13.06.2021 / Gesellschaft

Die fünf tragischsten Vater-Sohn-Konflikte

Tragödie und Tod inklusive: Die Beziehung zwischen Vater und Sohn war schon immer für Schlagzeilen gut.

Das Thema scheint zeitlos: Von der griechischen Mythologie über biblische Erzählungen bis hin zur aktuellen Zeitgeschichte gibt es Beispiele für schwierige Vater-Sohn-Beziehungen. Ein Überblick von bekannten und weniger bekannten Beispielen dieses klassischen sozial-familiären Konfliktes zeigt: Es gab immer Stoff für Drama, Tragödie und Tod.

Ödipus, der Vatermörder

Ödipus war der leibliche Sohn des Königs von Theben, Laios und seiner Frau Iokaste. Seine Geschichte gehört zu den großen, griechischen Mythen und wurde durch den Dichter Sophokles überliefert:

Aufgrund eines Orakelspruches beschließen Laios und Iokaste die Aussetzung ihres Sohnes, denn es wurde ihnen prophezeit, dass dieser seinen Vater umbringen und seine Mutter heiraten würde. Durch das Mitleid eines Hirten überlebt der Sohn jedoch und wächst im korinthischen Königshaus als adoptiertes Kind auf. Schließlich erhält auch er den schicksalshaften Orakelspruch und flieht aus Korinth, um seine Pflegeeltern nicht zu gefährden.

Im Gebirge trifft er dann auf seinen aggressiv auftretenden Vater. Es kommt zum Streit. Ödipus erschlägt seinen Angreifer in Notwehr – ohne zu wissen, dass es sein Vater ist. Anschließend befreit er Theben von dem Fluch der Sphinx und heiratet Iokaste. Doch am Ende fliegt alles auf, die Tragik nimmt ihren Lauf: Iokaste erhängt sich, Ödipus sticht sich die Augen aus und geht ins Exil.

Diese Geschichte hat schon Sigmund Freud, den Vater der Psychoanalyse, fasziniert und zu seiner Theorie des Ödipuskonfliktes inspiriert. Damit beschreibt er die unterschiedlichen Wünsche, die Kinder gegenüber ihren Eltern haben als wichtige, therapeutische Analysehilfe.

Brief an den Vater

Franz Kafka war einer der bedeutendsten, deutschsprachigen Schriftsteller des 20. Jahrhunderts. Sein Werk ist sprichwörtlich geworden – kafkaesk: ein Ausdruck für Texte, die rätselhaft, bedrohlich und unheimlich geschrieben sind. Interpreten versuchen ihn durch Einbeziehung seiner gestörten Beziehung zu seinem Vater Hermann zu entschlüsseln.

So fühlte sich Franz Kafka zeit seines Lebens vom Vater unterdrückt, ja tyrannisiert. Dieser war laut, aufbrausend und cholerisch. Trotzdem hatte er einen wirtschaftlichen Aufstieg als Fleischhauer erreicht. Seinem Sohn machte er zahlreiche Vorschriften, was er zu studieren, wen er zu heiraten und was er überhaupt mit seinem Leben anfangen solle. Doch Franz Kafka konnte damit wenig anfangen, er zog sich immer mehr in sein inneres Exil zurück und fing an zu schreiben.

Es ist also nur folgerichtig, dass der Sohn seine schwierige Beziehung zum Vater auch schriftlich verarbeitete. Das wichtigste Beweisstück für diese Selbsttherapie: „Brief an den Vater“ von 1919. „Mein Schreiben handelt von dir, ich klagte dort ja nur, was ich an deiner Brust nicht klagen konnte“, heißt es darin. Allerdings schickte Franz Kafka den Brief nie ab, wollte ihn sogar mit samt seinem restlichen Lebenswerk vernichten. So bleibt er bis heute die tragische Anklage einer Hassliebe.

Der Name Kohl

Ein ganz anderer Autor ist Walter Kohl, der Sohn des Ex-Bundeskanzlers Helmut Kohl. Er hat ein Buch darüber geschrieben, wie sein Leben durch seinen Vater fremdbestimmt wurde. Er beschreibt darin authentisch und eindrucksvoll, dass Helmut Kohl die Familie der Staatsräson untergeordnet hat.

Nie konnte er sich vom Druck des Namens Kohl freimachen, nicht in der Schule, nicht bei der Bundeswehr. Wegen seines Vaters wurde Walter beleidigt, gehänselt, gemobbt. Als er deswegen zum Vater ging, erntete er nur die lapidare Erklärung, die Leute seien wegen der Umgehungsstraße sauer.

