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07.09.2021 / Zum Schwerpunktthema / Lesezeit: ~ 3 min

Autor/-in: Ulrike Schild

Unterwegs mit leichtem Gepäck

Steht die Einfachheit einem glücklichen Leben im Weg oder führt sie dorthin? Ulrike Schild hat sich auf den Weg gemacht.

 

Mein Haus, mein Auto, mein Boot: Mit diesem Slogan hat die Sparkasse ein kleines Stück Werbegeschichte geschrieben. Der Werbeclip suggeriert uns, was wir im Leben so alles brauchen, um glücklich zu sein – obwohl sich das längst nicht jeder leisten kann. Die Werbung verführt uns generell zu manch unsinnigen Einkäufen, ohne dass wir das immer sofort merken. Höher, schneller, weiter, reicher, das ist bei vielen Menschen die Devise.

Darf es auch ein bisschen weniger sein?

Weniger statt mehr. Langsam statt schnell. Leise statt laut. Offline statt online. Single-Tasking statt Multitasking. Radweg statt Autobahn, Slow Food statt zu viel Fast Food, Verwirklichung statt Bespaßung: Die Frage, was uns wirklich glücklich macht, scheint bei vielen Menschen neu angekommen zu sein.

Das Umschalten zu einem einfachen Lebensstil ist ein Megatrend der letzten Jahre. Es geht um die Sehnsucht, nicht mehr im Dickicht des Konsumsumpfs zu ersticken und bewusster und nachhaltiger zu leben und konsumieren. Das ist auch mein Wunsch. Weil mir das ein willkommener Gegenentwurf zur Schnelllebigkeit und Reizüberflutung des Menschen in unserer Zeit zu sein scheint, der mir selbst sehr entgegen kommt.

Raus damit!

Inspiriert hat mich zu dem Thema „einfach“ eine Sendung mit einem Studiogast. Da ging es um das Glück des Loslassens. Und ich war erstaunt, was dieses Thema mit meinem eigenen Leben macht. Innerlich und äußerlich. Ich habe mich nach der Sendung gefragt: Was könnte ich loslassen, was müsste ich loslassen, um freier zu werden, um glücklicher zu werden. Um an Leichtigkeit zu gewinnen. Um luftiger durchs Leben zu gehen. Und da ist bei mir eine ganze Menge zusammengekommen.

Ich habe ganz banal angefangen bei meinen Kleiderschränken, die unter der Fülle der Pullis, Blusen, Hosen und Blazer schon kurz vor dem Zusammenbrechen waren. „Raus damit!“ war mein Gedanke. Ich habe vieles verschenkt und manches entsorgt – und nichts vermisst. Weiter ging es im Keller, wo sich viele Sachen stapelten. Der gleiche Gedanke: „Raus damit!“

So habe ich nach und nach meine Wohnung luftig gemacht. Und das war ein unbeschreiblich gutes, befreiendes Gefühl.

Der Schmerz zwingt zur Einfachheit

Außerdem hat mich eine langjährige, chronische Krankheit schon vor längerer Zeit dazu gezwungen, einen einfacheren Lebensstil zu leben. Kürzer zu treten. Nicht mehr alles mitmachen zu können. Häufiges Essen gehen, Kinobesuche, Sport, unzählige Events und Begegnungen waren für mich jahrelang nicht mehr drin.

Nach der Arbeit war ich meistens platt und am Abend nur noch damit beschäftigt, meinen Energietank wieder aufzufüllen, für den neuen Tag und um mit meinen Schmerzen klarzukommen. Der Verlust der Gesundheit war ein immens harter Brocken für mich. Eine chronische Dauerkranke zu sein, hat mich an den Rand der Verzweiflung gebracht.

Ich habe in der Zeit viel geweint und ich habe mich gefragt, warum Gott mich in solche Abgründe hat fallen lassen. Ich war wild und kühn und auch noch jung und voller Energie. Und nun das.

Andererseits hat die Krankheit zwangsweise dafür gesorgt, inwendiger zu leben, ruhiger zu leben, mehr zu beten, zu hoffen, zu glauben. Ich hatte viel Zeit, mit Gott zu reden und ich habe im wahrsten Sinne des Wortes auch viel mit Gott gerungen. Ihm Vorwürfe gemacht, ihm Fragen gestellt. Ihm den Rücken zugewandt und mich von ihm losgesagt. Und es hat lange gedauert, bis er mich auf ganz liebevolle Weise wieder eingeholt hat. Gott sei Dank! Das war ein langer, schmerzhafter Weg.

Und ich habe mich sehr darüber gefreut, dass eine Hörerin einmal schrieb: „Liebe Frau Schild, ihre Andachten sind intensiver geworden, mitfühlender und viel tiefgründiger. Sie scheinen auch die schmerzhafte Seite des Lebens zu kennen.“ Jawohl – so ist es.

Ein fast vergessenes Wort

Es gibt da ein Wort, das bei mir immer mehr in Vergessenheit geraten war. Schleichend, unbemerkt ist es aus meinem Leben verschwunden. Es ist ein Wort, das vom Aussterben bedroht ist. Bedroht von Arbeitgebern, die uns immer mehr Leistung abverlangen, von Werbung, die uns einreden will, wir seien nichts wert ohne perfekte Figur. Ohne perfekte Frisur. Ohne perfekte Wohnung. Ohne perfekte und einflussreiche Freunde. Ohne das perfekte Auto. Es ist das Wort „genug“.

„Genug“ ist ein gutes Wort. Ich habe es für mich wiederentdeckt. Und ich möchte es noch viel mehr in meinem Leben wiederbeleben. Weil ich dann freier atmen und leichter leben kann.

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Kommentare (3)

Magdalena M. /

Liebe Frau Schild, sie bringen es auf den Nenner, was ich auch denke. Der Artikel hat mir sehr geholfen! Vielen Dank! Bei mir steht aktuell das "Ausmisten" im Bereich der Social Media's an. Da ist auch weniger mehr, sonst verzettelt man sich immer mehr und lebt am Leben vorbei.

Magdalena M. /

Liebe Frau Schild, sie bringen es auf den Nenner, was ich auch denke. Der Artikel hat mir sehr geholfen! Vielen Dank! Bei mir steht aktuell das "Ausmisten" im Bereich der Social Media's an. Da ist auch weniger mehr, sonst verzettelt man sich immer mehr und lebt am Leben vorbei.

Waltraut L. /

Liebe Frau Schild,
Ihr heutiger Beitrag hat mir unendlich viel gegeben.
Danke dafür!
Ich wünsche Ihnen von Herzen alles Gute und Gottes reichen Segen.
Ich freue mich auf weitere Beiträge von Ihnen.
Liebe Grüße

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