Navigation überspringen
© Tyler Nix / unsplash.com

08.01.2019 / Serviceartikel / Lesezeit: ~ 4 min

Autor/-in: Katrin Faludi

Sei.

Entdecke den besten Vorsatz für das neue Jahr.

Wenn das mit den bisherigen Neujahrsvorsätzen bei mir immer so geklappt hätte, wie ich es mir gewünscht habe – Leute, ich wäre ja nicht mehr wiederzuerkennen!

Die Chefs der Süßwarenkonzerne müssten mühsam ihre Tränen wegblinzeln, Heidi Klum wäre neidisch auf meine Disziplin, ich hätte den Iron Man gewonnen, die sozialen Probleme in meinem Landkreis gelöst, eine Wohnung, die so sauber ist, dass man auf dem Esstisch Organe transplantieren kann, und auf maximale Dramatik abzielende Vergleiche in meinem Sprachgebrauch wären finsterste Vergangenheit.

Kurzum: Hätte ich mich an meine stillschweigend gefassten Neujahrsvorsätze gehalten, wäre ich längst ein völlig anderer Mensch. Besser, natürlich. Bei stetig wachsender Bescheidenheit.

Weil ich irgendwann so frustriert darüber war, dass ich meinen Idealen nie gerecht wurde, und das auf mein scheinbar gestörtes Verhältnis zum Thema Disziplin schob, habe ich den Unsinn mit den Vorsätzen irgendwann sein lassen.

Denn ein Vorsatz ist nicht „gut“, weil ein willkürlich festgelegtes Datum (in diesem Fall der 1. Januar) das so anregt, sondern wenn derjenige, der sich die Sache vornimmt, davon überzeugt ist, das Richtige zu tun. Der gefestigten Überzeugung folgt der Wille und dem Willen folgt die Tatkraft.

Schuld sind diesmal wirklich die anderen

Warum funktionieren solche Vorsätze aus voller Überzeugung oft gut, während andere so krachend scheitern? Auch das ist eigentlich ganz einfach. Die anderen sind schuld!

Genauer gesagt: Es sind die Überzeugungen anderer, die mich zu Vorsätzen verleiten, die nicht funktionieren. Weil es nicht meine sind (hier dürfen wir endlich mal ganz ungehemmt den anderen die Schuld zuschieben!). Denn wenn ich versuche, die Vorsätze anderer zu leben, verbiege ich mich und bin nicht ich selbst. Ich muss meine eigenen Überzeugungen finden.

Wenn ich versuche, die Vorsätze anderer zu leben, verbiege ich mich und bin nicht ich selbst. Ich muss meine eigenen Überzeugungen finden.

Eines Tages lief ich durch die Einkaufsstraße unserer Stadt. Ich war mit meinen Gedanken gerade ganz woanders, als mir plötzlich ein wildfremder, älterer Mann in den Weg trat. Er runzelte die Stirn, sah mich streng an und hob den Zeigefinger. Damit malte er ein Lächeln in die Luft und grinste mich auffordernd an. Diese Botschaft funktionierte ohne Worte: Guck‘ nicht so ernst, lächle lieber!

Irritiert ging ich weiter. Mir war in diesem Moment überhaupt nicht nach Lächeln zumute gewesen, ich wollte einfach nur in Ruhe gelassen werden. Ich ging meinen Weg nicht mit dem Ziel, anderen als optischer Aufheller im Straßenbild zu dienen. Was mich gerade beschäftigte und warum ich so guckte, wie ich guckte, ging diesen Mann überhaupt nichts an.

Aber ich fühlte mich in diesem Augenblick tatsächlich dazu gedrängt, „heiterer“ auszusehen, weil jemand anderes sich das von mir gewünscht hatte. Dann ging mir auf, wie übergriffig das war. Der Mann hatte versucht, mir seine Überzeugung aufzudrängen und mir damit das Gefühl vermittelt, nicht in Ordnung zu sein.