Die Liebe und Anerkennung, nach der sich der Sohn sehnte, gibt ihm der Vater nicht. Er floh folgerichtig nach Amerika, wo er eine Atempause erlebte.

Schließlich holte Walter Kohl aber sein Familienhintergrund wieder ein, Karikaturen des Vaters landeten auf seinem Schreibtisch. Er beschloss die Rückkehr nach Deutschland. Dort kommt er bis heute nicht zur Ruhe: Wahlniederlage, Parteispendenaffäre, Selbstmord der Mutter, immer bleibt er mitgefangen und mitgehangen – als „Sohn vom Kohl.“

Das Buch hat indes nicht geholfen, die gekappte Vater-Sohn-Beziehung zu kitten. Es herrscht eisiges Schweigen zwischen den Kohls. Ob es ein andauerndes werden wird, bleibt offen.

Abschalom und David

In der Bibel ist Abschaloms Aufstand gegen seinen Vater, König David, besonders brisant. Denn er stellt David nicht nur vor schwierige Entscheidungen, sondern reißt das ganze Land in einen Bürgerkrieg.

Abschalom war der dritte Sohn Davids und er hasste seinen Halbbruder, den Erstgeborenen Amnon, dafür, dass dieser Abschaloms Schwester Tamar vergewaltigte. Deshalb tötete er Amnon und wurde von David verbannt.

Obwohl David Abschalom liebte und ihn schließlich wieder nach Jerusalem ließ, kam es zum Bruch zwischen den beiden. Abschalom hielt sich für den besseren, stärkeren König und wollte seinen Vater stürzen.

Weil Abschalom aber nicht nur gut aussehend war und sehr bewundert wurde (2. Samuel 14,25), sondern sich auch durch taktisches Geschick und Klugheit auszeichnete, war er für David ein wirklich gefährlicher Rivale.

Nachdem David sogar aus Jerusalem fliehen musste und Abschalom viele Israeliten auf seine Seite ziehen konnte, wurde eine Entscheidungsschlacht immer unvermeidbarer. Im Wald von Efraim behielten Davids Truppen unter Führung seines Generals Joab aber schließlich die Oberhand. Abschalom verfing sich mit seinen schönen, langen Haaren in den Ästen einer Eiche und wurde durch drei Speerstiche Joabs getötet.

David war darüber tief betrübt, hatte er doch noch vor der Schlacht ausgerufen: „Schont mir mein Kind, den Abschalom!“ (2. Samuel 18,5): „So wurde der Tag der Rettung für das ganze Volk zu einem Trauertag; denn die Leute hörten an diesem Tag: Der König ist voll Schmerz wegen seines Sohnes.“ (2. Samuel 19,3)

Star Wars: Darth Vader und Luke Skywalker

Eine der bedeutendsten Wendungen der Filmgeschichte ist die Offenbarung von Darth Vader an seinen Sohn Luke im Film „Das Imperium schlägt zurück“: „Nein. Ich bin dein Vater!“

Luke Skywalker, der jugendliche Held der Science-Fiction-Filmreihe, glaubt fälschlicherweise, dass sein Vater tot ist. Darth Vader soll ihn ermordet haben. Im Lichtschwertduell mit dem düsteren Vader kommt aber die Wahrheit ans Licht. Ein Schock für Luke, ein dramatischer Höhepunkt für den Zuschauer. Ausdruck dessen: „Das Imperium schlägt zurück“ ist auf Platz zwei der SciFi-Charts gelistet – und damit der am besten bewertete Star-Wars-Film auf der populären Internet-Film-Seite imdb.com.

Denn es stellen sich spannende Fragen in diesem einen Filmzitat: Wie viel vom Vater steckt auch im Sohn? Muss er dieselben Schwierigkeiten überwinden? Kann er am Ende den Kampf gegen den Imperator gewinnen?

Er schafft es, aber nur mit Hilfe seines Vaters. Letzterer opfert sich nämlich, um seinen Sohn vor dem sicheren Tod zu bewahren. Schließlich gelingt es ihm, den Imperator in den Abgrund zu werfen.

So kann es also auch laufen. Am Ende wird die Leiche von Darth Vader verbrannt. Die Erinnerung an Anakin Skywalker lebt aber im Sohn. Dass Versöhnung nicht nur im Film, sondern auch im wirklichen Leben möglich ist, bleibt nicht nur die Hoffnung.

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