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© Phillipe Schwarz

27.08.2020 / Porträt / Lesezeit: ~ 4 min

Autor/-in: Christine Keller

Zum Singen geboren

Statt auf der großen Bühne landet Tenor Shawn Mlynek auf seinen Knien.

Es war früher alles so einfach, so natürlich. Er fühlte sich, als sei seine Singstimme dazu gemacht, von anderen gehört zu werden. Sein Talent war aufgefallen. Leute applaudierten ihm. Doch jetzt, als Shawn Mlynek seine musikalische Karriere so richtig ins Laufen bringen wollte, öffnet er seinen Mund und es kommen Tränen. „Du wirst nie Karriere machen können!“, hallt es in seinem Kopf. „Ihm kann man nichts beibringen!“ Doch Shawn Mlynek hält an seinem Traum fest: Er will Profisänger werden. Er soll Profisänger werden. Und er wird – allen kritischen Voraussagen zum Trotz – Recht behalten.

Musik ist sein Leben

Shawn Mlynek wächst in Toldeo, Ohio auf. In der ländlichen Gegend ist er der „big fish in the small pond“, zu Deutsch: das größte Talent in einer kleinen Stadt. Seine musische Begabung fällt dem Musiklehrer an der weiterführenden Schule auf. Shawn erlernt zahlreiche Instrumente, nimmt Gesangsunterricht, singt im Chor. Unzählige Stunden widmet er der Musik. Es macht ihm Freude und ist gleichzeitig harte Arbeit. Zwei Mal verbringt er die Sommerferien in einer Summer School, um seinen Gesang zu trainieren. Um noch besser zu werden. Sein Fokus: Eine Karriere als Sänger. Einen Plan B, eine Alternative für sein Leben, hat er nicht.

Als Shawn eine Zusage für das Gesangsstudium seiner Wahl erhält, ist er sich sicher: Das Studium wird ein Sprungbrett auf die großen Bühnen. Große Opernhäuser und Theater werden sich noch die Finger nach ihm lecken. Doch durch falsches Training geht seine Stimme kaputt. „Aus dir kann kein Sänger werden“, sagt ihm der Gesangslehrer. Shawns Sicht vernebelt. Ein Lehrerwechsel verschlimmert die Lage, denn seine neue Trainerin setzt ihn stark unter Druck. Sogar nachts erhält er Telefonanrufe von ihr, bei denen sie ihn drangsaliert: „Warum übst du nicht?! Du ziehst meinen Namen in den Dreck!“ Shawn fühlt sich erniedrigt. Und er sieht keinen Wert mehr in seinem Leben.

Gesucht und gefunden?

Als Shawn während seines Masterstudiums für einen Gesangsjob in der Kirche sitzt, kommt er ins Grübeln über sich und sein Leben. Plötzlich hört er eine Stimme hinter sich: „Geh raus, verlass diesen Job!“ Shawn bekommt Gänsehaut und dreht sich um. Er sitzt in der letzten Reihe, niemand ist hinter ihm. Doch er ist sich sicher, eine Stimme gehört zu haben. Ohne die Situation zu verstehen, tut er, was die Stimme sagt. Er geht nach Hause, denkt nach und weint. „Was suche ich eigentlich?“, fragt er sich. „Was um alles in der Welt suche ich?“

Am nächsten Tag geht Shawn in die Uni. Im Hauptgebäude bleibt er wie versteinert stehen. „Suchst du mich? Ich suche dich!“, liest er. Das war doch genau seine Frage! Er fühlt sich, als würde ihm jemand eine Ohrfeige geben. Er schaut sich das Banner genauer an. Es ist eine Einladung zu einem Gottesdienst. Shawn ist enttäuscht, auf einen Gottesdienst hat er keine Lust. Doch er ermahnt sich: Er möchte alles Sinnstiftende ausprobieren und so auch dem christlichen Glauben eine Chance geben. Also geht er zum Gottesdienst. Einmal, zweimal, dreimal.

Und dann kommt er: Der Heilungsgottesdienst. Shawn glaubt nicht daran, dass Gott jemanden durch ein Gebet heilen könnte. So etwas passiert doch nicht. Er geht hin, um den Glaubenden zu zeigen, dass sie falsch liegen und er Recht hat. Doch es kommt anders.

„Mach etwas aus meinem Leben!“

Ein Mann wird sichtbar vor Shawns Augen geheilt. „Gott, wenn du das warst, dann zeig dich mir“, stammelt Shawn. Er müsse ein zweites Wunder erleben. Dieses passiert prompt: Eine weitere Heilung vor seinen Augen, die er sich nicht erklären kann. Shawn betet zu Gott: „Nimm du mein Leben und mach etwas daraus.“ Dann geschieht etwas, das für Shawn schwer in Worte zu fassen ist. „Es war, als wenn mir Schuppen von den Augen gefallen sind“, sagt er.

Seine Wahrnehmung ändert sich. „Sogar die Luft hat plötzlich anders geschmeckt.“ Shawn erzählt von einer Begegnung mit Gott. Er sei dem allmächtigen Schöpfer begegnet und dies hat ihm ein ganz neues Lebensgefühl gegeben. Er ist sich seitdem sicher: Gott liebt ihn – ganz unabhängig von seiner Stimme oder seinem Erfolg. „Wenn Gott mich liebt, dann ist es egal, was ich über mich denke. Ich bin angenommen.“ Das steht für ihn bis heute außer Frage.

Auch auf seinen Gesang wirkt sich das Erlebnis aus. Denn seine Stimme ist nicht mehr das, was ihm Anerkennung bringen soll, sondern ein Geschenk Gottes. Das möchte Shawn gebrauchen, um auf Gott aufmerksam zu machen – auf und hinter der Bühne. Shawn schließt sein Studium ab und arbeitet zunächst in den USA und Kanada als Sänger. Dann erhält er einen Auftrag in Deutschland – dem Land, in das es ihn schon länger zieht, „das Land der großen Komponisten“.

Shawn überlegt nicht lange, packt seinen Koffer und zieht um. Seit fünf Jahren lebt Shawn nun hier. Ein festes Standbein hat er in Gießen, wo er beim Stadttheater angestellt ist. Dort singt er als Tenor im Opernchor, mal steht er auch als Solist auf der Bühne. Für Auftritte reist er aber auch nach Tschechien, in die Slowakei, nach Spanien… Auch wenn sein Wohnort in Deutschland ist: Zuhause ist er genauso auch auf den Bühnen weltweit.

 Christine Keller

Christine Keller

  |  Redakteurin

Hat in der Redaktion von ERF Jess gearbeitet. Ist ansonsten als freie Journalistin auch online und hinter der Kamera unterwegs. Sie hat Hummeln im Hintern, was aber nicht weh tut. Sie liebt es, To-Do-Listen zu schreiben und abzuhaken. Wenn‘s doch mal entspannt sein soll, nimmt sie gern ein gutes Buch zur Hand.

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