Aber wer sagt eigentlich, dass eine Frau lächelnd durch die Straßen wandeln müsste, um einen schönen Schein zu wahren?

Achtung, jetzt kommt eine Binsenweisheit!

Jeden Tag prasseln verschiedenste Überzeugungen von außen auf uns ein. Manche sind es wert, dass wir darüber nachdenken, andere können wir getrost an uns vorbeigehen lassen. Wichtig ist, dass wir unterscheiden lernen, welche Überzeugungen in Wahrheit fremde Übergriffe sind, die uns eher verunsichern und dazu bringen, uns nicht so zu verhalten, wie es unserem Wesen entspricht.

Wenn ich mir beispielsweise vornehme, abzunehmen, dann nicht, um dem von außen herangetragenen Schönheitsideal zu entsprechen, sondern weil ich überzeugt bin, dass es besser für meinen Körper und mein Wohlbefinden ist.

Das ist ein großer Unterschied. Wenn ich mir vornehme, mehr zu beten, dann nicht, weil meine lieben Mitchristen mich dann für frommer und disziplinierter halten, sondern weil es mich Gott näher bringt. Wenn er meiner Überzeugung entspricht und ich den Nutzen spüre, halte ich den Vorsatz eher durch, als wenn ich mich den Überzeugungen anderer verpflichte.

Das klingt nicht nur nach Binsenweisheit. Es ist eine! Aber warum sind dann Neujahrsvorsätze jedes Jahr so aktuell? Weil die scheinbar einfache Weisheit eben doch nicht durchdringt.

Finde deine Überzeugung

Vor einigen Monaten fragte ich Gott, warum er mir nicht dabei half, mich zu ändern. Warum ich in so vielen Lebensbereichen stagnierte und mich nicht verbesserte, obwohl es, wie ich fand, nötig war.

Wochen später kreisten meine Gedanken wieder einmal um dieses Thema, als plötzlich ein Wort „von oben“ in meine Gedanken plumpste wie ein Stein ins Wasser.

Dieses Wort war so klar und einfach, wie es nur sein konnte. Es lautete: „Sei.“ Und wie ein Stein im Wasser Kreise zieht, breitete sich danach in mir das Gefühl aus, als wollte Gott mir sagen:

Von allen Seiten wird dir eingeredet, wie du sein sollst. Ich tue das nicht. Ich rede dir nicht rein. Du kennst meine Regeln. Wenn ich der Ansicht bin, dass Korrektur nötig ist, teile ich es dir mit. Ansonsten sage ich dir: Sei!

Ich glaube, dass das stimmt. Gott beruft uns dazu, zu sein. Er gibt uns die Freiheit, unseren eigenen Weg zu gehen und unsere eigenen Überzeugungen zu finden.

Meine Überzeugung ist: Sei. Weil du frei bist, zu sein. Was ist deine?
 

 Katrin Faludi

Katrin Faludi

  |  Redakteurin

In Offenbach geboren, mit Berliner Schnauze aufgewachsen. Hat Medienwissenschaft und Amerikanistik studiert, ist danach beim Radio hängengeblieben. Außerdem schreibt sie Bücher, liebt alles, was mit Sprache(n) und dem Norden zu tun hat und entspannt gerne beim Landkartengucken. Mit ihrem Mann und ihren zwei Kindern wohnt sie in Bad Vilbel.

Ihr Kommentar

Die E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.
Alle Kommentare werden redaktionell geprüft. Wir behalten uns das Kürzen von Kommentaren vor. Ein Recht auf Veröffentlichung besteht nicht.

Kommentare (1)

Bibiche /

SEIN - TUN
Immer wird gepredigt was wir TUN müssen - dabei tun wir am Meisten, wenn Andere in unserem SEIN Jesus entdecken können. Genau wie der Mond ohne Sonne dunkel bleibt, ist unser TUN, wenn es nicht von IHM erleuchtet ist, nutzlos.
Wir sind "human-beeings" und nicht "human-doings"

Das könnte Sie auch interessieren