung zu anderen Menschen geradezu darüber, was sie nicht tun, wogegen sie sind und was andere lassen sollten. Andere Christen entwickeln sich zu Betroffenen, die das Gefühl nicht loswerden, dass ihr Gott ihnen etwas vorenthält, er es nicht so richtig gut mit ihnen meint und ihr Glaube sie nicht in die Freiheit führt, sondern einengt.

Gott schmeißt eine Party

Ist Gott als Spaßbremse überführt? Wohl kaum. Denn noch ist nicht alles zum Thema gesagt. Einige Aussagen der Bibel machen es einem nicht so einfach. Jesus spricht davon, er sei gekommen, damit seine Jünger das Leben in seiner ganzen Fülle haben sollen (Johannes 10,10). Christen sollen an der Fülle Gottes teilhaben (Kolosser 2,10). Damit ist noch nicht klar, was mit diesem Leben und dieser Fülle gemeint ist. Nach Spaßverderben und Kurzhalten hören sich beide Stellen aber nicht an.

Auch das weithin bekannte Gleichnis vom verlorenen Sohn (Lukas 15,11-32) bietet eine zentrale Aussage zum Thema. Leider geht sie meist unter, weil die eigentliche Botschaft der Geschichte eine andere ist. Der Gedankengang ist aber folgender: Gegen Ende des Gleichnisses erfährt der treue Sohn, wie das gemästete Kalb geschlachtet wird, als sein Bruder zurückkehrt. Der hatte jedoch seinen gesamten Erbteil verschleudert.

Natürlich wird er ungehalten und beschwert sich bei seinem Vater: „So viele Jahre diene ich dir jetzt schon und habe mich nie deinen Anordnungen widersetzt. Und doch hast du mir nie auch nur einen Ziegenbock gegeben, sodass ich mit meinen Freunden hätte feiern können!“ (Lukas 15,29) Wenn jemand das Gefühl hatte, sein Vater halte etwas zurück und ließe ihn zu kurz kommen, dann dieser Sohn.

Überrascht von Gott

Die Antwort des Vaters: „Du bist immer bei mir, und alles, was mir gehört, gehört auch dir.“ (Lukas 15,31) Ein Spaßverderber klingt anders. Dieser einfache, kurze Satz macht klar, dass der Sohn die ganze Zeit über feiern hätte können, es aber nicht gemacht hat – wahrscheinlich aus der Überzeugung heraus, der Vater würde es ihm nicht gönnen.

Der größte Fehler also, den ich mit dem Gefühl machen kann, Gott halte mich kurz, ist, es für mich zu behalten. Denn bei Gott wäre es gut aufgehoben.

Da der Vater in dem Gleichnis für Gott selbst steht, zeigt die Erzählung: Gott ist nicht daran gelegen, irgendjemanden kurz zu halten, den Spaß zu verderben, etwas vorzuenthalten. Er gibt gerne (Jakobus 1,5) und will Menschen an seiner Fülle teilhaben lassen.

Sicher, auch diese Stellen legen nicht nahe, dass von nun an der Überfluss herrscht und jedes Gebet erhört wird. Auch die Fragen in schwierigen Lebensumständen bis hin zum Leid sind nicht beantwortet. Die Mär vom Spaßverderber wird aber Lügen gestraft. Und wer weiß. Vielleicht überrascht mich Gott neu und beschenkt mich. Weil ich die Überzeugung, er würde mir nichts gönnen, über Bord werfe und neu wage, ihn zu bitten (vgl. Jakobus 4,2b).

Autor/-in: Joachim Bär

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